© Markus Müller

Ast und Stein, 2003
Acryl und Oel auf Sperrholz, 3 x 4 x 5 m


Markus Müller
Agatenplatten



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Markus Müller (*1970 in Teufen AR, lebt in Basel) ist einer der wenigen zeitgenössischen Künstler, der sich seit Beginn seiner künstlerischen Arbeit ausschliesslich mit Skulptur auseinandersetzt. Seine Skulpturen bestechen durch eine einfache Bildsprache, welche den Betrachter immer etwas perplex lassen - denn was man sieht, ist nie das, was es zu sein verspricht. Markus Müller verarbeitet sein Rohmaterial (meist Spanplatten, Sperrholz und Dachlatten) zu seltsam hybriden Konstruktionen, in welchen Naturelemente mit Mobiliarfragmenten eigenwillige Verbindungen eingehen. Gewisse seiner Objekte erinnern an Möbelstücke oder an Architekturfragmente mit surrealem Touch oder spielen auf beinahe parodistische Weise auf gewisse künstlerische Ausdrucksformen und Stile an. Obwohl der Künstler ganz dem Dreidimensionalen verpflichtet ist, spielt Malerei in seiner Arbeit eine wichtige Rolle. Mit groben Pinselstrichen bemalt er seine Skulpturen, indem er, in einer Art theatralischen Kulissenmalerei, Materialien wie Holz, Marmor oder Stein imitiert. Damit spiegelt er dem Betrachter des Objektes eine Materialität vor, die in keiner Weise der in Wirklichkeit verwendeten Rohmaterialien entspricht.


Markus Müller konstruiert seine Werke ausgehend von handwerklichen Techniken des Schreinerns. Die Volumen entstehen meist durch das Aneinanderfügen von Flächen, was eine gewisse Kantigkeit der Objekte zur Folge hat. In den letzten Jahren scheinen sich insbesondere drei Typologien von Objekten in Markus Müllers Schaffen herausgebildet zu haben. Da sind erst einmal die Skulpturen, welche Elemente aus der Natur "nachbilden". Zu dieser Kategorie gehören Werke wie die "Achate" (2001), grosse amorph geschnittene Spanplatten, dessen bunt bemalte Flächen aus etwas Distanz gesehen tatsächlich wie überdimensionierte, edle Steinscheiben wirken. Oder "Loch" (2003), eine Art Felsöffnung, dessen Wirkung Markus Müller mit aufgebockten, hintereinandergesetzten Flächen nachzuahmen sucht: ein Werk, das im Wissen entstanden ist, als Inszenierung eines Phänomens - nicht jedoch als Skulptur - zum Scheitern verurteilt zu sein. Diese beiden Beispiele zeigen, wie Markus Müller einerseits mit dem Aspekt der illusionistischen Inszenierung kokettiert, diesen durch das Offenlegen der Konstruktion und der offensichtlichen Künstlichkeit der Situation sogleich wieder aufhebt.


Als zweite Kategorie können diejenigen Objekte genannt werden, welche zwar Objekte aus der Natur oder zumindest Gegenstände aus - vermeintlich - natürlichen Materialien repräsentieren, jedoch museal inszeniert und zum Kunstwerk erhöht werden. "Ohne Titel" (2004) besteht beispielsweise aus überdimensionierten, knochenartigen Objekten, welche auf edel wirkenden Holzsockeln präsentiert werden. Bei näherem Hinsehen wird allerdings deutlich, dass die mit dunkler Holzmaserung bemalten Sockel, nicht die Funktion eines Präsentationsdispositivs haben, sondern Bestandteil des Werkes sind. Ein anderes Beispiel ist "Stilleben" (1998), ein Werk aus riesigen, additiv aneinandergefügten Kuben, in welche zwei wurzelstockähnliche Holzelemente integriert wurden. Die schwarz bemalten Kuben haben beinahe architektonische Qualität und erinnern in ihrer Konstellation unweigerlich an die seriellen Kuben der Minimal Art, wie man sie z.B. von Donald Judd kennt. Allerdings verdeutlicht dieses Werk auch gleich die grundlegenden Unterschiede zwischen der kunsthistorischen Referenz und Müllers künstlerischer Haltung. Markus Müller produziert hier - wie so oft in seinen Werken - einen Form- und Material-Clash zwischen den massiven Marmorkuben und den organisch geformten Holzelementen. Erinnert man sich daran, dass die Materialopposition zudem keine wirkliche, sondern in beiden Fällen nur malerisch fingiert ist, wird der starke Kontrast zwischen Markus Müllers Spiel mit (Material-) Referenzen und dem puristischen Materialumgang der Minimal-Künstler sichtbar.


