Martin Kippenberger

Metro-Net, 1997
(Transportable subway entrance)
Iron painted in white, 343 x 750 x 245 cm


Nach Kippenberger


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Das Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien (MUMOK) und das Van Abbemuseum in Eindhoven nehmen zwei wichtige Zeugnisse in der Ausstellungsgeschichte des deutschen Künstlers Martin Kippenberger (1953-1997) zum Anlass, sein Werk mit der ersten umfassenden Retrospektive in Österreich und in den Niederlanden einem breiten Publikum zu präsentieren. Kippenberger hat in beiden Ländern zwei grosse Installationen realisiert. Das Museum Boijmans Van Beuningen in Rotterdam bot 1994 die Spielfläche für die raumgreifenden Dialogsituationen von "The Happy End of Franz Kafka's Amerika". "Tiefes Kehlchen" wurde 1991 im Rahmen der Projektreihe "Topographie. Sachdienliche Hinweise der Wiener Festwochen" in einem Bautunnel der U-Bahnlinie U3 gezeigt. Kippenberger inszenierte damals eine "Kunstgeisterbahn" (M. K.), die zunächst von Presse und Kulturinstitutionen angefeindet wurde, heute aber als einer der Höhepunkte seines Schaffens gilt. Das MUMOK zeigt erstmals Teile dieser Installation in Österreich.


Martin Kippenbergers Image eines postmodernen Bohemiens hat viel dazu beigetragen, dass eine Rezeption seines Werkes kaum ausserhalb seines persönlichen Umfeldes erfolgt ist und oft auf seine Person und sein exzessives Auftreten reduziert bleibt. Die Ausstellung "Nach Kippenberger" sucht hingegen, aus der historischen Distanz dem Werk des Künstlers gerecht zu werden, ohne seine Strategien zu imitieren oder bestimmte Aspekte einseitig festzuschreiben. Am Leitmotiv der Architektur wird eine alle Medien umfassende konzeptuelle Grundstruktur verfolgt, die in gemalten, konstruierten, verhinderten oder vorgegaukelten Konstruktionen auftritt. Kippenbergers Selbstinszenierung bzw. seine intensive Auseinandersetzung mit dem eigenen Ich spielt dabei eine zentrale Rolle.


Die Ausstellung zeigt über 100 Exponate und konzentriert sich auf wesentliche Werkkomplexe bzw. Serien des sehr grossen Œuvres Kippenbergers, das in nur zwei Jahrzehnten von 1977 bis 1997 entstanden ist. Ausgestellt werden 25 Skulpturen und umfangreiche Installationen, 50 Gemälde sowie zahlreiche Serien von Zeichnungen, Fotoarbeiten und Plakaten und seine gesamte Buchproduktion. Mit der 1977 in Florenz entstandenen Werkgruppe "Uno di Voi, un Tedesco in Firenze" lieferte Kippenberger einen ironischen Beitrag zur Malerei bzw. zur Konzeptkunst, indem er die Keilrahmen der gestapelten Bilder in der Höhe seiner eigenen Körpergrösse plante. Das angestrebte Ziel führte er selbst ad absurdum, indem er das Werk 10 cm zuvor abschloss.


Gezeigt werden auch Beispiele aus den grossen Serien der Selbstporträts, von den Werken der achtziger Jahre bis zur 1996 entstandenen, auf Theodor Géricault zurückgehende (Selbstporträt-) Serie der Medusa.


