© Centrik Isler

Die apokalyptischen Reiter (Krone, Pfeilbogen), 2007
Installationsansicht bei Wiensowski und Harbord, Berlin
Fotografie: © Centrik Isler for LIKEYOU.com


Melli Ink
Die apokalyptischen Reiter



Die österreichische Künstlerin Melli Ink schafft Welten aus Glas, in denen sich Schönheit und Grausamkeit, Schrecken und Zerbrechlichkeit verführerisch verbinden. Die Installation "Apocalyptic Rider" ist ein gläserner Totentanz, der zwischen Schrecken und Ironie irrlichtert. Ink greift dabei das Motiv des Skelettes auf, das bereits in ihrer letzten Installation "Savage Garden" auftauchte, einer Reihe von Schaukästen mit gläsernen fleischfressenden Pflanzen, zerbrechlich und schreckenerregend zugleich, in einer Bildsprache zwischen Jugendstil und Horrofilm. Die Vielschichtigkeit des Skelettmotivs, das auf Medizin ebenso wie auf die Traditionen religiöser Kunst und Volkskunst verweist, wurde Ink zum Ausgangspunkt ihrer Installation "Apocalyptic Rider", einem zeitgenössischen Memento Mori.


Vier Reiter - Tod, Krieg, Hunger, Krankheit - reiten in der Offenbarung Johannis (6. Kap.) über die Erde und wüten ohne Gnade, ein unzweifelhaftes Zeichen des nahenden Jüngsten Gerichts. Seit Jahrhunderten hat dieses verstörende Bild die Vorstellungskraft der Menschen  umgetrieben. Die wohl eindrücklichste Fassung ist ein Holzschnitt von Albrecht Dürer aus seiner "Apokalypse", in der er detailversessen die Schrecken der Endzeit schildert.


Ink präsentiert eine Neuinterpretation des Motivs aus dem Geist der Jetztzeit. Sie war gleichermassen faszininiert von der archaischen Angst, die in diesem Motiv ihren Ausdruck findet, wie von den offenkundigen Bezügen zur Gegenwart - Tod, Krieg, Hunger und Krankheit füllen die Fernsehkänale, fast ebenso ereignishascherisch überzeichnet wie das Bild der Apokalyptischen Reiter. Die Installation besteht aus vier lebensgrossen Knochenmännern mit den Attributen von Dürers Apokalytischen Reitern - Krone, Pfeilbogen, Sense und Waage, präsentiert in von unten beleuchteten Schaukästen,  welche sowohl an ein medizinhistorisches Museum wie auch an Rummelplatzglanz denken lassen. Die gläsernen Skelette lassen die Welt der High-Tech-Medizin aufscheinen, Röntgenbilder, gläserne Prothesen und Implantate. Der Schmuck der Skelette ist wiederum inspiriert von den reich gekleideten und geschmückten Reliquien, die auch heute noch in den Walfahrtsorten des österreichisch-bajuwarischen Alpenraums zahllose Pilger anziehen. Die Furcht vor dem Tod als Triebfeder von Medizin wie Religion verdichtet sich in Inks Knochenmännern zum Bild. Die vier Skelette scheinen in Bewegung eingefroren, ihr Wüten nur zeitweise unterbrochen. Aus der Distanz erscheinen die Umrisse der gläsernen Knochenmänner als dichtes Netz von Linien, die Skulptur verwandelt sich in eine dreidimensionale Zeichnung, das Skelett wird als zeichnerisch reduzierte Grundstruktur des Menschen erkennbar.


Die elegante Linienhaftigkeit der gläsernen Szenen verweist auf die aufwendigen Vorarbeiten Inks. Die studierte Bühnenbildnerin entwickelt ihre Motive in umfangreichen Zeichnungsserien, die ihr als Grundlage für die Zusammenarbeit mit einer bayrischen Glashütte dienen, die dieses fast schon ausgestorbene Handwerk weiter pflegt. In einer Reihe von Zeichnungen, deren makaber-grotesker Gestus an James Ensor erinnert, kann der Besucher verfolgen, wie sich Ink das Dürer-Motiv aneignete. Die Schaukästen und Zeichnungen werden ergänzt durch einen Leuchtkasten mit einer Fotografie mit dem verzerrten Blick durch einen gläsernen Schädel, der hier zu einem bilderzeugenden Medium wird und so das listige Spiel mit Zwei- und Dreidimensionalität, das Inks Welten zwischen Zeichnung und Glas prägt, auf die Spitze treibt.


Ausstellungsdauer 28.9. - 24.11.2007

Oeffnungszeiten Täglich von 14 bis 18 Uhr bis 3.10.2007, ab 4.10.2007 nach Vereinbarung


Wiensowski und Harbord
Goethestrasse 69
D-10625 Berlin-Charlottenburg
Telefon +49 (0)30 173 208 2330

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