Zur dritten Kategorie gehören die hybriden Objekte, welche aus der Kreuzung von Naturelementen und Möbelteilen entstehen (einer Verbindung zwischen natürlich und kulturell konnotierten Objekten also), von denen "Gebüsch" (1998) - ein Kubus mit bemaltem Buschrelief auf den Füssen eines antiken Schrankes - eines der frühesten Beispiele ist. "Ohne Titel" (2006), um ein ganz aktuelles Beispiel aus der Ausstellung in Glarus zu nennen, setzt sich aus zwei Elementen zusammen: einer grossen Platte, welche an das schöne Innenleben einer aufgeschnittenen Steinplatte erinnert, und einem auf die Tradition des modernistischen Möbeldesigns verweisendes Wandgestell. Die "Steinplatte", also sozusagen die Rückwand des Gestells, wurde vom Künstler in einer Technik geschaffen, welche sowohl Elemente der Intarsienarbeit wie auch der Collage beinhaltet. Anders als klassische Intarsien, besteht aber Markus Müllers kubistisch anmutende "Steinplatte" wiederum aus Materialien, die der Künstler durch Bemalen der Spanplattenteile selber geschaffen hat. Wie so oft verwickelt auch dieses Werk Markus Müllers den Betrachter in ein trickreiches Spiel mit unterschiedlichen Realitätsebenen - und dies nicht nur im Bezug auf wie konsequente Verwendung der Materialillusionen, sondern auch in Bezug auf die Interpretation von Genre und Status des Werkes.


Was sehen wir eigentlich vor uns? Ein Möbel? Ein Wandrelief? Eine bemalte Skulptur an der Wand? Ein gemaltes Bild? Die anfangs geäusserte Behauptung, der Künstler beschäftige sich ausschliesslich mit Skulptur, muss insofern also relativiert werden. Vielmehr als die Skulptur als solche, interessiert ihn das Spannungsverhältnis zwischen Malerei (Ausdehnung auf der Fläche) und Skulptur (Ausdehnung im Raum), zwischen Wand und Raum. Im Kunsthaus Glarus thematisiert er dies mit einigen Werken explizit. So tauchen in seiner aktuellen Ausstellung zum Beispiel Bilderrahmen auf, die sich von ihrer Funktion der Grenzziehung zwischen Bild und Wand und ihrer Prestigefunktion gelöst haben, um frei im Raum stehend, zu einer autonomen Skulptur zu werden. Oder es ragen in einem zweiten Saal überlange Trägerbalken in den leeren Raum hinein, ohne ihre Funktion als architektonische Träger wahrzunehmen. Die Balkenimitate tragen, stützen nichts, sondern präsentieren, in einem prekär wirkenden Balanceakt, sich selbst und markieren dabei, wie Vektorenlinien einer räumlichen Zeichnung, den Luftraum des Saales.


Markus Müller setzt sich in seiner bildhauerischen Arbeit mit Fragen auseinander, in welchen der Aspekt der Malerei von grundlegender Wichtigkeit ist, geht es ihm dabei doch um die zentrale Frage der Repräsentation. Er geht dieser Frage in seinen Werken insbesondere mit der Untersuchung von zur Kunst gewordener Natur mit den Mitteln der Kunst nach. Seine komplexen Schichtungen von Darstellungsebenen, seine illusionistischen Inszenierungen und sein Interesse an Naturphänomenen, die so wirken, als wären sie - von unbestimmter Hand - gestaltet worden, zeigen eine gewisse (Wahl-) Verwandtschaft mit den Barock (man denke beispielweise an die spielerische Durchdringung der Architektur mit den Mitteln der Malerei in Kirchenräumen). Wenn gewisse Werke Markus Müllers also listig auf Fundstücke aus den Wunderkammern des 18. Jahrhunderts verweisen, wo Naturelemente, neben Volkskundlichem, Kuriositäten und Kunstwerken Platz fanden, so ist dies durchaus kein Zufall. Tatsächlich versetzen einem Markus Müllers überdimensionierte, sperrige Skulpturen in kindliches Staunen, wie man beispielsweise vor einer seltsam ausgebildeten Felsformation in Staunen geraten könnte. Seine Werke haben jedoch, im Gegensatz zu den Naturphänomenen, mehrere konzeptuelle und gestalterische Filterungsprozesse durchlaufgelaufen, um zu einem durch und durch künstlerisch künstlichen Surrogat zu werden.