Eine zentrale Gruppe in der Ausstellung sind jene Bilder mit architektonischem Vokabular, deren ironische Bildtitel wie zum Beispiel "Ich kann beim besten Willen kein Hakenkreuz entdecken" mehrdeutige Bezüge zulassen und einen aufschlussreichen Einblick in die Gedankenwelt Kippenbergers der achtziger Jahre geben. Diese Bilder korrespondieren mit Beispielen aus den Peter-Skulpturen bzw. mit den aus Paletten konstruierten Skulpturen Entwürfe für Müttergenesungswerke. In der Werkgruppe der Fotoarbeiten ist u.a. Kippenbergers grossformatige Fotoinstallation "Tankstelle Martin Bormann" vertreten. Das Schwarzweissfoto einer halb verfallenen Tankstelle an einem verlassenen Strand in Brasilien wurde nach den Anweisungen des Künstlers aufgenommen. Kippenberger hat dem Naziverbrecher Martin Bormann mit dieser Tankstelle eine vermeintliche Wirkungsstätte und Tarnadresse angedichtet. Seine zusätzliche Behauptung, die Tankstelle gekauft und mit einem Telefonanschluss ausgestattet zu haben, verleiht dem Werk eine weitere, fiktive Identität.


Darüber hinaus präsentiert die Ausstellung eine Version des Sozialkistentransporters, Kippenbergers Version der venezianischen Gondel, die berühmte "Documenta-Lampe" – eine sich verbeugende, mit einer Plexiglasträne versehene Lampe – mit der sich Kippenberger selbst zur Documenta IX (1992) eingeladen hat sowie die grosse Installation "Spiderman-Atelier". Mit der "METRO-Net World Connection", einer fiktiven U-Bahnlinie mit Eingängen und Lüftungsschächten von den griechischen Inseln bis nach Alaska, verfolgte er die Idee einer globalen Vernetzung. Kippenberger positionierte sich immer wieder auch als Kunstvermittler, Sammler und Kurator. Seinem 1993 gegründeten Museum MOMAS (Museum of Modern Art Syros) in einer Bauruine auf der griechischen Insel Syros stand er als Direktor vor.


Alle Werke Kippenbergers belegen seine ständige Auseinandersetzung mit der ihn umgebenden Welt, mit gelebter und vermittelter Geschichte, Politik und Kultur. Kippenbergers Ansatz war in seiner grossen Vielfalt stets sparten- und medienübergreifend, sein Schaffen ein nie endender Kommentar über die Welt.


Die Ausstellung wurde gemeinsam mit dem Van Abbemuseum in Eindhoven organisiert, wo sie vom 23. November 2003 bis 1. Februar 2004 gezeigt wird.


Kuratorinnen: Eva Meyer-Hermann (Van Abbemuseum Eindhoven), Susanne Neuburger (MUMOK)
Konzept: Eva Meyer-Hermann


Zur Ausstellung erscheint ein Katalog (deutsch/englisch) mit Texten von Eva Meyer-Hermann, Susanne Neuburger, Diedrich Diederichsen, Lucy McKenzie und Martin Prinzhorn. Die einzelnen Werkgruppen in der Ausstellung werden mit entsprechenden Werktexten im Katalog kommentiert.
ISBN 3-85160-028-2, EUR 28.- (EUR 32.- im Buchhandel)


Ausstellungsdauer: 12.6. - 31.8.2003
Oeffnungszeiten: Di-So 10 - 18 Uhr, Do 10 - 21 Uhr
Montag geschlossen


MUMOK
Museum moderner Kunst
Stiftung Ludwig Wien
im MuseumsQuartier
Museumsplatz 1
A-1070 Wien
Telefon +43 1 52500-1313
Fax +43 1 52500-1300
E-Mail: info@mumok.at

www.mumok.at




Nach Kippenberger (After Kippenberger)


By singling out two significant works created by the German artist Martin Kippenberger (1953-1997), the Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien (MUMOK) and the Van Abbemuseum in Eindhoven are presenting the artist's œuvre to Austrian and Dutch viewers in an impressive retrospective. Kippenberger designed two big installations in Austria and the Netherlands. The Museum Boijmans Van Beuningen in Rotterdam provided the setting for Kippenberger's large spatial dialogue The Happy End of Franz Kafka's "Amerika" in 1994. "Tiefes Kehlchen" was staged in 1991 (as part of the project series Topographie. Sachdienliche Hinsweise of the Vienna Festival) in a tunnel of Vienna's U3 subway line. Kippenberger devised what he referred to as an "art tunnel of horrors" which first drew fierce opposition from journalists and cultural institutions, but is considered today one of his major contributions. The MUMOK is showing parts of this installation for the first time in Austria.


