Ausstellungsansicht

Ausstellungsansicht


Mounir Fatmi
Obstacles



Hindernisse – Obstacles – bezeichnen die Unmöglichkeit, ein einmal gewecktes Begehren zu erfüllen. Dieses Begehren kann sowohl politischer, existentieller als auch ästhetischer Art sein. Die Frage nach dem Fremden, dem Anderen ist ein Kontinuum im Schaffen des 1970 in Marokko geborenen Mounir Fatmi, der heute sowohl in Paris als auch in Tanger lebt. Er reflektiert die eigene Rolle als Künstler, der sich vom eigenen kulturellen Kontext entfremdet fühlt.


Aus den sportiven Hindernissen eines privilegierten Vergnügens werden in der mit Bedeutung aufgeladenen Atmosphäre des Ausstellungsraumes Barrikaden. Die elegant-geschmeidige Überquerung ist nicht möglich und war in der durch den Künstler festgelegten Anordnung auch nicht vorgesehen. Diese Lesart der errichteten Hürden wird zudem durch die Wandzeichnung "Weekend-Painting" forciert. Dieses ist ein visueller Kommentar zum tagespolitischen Geschehen. Flankiert werden das "Weekend-Painting" und "Obstacles" (2003) von zwei Videoarbeiten: Mounir Fatmis "Festin" (2002) und "Les ciseaux" (2003). Letztere Arbeit beruht auf erotischen Szenen des Filmemachers Nabil Ayoch, die in Marokko zensuriert wurden.


"Festin" ist eine Hommage an William Burroughs. Burroughs (1914-1999) Schriftsteller und Drogenspezialist lebte mit einigen Unterbrechungen – zumeist Entziehungskuren – während der 50er Jahre in der Interzone, seiner Bezeichnung für die internationale Agglomeration um und in Tanger. Hier fand 1957 Jack Kerouac die losen Manuskriptseiten von "Naked Lunch", jenem Buch, das wegen Obszönität unmittelbar nach Erscheinen in den USA zensuriert wurde. Der erfolgreiche Prozess gegen dieses Urteil lies Allen Ginsberg, Freund und Lebensgefährte Burroughs, zu dem Ausspruch hinreissen: "Das Wort war befreit". "Festin" berührt erneut das Thema der Zensur und Fragen der Repräsentation, wobei hier das Verhältnis umgekehrt wird. Nicht Mounir Fatmi vermittelt zwischen zwei verschiedenen Kulturkreisen, sondern er verweist auf den Zustand, in dem William Burroughs der Andere ist und dieses Fremdsein im Prozess des Schreibens sublimiert.


Symbole eines intimen Raumes – Matratzen – laden die Besucher ein, eine Triologie weiterer Videoarbeiten Mounir Fatmis zu sehen: "Embargo" (1997) erzählt in der Montage wissenschaftlicher Bilder von dem Zwang zur Improvisation aufgrund eines begrenzten Zugangs zu materiellen und immateriellen Ressourcen. Die "Survival Signs" (1998) zielen auf eine Politik und Ethik der Kommunikation, einer Kommunikation, die lebensnotwendig ist. Zugleich geht es um die Frage einer radikalen Sprache, die eine semantische Brücke zwischen den Roots (Wurzeln) in Form abstrakter Zeichenanimationen und Rupture (Bruch), der Auslöschung dieser Zeichen schlägt. Der Betrachter erfährt dabei die Verstümmelung sowohl der gezeichneten Objekte, als auch der Ton- und Bildspur.


"Thérapie de groupe" (2003) ist die Montage filmischer Aufnahmen von Demonstrationen in Paris als auch in Marokko. In Interviews beschreibt Mounir Fatmi eine Lücke hinsichtlich der Selbstrepräsentation marokkanischer Immigranten, die in den Suburbs von Paris leben. Diese Lücke beruht zum einen auf der verfehlten Nachrichtenpolitik seitens der französischen Fernsehsender und zum anderen auf der Zensur muslimischer Glaubenswächter in ihrem Heimatland. Aber auch diese Demonstrationen haben eine Stellvertreterfunktion: Aus Angst vor Zensur wird, um das eigene Anliegen zu formulieren, das Anliegen des Anderen/der Anderen benannt. Derjenige, der eigentlich spricht, gibt sich durch das Tragen einer Flagge zu erkennen.


Text: Simone Schardt


Diese Ausstellung ist ein Teil des Projektes "NEXT FLAG - an african sniper projekt for european spaces". Sie ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit der Initiatoren von NEXT FLAG - Fernando Alvim und Simon Njami - und Heike Munder.


Das migros museum für gegenwartskunst ist eine Institution des Migros-Kulturprozents.


Ausstellungsdauer: 15.11.2003 - 11.1.2004
Oeffnungszeiten: Di/Mi/Fr 12 - 18 Uhr, Do 12 - 20 Uhr
Sa/So 11 - 17 Uhr


migros museum für gegenwartskunst
Limmatstrasse 270
8005 Zürich
Telefon +41 01 277 20 50
Fax +41 01 277 62 86
E-Mail Arthur.Miranda@mgb.ch

www.migrosmuseum.ch