© Margot Zanni

aus der Serie "Double Take", 2005
Diaprojektion


Margot Zanni
The Locations



Im Ausstellungstitel "The Locations" deutet sich bereits das intensive Interesse von Margot Zanni für Orte und Menschen an. Von hinten abgebildete Frauen und Männer, leere Strassen, Porträts sowie eine Installation bilden den Ausgangspunkt für ein Wechselspiel, das um Fragen der (was soll das sein?) Identität kreist. Die Luzerner Künstlerin vermeidet es jedoch, abschliessende Identitäten festzuschreiben. In einigen Arbeiten manipuliert sie geradezu den Wahrheitsgehalt des Abgebildeten, was wiederum Fragen über Authentizität und Fiktion provoziert. So entstehen manipulierte oder tatsächliche Identitäten, deren Konstruktionen und Eigenheiten in den Arbeiten offen gelegt werden.


Als Ankündigung von "The Locations" findet sich im vom Ausstellungsraum nicht einsehbaren Schaufenster gegen die Langstrasse hin eine Serie Porträts. Die in Paris und New York entstandene Arbeit "Double Take", welche auf Flachbildschirm gezeigt wird, zitiert einen urbanen Kontext, in dem Margot Zanni meist Jugendliche fotografierte. Die Gattung des Porträts wird hier gleich auf mehreren Ebenen gebrochen und hinterfragt. Der fotografische Anblick führt zu keiner tieferen Annäherung zur dargestellten Person, bleibt auf der Oberfläche verhaftet. Innerlichkeit als eines der wesentlichen Merkmale des Menschen, wird in dieser Darstellungsweise nicht offen gelegt. Trotzdem werden Hinweise auf den Charakter, auf die Wünsche und Begehren der Fotografierten über die T-Shirts vermittelt. Dort sind ebenfalls Porträts zu sehen, mehrheitlich von Personen und Figuren, die durch eine massenmediale Verbreitung bekannt geworden sind. Mittels dieser Aufdrucke wird nun zumindest ein Teil dieser Innerlichkeit preisgeben, obwohl auch dieser in der Konformität der medialen Figuren verhaftet bleibt. Vorbeigehende Personen können sich ebenfalls mit diesen Figuren identifizieren, was in gewisser Weise zu einer innerlichen Spiegelung des Publikums mit den Porträtierten führt, um so erneut die Identitätsfrage - nun auf der anderen Seite des Schaufensters - zu stellen.


Während ihres diesjährigen Stipendiums in Kairo entstand die Videoprojektion "Grosses Solo für Ahmed". Auf einer verlassenen Strassenkreuzung, die von einem gigantomanischen Gebäude flankiert wird, sind nur ab und zu Menschen zu sehen. In wechselnden Einstellungen zeigt die Kamera die Grösse des Platzes, ohne dass klar wird, wo sich der Ort befindet und welche Funktion er erfüllt. Es entsteht der Eindruck, als ob ein Ereignis eingetreten ist, dass dem Ort seine aufgetragene Bestimmung entzogen hat. Bei den Aufnahmen handelt es sich um nachträglich manipulierte Bilder, welche den Tahrir-Square im Herzen Kairos zeigen, der täglich von tausenden von Fahrzeugen frequentiert wird. Der riesige Bau im Hintergrund beherbergt wesentliche Teile der öffentlichen Verwaltung, die wiederum eine grosse Menge Publikumsverkehr anzieht.


Eine Verbindung zwischen Video und Fotografie zitiert "Back Pages". Einzelne oder mehrere Menschen sind von hinten abgelichtet. Der Bildhintergrund ist grösstenteils blau gehalten, ähnlich einer Bluebox, wie sie normalerweise für TV-Nachrichtensprecher verwendet werden. Nur wird im Fernsehen ein Ort virtuell erzeugt, sodass die Illusion entsteht, dass der Sprecher sich tatsächlich in einer Situation befindet, die ihm aufgrund der Aktualität der Mitteilung zustehen müsste. "Back Pages" deckt die Abwesenheit eines Ortes mittels der abgedrehten Körperhaltung auf. Die auf verschiedenen Aussichtspunkten entstandenen Bilder mit dem blauen Himmel verweigern - analog zur Bluebox - vorerst die Stiftung einer örtlichen Identität. Nur das Publikum kann die Örtlichkeit durch Mutmassungen und Annahmen ergänzen, dadurch einen hypothetischen Platz erschaffen, dem gewisse Eigenschaften innewohnen.


Ähnlich wie "Back Pages" verweisen die im Schaufenster aufgestapelten Bücher auf einen imaginären Ort. Nur wird in "Terrasse" die Ortskonstruktion mittels verschiedenartiger Literatur, die zu einer Terrasse aufgestapelt wird, vollzogen. Eine Anhäufung von Büchern deutet hier selbst eine Landschaft an. Gedruckte Worte und Sätze erheben sich direkt zu Hügeln und kleinen Tälern, verlassen so ihren Status als immaterielles Gut. Bei genauerer Betrachtung stellt man jedoch fest, dass die Bücher nur mittels Stützen eine Geländeform bilden können. Ähnlich einer Filmkulisse ist auch diese Landschaft nur zum Anblicken erschaffen, lediglich Konstruktion einer Wirklichkeit, die lediglich Illusion bleibt.


Stefan Wagner


Gleichzeitig erscheint die Publikation "The Locations", Margot Zanni, edition fink, Zürich, 2007.


Ausstellungsdauer 9. - 23.6.2007

Öffnungszeiten Mi-Sa 14 - 18 Uhr
So, 10. Juni 14 - 18 Uhr
Finissage: Samstag, 23. Juni ab 18 Uhr


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