Martin Kippenberger's image as a post-modern bohemian is one of the main reasons why his œuvre struck a responsive chord chiefly with those surrounding him - and in most cases, reactions to his work were confined to his persona and excessive demeanor. The exhibition "Nach Kippenberger" (After Kippenberger), in contrast, attempts to do justice to the artist's work, and it does so from a certain historical distance, without wanting to imitate his strategies and without providing a biased view on some of his aspects. The exhibition is structured such that it involves a variety of media, as well as painted, designed, non-materialized, and make-believe architectures. Kippenberger's habit of putting himself on display and delving into his own personality features prominently in the show.


The exhibition comprises more than 100 works, focusing on essential series of Kippenberger's vast œuvre created in just two decades, from 1977 to 1997. Exhibits include 25 sculptures and large installations, 50 paintings, numerous series of drawings, photographs, posters, as well as all his books. His group of works entitled "Uno di Voi, un Tedesco in Firenze" of 1977 is an ironic allusion to Painting and Conceptual Art - Kippenberger designed the wedged stretchers of the stacked pictures such that they matched his own height. He then pointed to the absurdity of this goal by completing the work 10 centimeters short of the planned level.


The show also features examples of his comprehensive series of self-portraits, ranging from his works from the eighties to his series (of self-portraits) of Medusa (1996), inspired by Theodor Géricault.


A key element in the exhibition are pictures using an architectural language. Their ironic titles such as "Ich kann beim besten Willen kein Hakenkreuz entdecken" (For the Life of Me I Can't See the Swastika in This) allow for ambiguous interpretations and, at the same time, help us gain valuable insights into Kippenberger's thinking of the eighties. These pictures correspond to examples of his sculptures entitled "Peter and Entwürfe für Müttergenesungswerke" (How to Promote the Convalescence of Mothers) made up of pallets. Photographs on display include Kippenberger's large-format photographic installation "Tankstelle Martin Bormann" (Martin Bormann's Gas Station). This black-and-white picture of a dilapidated gas station located on a secluded Brazilian beach was taken following the artist's instructions. Kippenberger pretended that Nazi criminal Martin Bormann used this gas station as his place of work and address in an effort to conceal who he really was. The fact that he claimed to have bought the gas station and to have equipped it with a telephone line lends a fictitious identity to the work.


"Nach Kippenberger" (After Kippenberger) also presents the "Sozialkistentransporter", Kippenberger's version of a Venetian gondola, his famous "Documenta lamp" - a lamp with a plexiglass tear taking a bow that Kippenberger used to invite himself to Documenta IX (1992), as well as his big installation "Spiderman-Atelier". In "METRO-Net World Connection", a fictitious subway line including entry points and ventilation shafts, running from the Greek islands to Alaska, he pursued the idea of global networking. Time and again, Kippenberger worked as an art educator, collector, and curator. He was, for example, director of the museum MOMAS (Museum of Modern Art Syros), founded in 1993 in a rundown building in the Greek island of Syros.


Kippenberger's entire œuvre evidences his constant dealings with the world surrounding him, with history as he perceived and conveyed it, with politics, and with culture. Kippenberger's approach was marked by an impressive variety, and his work, a never-ending commentary of the world, radiated across media and categories.


The exhibition has been jointly organized with the Van Abbemuseum in Eindhoven, where it will be shown from 23 November 2003 to 1 February 2004.


A catalogue (in German and English) accompanies the show, including essays by Eva Meyer-Hermann, Susanne Neuburger, Diedrich Diederichsen, Lucy McKenzie, and Martin Prinzhorn. All groups of works exhibited in the show are described by texts in the catalogue.
ISBN 3-85160-028-2, EUR 28.-.


Curators: Eva Meyer-Hermann (Van Abbemuseum Eindhoven), Susanne Neuburger (MUMOK)
Concept: Eva Meyer-Hermann


12 June - 31 August 2003


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