Mark Divo - Kleines Helmhaus Zürich

Mark Divo
Brot im Spiegel


Featuring Ajana Calugar, Pascal Häusermann, Stina Kaser, Stini Arn, Olga Mazurkiewicz, Pastor Leunund Kult, Kloon

Mark Divo (*1966 in Männedorf, nach Aufenthalten in Genua, Kopenhagen und Kairo heute wieder in Zürich) hat in letzter Zeit immer wieder von neuem für Schlagzeilen gesorgt. Sei es in einem kleinen Kreis durch die Organisation von bunten Abenden, oder "mit internationalem Medienecho" durch die Besetzung des ehemaligen Dadahauses in Zürich, schliesslich mit der Zusprechung des New York Stipendiums der Stadt Zürich für seine Installation Die Schenkung, einem altarartig aufgetürmten Müllberg, vornehmlich aus Bierflaschen und Zigarettenkippen bestehend.

Die Verbindung zum Dadaismus ist weitaus profunder als lediglich die Besetzung der Liegenschaft an der Spiegelgasse 14, obwohl die kunsthistorische Dimension die damals organisierten Veranstaltungen durchaus zu beeinflussen vermochte. Schaut man sich Mark Divos künstlerisches Schaffen an, so wird deutlich, wie stark darin immer wieder eine Faszination für den Unsinn zelebriert wird, was aber bekanntlich ein Grundgedanke des Dadaismus war. Entsprechend den ganz anderen gesellschaftlichen und weltpolitischen Verhältnissen, die im Gegensatz zur Gründerzeit des Dadaismus heute herrschen, knüpft Mark Divo dabei weniger an ein gesellschaftskritisches Moment, als vielmehr an eine in dieser historisch gewordenen Bewegung enthaltene ästhetische Haltung an.

Bereits im Jahr 1996 begann Mark Divo krude Maschinen zu bauen, in denen Steuereinheiten von Waschmaschinen farbige Lichtspiele oder aber komische Geräusche dirigierten. Immer mehr wurden diese zu einem abenteuerlich verkabelten Wirrwarr verschiedener Schaltkreise, die (von aussen nicht sichtbare) Geräte ein- und ausschalteten, oder aber Latexbeulen plötzlich und furunkelgleich zum wachsen brachten.

Weniger bekannt ist neben den raumgreifenden Installationen Mark Divos Auseinandersetzung mit Fotografie; sie führte in jüngster Zeit zu grossformatigen Bildern, in denen die kunsthistorisch ersten Vorschläge zu einer künstlerischen Auseinandersetzung mit diesem Medium zu neuen Ehren kommen. Eingebunden in vollkommen artifizielle und inszenierte Kompositionsschemata, die seit der Renaissance geläufig sind, versammeln sich darin verschiedene Protagonisten zu einem Bild, wobei nicht ganz klar ist, welche Geschichte sie überhaupt erzählen. Es werden nicht, wie noch vor gut einhundert Jahren, bekannte Bildprogramme (aus der Malerei) im Medium der Fotografie nachexerziert, sondern verschiedene, zeitgemässe Erlebniswelten als mögliche, bisweilen exotisch anmutende Alternativen vorgestellt. Die Welt der Junkies ist dabei ebenso kunsttauglich wie zum Schäferspiel versammelte Damen und Herren in Barockkostümen, oder randalierende Hooligans. Im Ensemble führen die Bilder einerseits vor, wie sehr heute verschiedenste Lebensentwürfe demokratisiert und damit frei wählbar geworden sind, andererseits, dass auch der noch so hässlichen und abzulehnenden Lebenshaltung eine wenigstens ästhetisch nachzuvollziehende Faszination innewohnt.

Wer als Künstler den Unsinn liebt, treibt stets ein gefährliches Spiel, denn wirklicher Unsinn kann auf Dauer unmöglich kunstfähig sein. Die Grenze zwischen Sinn, Sinnlosigkeit und Unsinn ist allerdings eine fliessende, wie der zunächst vielleicht unsinnig erscheinende Titel der Ausstellung "Brot im Spiegel" vorführt: Um Unsinn handelt es sich ja keineswegs, denn selbstverständlich kann ein Brot im Spiegel erscheinen, gleich wie alles andere auch. Eine Spur schärfer wird das Ganze freilich für den Besucher, der des Althochdeutschen mächtig ist und um die ursprüngliche Bedeutung des Wortes Spiegel weiss: Ihm eröffnet sich eine ganz andere Dimension, denn es geht plötzlich um mehr: Nicht mehr um Brot im Spiegel, sondern um Brot im Arsch.

(Text: Oliver Kielmayer)

Mit freundlicher Unterstützung von:
Spörri Interieur, Möller Kostümverleih, Migros Zürich.

Ausstellung: 29.5. - 21.7.2002 (verlängert)
Oeffnungszeiten: Mo-So 8 - 17 Uhr
Eintritt frei

Kleines Helmhaus
Limmatquai 31
8001 Zürich
Telefon: 01 251 61 77
E-Mail: info@helmhaus.org

www.helmhaus.org


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