Markus Müller hat als Manor-Preisträger 2002 seine Arbeit im Museum für Gegenwartskunst in Basel präsentiert. Die Einzelausstellung "Agatenplatten" von Markus Müller im Kunsthaus Glarus ist seither die grösste und wichtigste Ausstellung des Künstlers. Die Skulpturen und die Installation, die im Kunsthaus Glarus zu sehen sind, wurden vom Künstler eigens dafür realisiert.


Im April 2006 erscheint im Zusammenhang mit der Ausstellung "Agatenplatten" von Markus Müller seine erste grosse monografische Publikation. Mit einem Interview von Nadia Schneider mit Markus Müller und Textbeiträgen von Claudia Blümle und Tan Wälchli (Verlag: edition fink, Gestaltung: Elektrosmog, Zürich).


Ausstellungsdauer 5.2. - 7.5.2006

Oeffnungszeiten Di-Fr 14 - 18 Uhr, Sa/So 11 - 17 Uhr


Kunsthaus Glarus
Im Volksgarten
8750 Glarus
Telefon +41 (0)55 640 25 35
Fax +41 (0)55 640 25 19
Email office@kunsthausglarus.ch

www.kunsthausglarus.ch




Markus Müller
Agatenplatten



Markus Müller (born 1970 in Teufen, Appenzell Ausserrhoden, lives in Basel) is one of the few contemporary artists who has exclusively worked in sculpture since the beginning of his artistic career. His sculptures captivate with a simple language of images that always somewhat perplex the viewer - what the viewer sees is never what it promises to be. Markus Müller processes his raw materials (usually chipboards, plywood, and laths) into strange hybrid constructions in which elements of nature enter into idiosyncratic connections with fragments of furnishings. Some of his objects recall pieces of furniture or architectural fragments with a surreal touch, or they allude to certain artistic forms of expression and styles in an almost parodistic way. Although the artist is completely dedicated to three-dimensional work, painting plays an important role in his art. With broad brush strokes, he paints his sculptures by imitating materials such as wood, marble, and stone, as a sort of theatrical set painting. In this way, he creates the illusion of a materiality for the viewer that in no way corresponds to the raw materials he has actually used.


Markus Müller constructs his works using the craft techniques of carpentry as a point of departure. The volumes often evolve by piecing surfaces together, resulting in a certain angular appearance to his objects. In recent years, three typologies of objects in particular appear to have crystallized in Markus Müller's work. First, the sculptures that "imitate" elements of nature. This category includes works such as "Achate (Agates)" (2001), large, amorphously cut chipboards, the colorfully painted surfaces of which actually look like oversized, expensive stone panels from a bit of distance. Or "Loch (Hole)" (2003), a type of rock opening, the effect of which Markus Müller strives to imitate with jacked up, back-to-back surfaces: an artwork that was created in the knowledge that it would fail as a staging of a phenomenon - but not as a sculpture. These two examples show how Markus Müller flirts with the aspect of staging illusions, but immediately dispels this illusion by disclosing its construction and the obvious artificiality of the situation.


