© Olaf Breuning

Olaf Breuning: HOME, 2004
Video-Doppelprojektion, Video still


Mind the gap - Beachten Sie die Lücke

Olaf Breuning
, Ilona Gaikis, Hans Josephsohn, Schirin Kretschmann, Maria Marshall, Marco Schuler, Chia-Wen Tsai


"Mind the gap" schallt es aus den Lautsprechern der Londoner U-Bahn, wenn die nächste Bahn naht und heisst so viel wie "Vorsicht Spalt, Vorsicht Lücke": Lücke wird gemeinhin als etwas Negatives betrachtet, denn sie beschreibt etwas Fehlendes oder etwas, das einen in Gefahr bringen kann. Der Ausstellungstitel "Mind the gap - Beachten Sie die Lücke" verweist spielerisch auf diese Thematik als ein künstlerisches Reservoir für Gestaltungskraft, im Sinne einer produktiven Ungewissheit. Lücke also als Möglichkeit, den Dingen in individueller Weise auf den Grund zu kommen.


Auf der Suche nach Orientierung weist uns u.a. die Einbildungskraft immer wieder den Weg: Unsere Gefühle, Eindrücke, Ahnungen und Empfindungen führen uns durchs Dickicht sogenannter objektiver Tatsachen. Begriffe wie u.a. Zwischenraum, Kluft, Grauzone oder auch Gesetzeslücke beschreiben individuelle Räume und können im Zusammenhang mit Eigensinn, Kreativität und Gestaltungskraft Räume bzw. neue oder andere Perspektiven schaffen. Sieben Künstlerinnen und Künstler aus Freiburg, London, Montreuil, New York und Zürich zeigen komplexe Arbeiten, die auf je sehr individuelle Weise die Betrachterinnen und Betrachter durch verschiedene Welten navigieren, in denen sehr unterschiedliche Formen von Lücken auftauchen.


"Home", die neueste Videoinstallation von Olaf Breuning, besteht aus zwei Filmprojektionen. Der Zuschauer taucht in eine Welt der Erinnerungen und Phantasien des Hauptprotagonisten Breunings. Auf der rechten Leinwand kriecht keuchend und unheimlich ein junger Mann in seinem Hotelzimmer auf die unsichtbare Kamera zu. Auf der Flucht vor Gesellschaft und Alltag erzählt er Episoden aus seiner Vergangenheit, Geschichten aus seinem Bekanntenkreis und äusserst merkwürdige Visionen. "Home" ist das bisher aufwendigste Filmprojekt Olaf Breunings.


Ilona Gaikis, die in der Klasse Umberg an der Staatlichen Akademie Karlsruhe, Zweigstelle Freiburg, studiert, zeigt kurze Videoarbeiten der vergangenen Monate: Unter Einsatz des eigenen Körpers ist sie auf der Suche nach Nähe.


Hans Josephsohn zeigt drei seiner Halbfiguren: "(...) Ungeachtet öffentlicher Polemiken widmet sich Josephsohn mit unbeirrbarer Konsequenz der Neuerschaffung der menschlichen Figur. Und gerade darin scheint - im Zeichen der Wiederentdeckung des Körpers in der Kunst der Gegenwart - seine Aktualität zu liegen. (...)" (Birgid Uccia über Josephsohn, Galerie Bob van Orsouw, Zürich)


Schirin Kretschmann, die in der Klasse Hoffmann an der Staatlichen Akademie Karlsruhe, Zweigstelle Freiburg, studiert, zeigt ihre aktuellen Kurzvideos aus Mexiko: Details aus dem alltäglichen Leben geraten zur einer Suche nach Form, Farbe und Gestalt. Aus einem banalen, kleinen Windrad wird ein farbiges Spiel von Licht und Bewegung oder eine Zuckerwatte gerät zu einem Vehikel die Zeit zu vergessen.


Maria Marshall realisiert Filme, die aufgrund ihrer suggestiven Kraft verführen und gleichermassen verwirren. In der Ausstellung "Mind the gap - Beachten Sie die Lücke" zeigt Marhall die 2002 realsierte Doppelprojektion "Cyclops", eine Arbeit, eine irritierende Topografie verwirrender Gefühle, dargestellt mit verstörend schönen Bildern. Man sieht zwei Personen: Ein Junge und eine blondgelockte Frau - die Künstlerin selbst und ihr Sohn. Die Kamera geht nah an die Personen heran und der Wechsel zwischen der Schnittlänge der einzelnen Szenen schafft Irritation und gleichzeitig Anziehung.


Marco Schuler zeigt aktuelle Videofilme und verschiedene plastische Arbeiten wie z.B. seine Reifenskulpturen. Zwischen metaphorischen Zeichen einer Suche nach Körper, Alltäglichkeit, Kraft und Bewegung sind seine Arbeiten Ausdruck eines reflektierten und zugleich kraftvollen Umgangs mit dem Körperhaften an sich als Material und gleichzeitig Persönlichkeit. Schulers Videos vereinen poetische Momente mit einem ironischen und zugleich äusserst aufmerksamen Umgang mit einer symbolhaften Übertragung menschlicher Bedürfnisse und Ängste auf Bewegungsabläufe.


Die Taiwanesische Künstlerin Chia-Wen Tsai zeigt die atmosphärisch dichte Installation "Jing/Jing", eine Wasserlandschaft, in der sich das Licht des Videobeamers reflektiert. Tsai beschäftigt sich in ihren Arbeiten immer wieder mit der Idee des "xu", einer in der chinesischen Philosophie besonderen Form von Leere. In ihrer Arbeit "Jing/Jing" geht es um das Zirkulieren mentaler Bilder, die einen Raum der Leere schaffen. In dieser Leere können sich Gedanken, Vorstellungen und Erinnerungen verselbständigen. Chia-Wen Tsai wird am Abend der Eröffnung eine Performance in ihrer Arbeit zeigen.


Die Eröffnungsausstellung "Mind the gap – Beachten Sie die Lücke" wurde von Dorothea Strauss kuratiert und ist eine Kooperation zwischen dem Kulturamt Freiburg und dem Kunstverein Freiburg.


Ausstellungsdauer: 15.10. - 7.11.2004
Oeffnungszeiten: Do/Fr 16 - 20 Uhr, Sa/So 11 - 17 Uhr


Kunsthaus L6
Lameystrasse 6
D-79098 Freiburg

www.likeyou.com/olafbreuning