© Centrik Isler

Sitzungsgesicht, 2004
Installationsansicht im "Das Sitzungszimmer"
(Detail, Bodenspiegelung)
Fotografie: Centrik Isler, Likeyou.com


Mario Sala
Das Gebäude



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Einzigartig steht das Werk von Mario Sala in der Landschaft junger Schweizer Kunst. Im Helmhaus Zürich realisiert der 1965 geborene Winterthurer Künstler seine bisher umfangreichste Ausstellung.


In Mario Salas Arbeit geht es bevorzugt um das Verborgene, um das, was unter der Oberfläche geschieht, was aber gleichwohl Teil unserer Realität ist. Es geht um Täuschungen und Trugbilder, um Verführung und Verfremdung, um Anziehung und Ablenkung. Es geht um die Kippmomente, in denen hinter dem Offensichtlichen plötzlich eine Ahnung auftaucht, ein Verdacht, ein Gerücht, ein Abgrund.


Salas Welt erschliesst komplexe, sinnliche Parallelerfahrungen. Sie ist detailreich, verspielt und ernst zugleich. Sie erforscht mit allen empfindsamen Sinnen, was da ist und entwickelt das Vorgefundene weiter. "Das Gebäude" sind zwei Bürogebäude einer Grossfirma. "Das Gebäude" ist das Atelier des Künstlers. "Das Gebäude" ist das Helmhaus Zürich.


Salas Projekt dreht sich um die Figur des "Drifters", der in unterschiedlichen Erscheinungen auftritt. Am Anfang und am Ende der Ausstellung als physisch präsente und gleichwohl ephemere Figur aus farbiger Alufolie, in die vormals Schokoladestängel eingepackt waren. In einer dynamischen Diaprojektion, die 270 Dias enthält, ist der "Drifter" ein zweigeschlechtliches Kontrollorgan, eingekleidet in einen petrolfarbenen Schutzoverall mit weiss wattierter Weste. Auf seiner nächtlichen Patrouille durch "Das Gebäude" blicken wir ihm über die Schulter - bis er sich umdreht und wir plötzlich selber zum Objekt seiner Observationen werden. Der "Drifter" schreitet Büro um Büro ab, in denen die Angestellten tagsüber ihre Körpergerüche hinterlassen. Nachts, allein, einzig von seiner Taschenlampe begleitet, steigert er sich in diese an sich harmlose Welt hinein, bis sie sich in überrealen Vorstellungen in seinem Kopf verdreht.


Den Diapositiven zu Grunde liegen performative Fotoshootings im "Gebäude". Die entstandenen Aufnahmen hat Sala unter einem Stereomikroskop mit Skalpellen und Zahnstochern, mit Wasserfarbe, farbigen Folien und verschiedenen Leimsorten überarbeitet. Die mikroskopische Bearbeitung fliesst in der Projektion direkt in die fotografischen Vorlagen ein und verschmilzt mit ihnen.


Der Übergang von der realen zur fiktionalen Welt (und wieder zurück) ist dabei fliessend, und der Betrachter kann sich nie sicher sein, auf welcher Ebene er sich aufhält. Das Fiktionale ist genauso glaubwürdig wie das Reale - und das Reale genauso unglaubwürdig wie das Fiktionale. Gestalterisch - und inhaltlich - ergeben sich aus diesem Abdriften von der Wirklichkeit unheimliche Möglichkeiten: Der Künstler greift ergänzend, ja korrigierend in die Realität ein, er interpretiert ihre Erscheinungen und denkt sie gestaltend weiter, er "beugt" die Geradlinigkeit unserer gewohnheitsstarren Wahrnehmung: im Sinne einer Erweiterung der Möglichkeiten, einer Versinnlichung und Steigerung der Empfindsamkeit. Letztlich geht es hier um eine Weiterentwicklung von feinnervigen Kommunikationswegen. Es geht um eine gesteigerte, präzisere Wahrnehmungsfähigkeit, die sich nicht nur auf konventionalisierten, sondern auch auf ungesicherten Pfaden bewegt.


Zur Eröffnung der Ausstellung erscheint in Zusammenarbeit mit dem Verlag für moderne Kunst, Nürnberg, ein von den Zürcher Grafikern NORM gestaltetes Buch mit einem Text von Simon Maurer (dt./engl., 240 S., 141 Farbabb.)


Simon Maurer, Kurator Helmhaus Zürich



Ausstellungsdauer: 26.11.2004 - 23.1.2005
Öffnungszeiten: Di-So 10 - 18 Uhr, Do 10 - 20 Uhr


Helmhaus Zürich
Limmatquai 31
8001 Zürich
Telefon 01 251 61 77
Fax 01 261 56 72

www.helmhaus.org





Mario Sala
Building



The work of Mario Sala is unparalleled in the contemporary Swiss art scene. Helmhaus Zurich now presents the most comprehensive exhibition so far of this artist, who was born in Winterthur in 1965.


Mario Sala's work tends to address what is concealed, what occurs beneath the surface and yet is nevertheless a hidden part of our reality. It is about illusion and trompe l'oeil, about seduction and alienation, appeal and distraction. It is about those moments of flux when an inkling, a rumour or an abyss suddenly emerges beyond the patently obvious.


Sala's world opens up parallel experiences of complex sensuality. It is rich in detail, at once whimsical and earnest. It explores what is there with all the senses and further develops what is found. The "Building" is two office blocks of a large corporation, one built about 1960, the other about 1980. The "Building" is the artist's studio. The "Building" is Helmhaus Zurich.


Sala's project centres on the figure of the "Drifter" that appears in various guises. At the beginning and end of the exhibition, the "Drifter" is a physically present yet ephemeral figure of coloured aluminium foil formerly used as packaging for chocolate bars. In a dynamic slide projection containing 270 slides, the "Drifter" is a genderless guard in a petrol-coloured overall with a white padded vest. On a night-time patrol through the "Building", we look over the "Drifter"'s shoulder - until the guard turns around and we suddenly become the object of his/her observations. The "Drifter" walks through the offices in which the employees leave their body odours by day. At night, alone, accompanied only by a torch, the "Drifter" enters this otherwise innocuous world with an intensity that distorts it into hyper-real flights of fancy.


The slides are based on photo-shoots in the "Building". Sala has manipulated the resulting images under a stereo microscope using scalpels and toothpicks, watercolours, coloured foil and various kinds of adhesive. In the projections, the microscopic manipulation flows directly into the photographs and merges with them.


The transition from the real world to the fictional (and back again) is a gradual one, and the viewer can never be sure which is which. The fictional is just as credible as the real, and the real as incredible as the fictional. In terms of composition and content, this principle of drifting away from reality results in possibilities that are, quite literally, uncanny. The artist intervenes in reality, adding to it and even correcting it. He interprets the appearances of reality and adapts them, he "bends" the straightforwardness of our habitual ways of seeing in the sense of an extension of possibilities, a sensualisation and heightening of perception. Ultimately, this is about further developing finely tuned communication pathways - not only between individuals. It is also about a heightened and more precise capacity for perception that does not move along conventional paths, but along uncertain ones.


To coincide with the opening of the exhibition, a book has been published in collaboration with the Verlag für moderne Kunst, Nuremberg, designed by the Zurich graphic artists NORM and containing an essay by Simon Maurer (German/English, 240 pages, 141 colour illustrations).


Simon Maurer, Curator, Helmhaus Zurich


26 November 2004 - 23 January 2005


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