Manuel Bauer in der COALmine Fotogalerie Winterthur

Manuel Bauer
Möge ich allen Lebewesen ein Wunschjuwel sein

Shiwalha Tenzin Nueden Lobsang Choephel Jigme Wangchuk Taksham, die 8. Reinkarnation Shantidevas

Dies ist die Geschichte eines südindischen Prinzen aus dem 8. Jahrhundert, der unter dem Namen Shantideva bekannt wurde. Genauso ist es die Geschichte des 1980 in Jona bei Rapperswil geborenen Nueden Taksham.

Der Legende nach hatte der südindische Prinz sein hinduistisches Königshaus verlassen, um sich - gleich wie Buddha 1300 Jahre zuvor - auf die Suche nach den edlen Wahrheiten zu begeben. Im Verlaufe seiner Suche kam der Prinz zur buddhistischen Klosteruniversität Nalanda in Nordindien und wurde dort zum grossen Gelehrten Shantideva.

Als die Anhänger des Islams im 12. Jahrhundert den Buddhismus in Indien verdrängten, wurde Nalanda zerstört. Doch Shantideva sollte wiederkehren. Im Glauben der Tibeter wird ein Lebewesen solange wiedergeboren, bis es erlöst wird. Zur Erlösung führt unter anderem die Fähigkeit, für das Leid der anderen Lebewesen Mitgefühl zu empfinden. Die Erleuchtungswesen, die Bodhisattvas, verzichten jedoch auf die Erlösung - aus Mitleid für die noch im Kreislauf von Leben und Tod gebundenen Wesen. Um sie auf ihrem Weg zur Erleuchtung zu unterstützen, nehmen die Bodhisattvas erneut Gestalt an. Erleuchtungswesen sind in verschiedensten Formen überall in dieser Welt tätig.

Shantideva ist einer der Bodhisattvas. Er reinkarnierte sich in Tibet über die Jahrhunderte unter dem Namen Shiwalha. Starb Shiwalha, machten sich Suchtrupps auf den Weg, um seine Wiederverkörperung zu finden.

Als China 1949 in Tibet einmarschierte und das Land besetzte, lebte der 8. Shiwalha im Hauptkloster von Chamdo, Osttibet. Er wurde zu einer bedeutenden Figur im tibetischen Widerstand; 1959 verschwand er unter bis heute ungeklärten Umständen. Erst 1980 kündigten Zeichen in Meditationen und Träumen der mittlerweile im indischen Exil lebenden tibetischen Lamas die glückliche Wiederkehr Shiwalhas an, und man begann mit der Suche nach der Reinkarnation.

Als ein Abt des Exilklosters Sera 1982 die Tibeter Tsewang und Nyima Taksham in Jona bei Rapperswil besuchte, fiel ihm der Sohn des Paares auf. Er glaubte in ihm die 8. Reinkarnation Shantidevas zu erkennen, also den 9. Shiwalha. Der Abt meldete seine Beobachtungen dem Dalai Lama. Zwar war der Knabe aus Jona nicht der einzige, der als Kandidat in Frage kam, doch der Dalai Lama und seine beiden Hauptlehrer entschieden sich nach längerem Prüfen für ihn. So fanden Tsewang und Nyima Taksham eines Tages einen Brief mit dem Siegel des Dalai Lamas in ihrem Briefkasten. In dem Schreiben hiess es, dass ihr am 27. August 1980 geborene Sohn Tenzin Nueden Lobsang Choephel der 9. Shiwalha sei.

Nach Tibet kam Tenzin Nueden erstmals mit vier Jahren. Wo die Eltern mit dem Kind haltmachten, strömten jeweils (trotz des Versammlungsverbotes der chinesischen Behörden) Hunderte von Pilgern zusammen, um sich von Shiwalha segnen zu lassen. Tsewang und Nyima Taksham erkannten, welch grosse trostbringende Bedeutung Shiwalha für die unter der Besatzung leidenden Tibeter hat. Sie beschlossen deshalb, ihrem Kind die standesgemässe klösterliche Ausbildung zukommen zu lassen. Shiwalha besuchte noch die beiden ersten Klassen Primarschule in der Schweiz, siedelte aber 1989 nach Südindien in sein Stammkloster Sera über, das hier wiederaufgebaut worden war.

In Sera lebt der 9. Shiwalha noch heute. Hier wird er unter der Obhut von Meister Geshe Jampa Tobgyal und verschiedenen Gelehrten in den Fächern Tibetische Sprache, Grammatik, Kaligraphie, Philosophie, Ritualkenntnisse, Deutsch und Englisch unterrichtet. Seine Eltern besuchen ihn regelmässig; hin und wieder kehrt der Shiwalha auch in die Schweiz zurück, um seine Verwandten und Freunde zu besuchen.

Im August 1999 bestand Shiwalha die Rigchung-Prüfung, zu der von den 3500 in Sera studierenden Mönchen jedes Jahr nur 16 zugelassen werden. Mit der Rigchung-Prüfung hat Shiwalha das Grundstudium abgeschlossen und eine erste grosse Hürde seiner religiösen Ausbildung gnommen. Nach sieben bis acht Jahren weiterem Studium wird er erneut geprüft, um den Geshe-Titel zu erlangen. Danach wird er vermutlich seine Lehrtätigkeit aufnehmen.

(Manuel Bauer, Lookat)

Ausstellungsdauer: 2.2. - 4.5.2001
Oeffnungszeiten: Di - Fr 12-17 Uhr

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