Ausstellungsansicht (Detail)


Markus Ebner
<Marcel Duchamp>


Auf dem Cimitière Monumentale in Rouen liegt Marcel Duchamp begraben. Der Name und die Lebensdaten des Mannes, der die Kunst des 20. Jahrhunderts nachhaltig beeinflußt hat, sind in die rechte der drei großen aufgebahrten Steinplatten graviert, die durch eine niedrige Einfassung aus Granit umzäunt das Grabmal der Familie Duchamp-Villon bilden.

Die Arbeit von Markus Ebner, lapidar mit <Marcel Duchamp> betitelt, kreist in Fotografien um den physischen Ort, an dem der Künstler seine "letzte Ruhe" gefunden hat. Ebenso lapidar und zugleich auch beiläufig wirkt der Blick, der in diesen Bildern festgehalten worden ist, und der in der vermeintlichen Unachtsamkeit der Komposition nichts mit den sorgfältig gestalteten Aufnahmen jener kulturhistorischen Bildbände gemeinsam hat, die mit beflissener Neugierde die Grabstätten bedeutender Persönlichkeiten zusammentragen.

Die Farbfotografien zeichnen sich durch ihre visuelle Indifferenz aus, eine künstlerische Qualität der Moderne, die auch Duchamp für seine Ready Mades reklamierte. In der spielerischen Art und Weise, wie die großen Grabplatten und ihre Inschriften ins Bild gesetzt worden sind, gerät der zum Teil fragmentiert oder unscharf aufgenommene Text zum Bild; und doch behaupten die Aufnahmen zugleich, neben ihrer betonten Bildhaftigkeit, mehr als nur Bild zu sein: die Fotografien sind Protokolle eines Besuchs und bildliche Spuren einer Geste.

Allerdings ist dieser Akt einer Hommage vielfach gebrochen: sich der Ruhestätte jenes Künstlers zu bedienen, mit dessen Name wie mit keinem anderen der Tod des Tafelbilds und das Ende einer idealistischen Auffassung von Kunst verbunden werden, um an den steinernen Überresten, die Moderne zu überdenken, entbehrt nicht jener Ironie, mit der Marcel Duchamp selbst die Besucher seines Grabes empfängt: "D'ailleurs, c'est toujours les autres qui meurent", ist als Epitaph über seinem eingravierten Namen zu lesen.

Ebners Ironie wird in jenem Teil seiner bildnerischen Umsetzung besonders spürbar, die die flüchtige und fast willkürlich erscheinende fotografische Darstellung des Gegenstandes in ein großes (Tafel-)Bild verwandelt: in Eichenrahmen gefaßt und hinter Acryl (Diasec) versiegelt, unter der die steinernen Tafeln mit den Namen der Familie Duchamp wie unter einer transparenten Schneedecke begraben erscheinen.

Mit Marcel Duchamp wird zum ersten Mal eine Arbeit aus Markus Ebners Werkzyklus "Gräber" öffentlich präsentiert. In den vergangenen Jahren fotografierte er die Ruhestätten verschiedenster Personen der Moderne: Marcel Duchamp, Blinky Palermo, Le Corbusier, Günter Fruhtrunk, Baader/Ensslin/Raspe und Theodor W. Adorno. Die Fotogenehmigung für das Grab von Donald Judd wurde nach anfänglicher Zusage wieder zurückgenommen.

Marcel Duchamp an den Anfang zu stellen bedeutet zugleich, jener Künstlerfigur besondere Refernz zu erweisen, deren Person und Werk selbst zum Gegenstand der vielfältigsten künstlerischen Auseinandersetzung wurde. Stellvertretend seien hier Gerhard Richters Paraphrase von "Nu desçandant un escalier" und Ugo Mulas Fotoarbeit "Verifiche 14" zu nennen. Nichtzuletzt gilt Duchamp als der Spiritus Rector jener künstlerischen Bewegungen, die als Konzeptkunst, Appropriation Art oder Kunst nach Kunst das künstlerische Schaffen der Postmoderne massgeblich geprägt haben.

Vor diesem Hintergrund -in gewisser Affinität und zugleich in ironischer Distanz- ist auch Markus Ebners Gräberserie zu verstehen: Als Fetisch einer zu Ende gegangener Moderne.

Markus Ebner, 1962 in Regensburg geboren, Studium der Malerei an der Akademie der Bildenden Künste in München bei Günter Fruhtrunk, Meisterschüler bei Helmut Sturm. Lebt und arbeitet in Berlin.


Ausstellungsdauer: 14.9. - 30.11.2002 (verlängert)
Oeffnungszeiten: Di-Sa 11 - 18 Uhr


Galerie Jacky Strenz
Gipsstrasse 5
D-10119 Berlin
Telefon +49 30 97 00 55 60
Fax +49 30 97 00 55 61
E-Mail: galerie@jackystrenz.de

www.jackystrenz.de