A second category includes those objects that may represent objects from nature or at least objects made out of - supposedly - natural materials, but that have actually been staged as a museum piece and elevated to a work of art. "Ohne Titel (Untitled)" (2004), for instance, consists of oversized bone-like objects presented on expensive-looking wooden pedestals. Looking more closely, however, it becomes clear that the pedestals painted with a wood grain do not have the function of a presentation aid, but are rather components of the artwork. Another example is "Stilleben (Still Life)" (1998), a work made up of gigantic, joined-together cubes, in which two rootstock-like wood elements have been integrated. The black-painted cubes have a nearly architectural quality, and their constellation inevitably recalls the serial cubes of Minimal Art, as known from Donald Judd and others. However, this work also immediately makes the fundamental differences clear between the art-historical reference and Müller's artistic attitude. Here, Markus Müller produces - as so often in his works - a clash of forms and materials between the massive marble cubes and the organically shaped wood elements. If one also recalls that the opposition of materials is not real, but rather is feigned by painting in both cases, then the strong contrast between Markus Müller's play with references (of materials) and the puristic approach of Minimal Artists to materials becomes apparent.


The third category includes the hybrid objects that are created by crossing natural elements with furniture fragments (i.e., a link between natural and culturally connoted objects), of which "Gebüsch (Bushes)" (1998) - a cube with a painted bush relief on the feet of an antique cabinet - is one of the earliest examples. "Ohne Titel (Untitled)" (2006), to mention a very recent example from the exhibition in Glarus, is composed of two elements: a large slab, which recalls the beautiful interior life of a cut-open slab of stone, and a wall rack referring to the tradition of modernist furniture design. The "slab of stone", i.e., the back wall of the rack, so to speak, was created by the artist using a technique that contains elements both of inlay work and collage. Unlike classical inlay, Markus Müller's somewhat Cubist "slab of stone" again consists of materials that the artist created himself by painting the slab parts. As is so often the case, this work of Markus Müller again entangles the viewer in a tricky game with different levels of reality - not only with respect to the consistent use of material illusions, but also with respect to the interpretation of the genre and status of the work.


What do we actually see in front of us? Furniture? A wall relief? A painted sculpture on a wall? A painted picture? The claim made at the outset that the artist exclusively works in sculpture must be qualified in this respect. Much more than the sculpture as such, Müller is interested in the tension between painting (extension on a surface) and sculpture (extension in space), between the wall and the room. In the Kunsthaus Glarus, he explicitly picks this out as a central theme with some of his works. For instance, his current exhibition includes picture frames that have detached themselves from their function of delineating picture and wall and their function as a prestige object, in order to stand freely in space and become an autonomous sculpture. Or in a second hall, overly long supporting beams jut into empty space without fulfilling their function as architectural supports. The imitation beams support and bear nothing, but rather present themselves in an seemingly precarious balancing act, and in this way mark the airspace of the hall like vector lines in a spatial drawing.


In his sculptural work, Markus Müller deals with questions in which the aspect of painting is of fundamental importance, since he is concerned with the central question of representation. He pursues this question in his works especially by investigating - using the tools of art - nature that has become art. His complex layerings of levels of representation, his illusionistic stagings, and his interest in natural phenomenon that appear as if they have been designed - by an undetermined hand - show a certain (voluntary) relationship with Baroque (for instance, think of the playful penetration of architecture by the resources of painting in church spaces). So if some works by Markus Müller slyly refer to finds from the curiosity cabinets of the 18th century, where natural elements were displayed next to folkloristic objects, curiosities, and works of art, then this is certainly no coincidence. In fact, Markus Müller's oversized, bulky sculptures evoke childlike amazement, just as one might be amazed by a strangely evolved rock formation. However, in contrast to natural phenomena, his works have run through several conceptual and creative filtering processes, in order to become a thoroughly artistic-artificial surrogate.


A the Manor Prize recipient in 2002, Markus Müller presented his work in the Museum of Contemporary Art in Basel. The solo exhibition "Agatenplatten" by Markus Müller in the Kunsthaus Glarus is the largest and most important exhibition of the artist since then. The sculptures and the installations on view in the Kunsthaus Glarus were specially realized by the artist for this purpose.


Accompanying the exhibition of Markus Müller in the Kunsthaus Glarus, the first large monograph of the artist will appear in April 2006.


Exhibition 5 February - 7 May 2006

Opening hours Tues-Fri 2 - 6 pm, Sat/Sun 11 am - 5 pm