© Nathalie Hauswirth


Nathalie Hauswirth
Yet Not Anxious



Als Natalie Hauswirth (*1969, Olten) uns ihre Dokumentation zeigte, sprang uns ein Zitat von Robert Frank entgegen, der sagte: "Ich versuche immer im Draussen das Drinnen zu sehen. Ich versuche etwas zu sagen, das wahr ist. Aber vielleicht ist nichts wirklich wahr. Ausser dem, was dort draussen ist. Und was dort draussen ist, verändert sich laufend".


In der Ausstellung sehen wir uns nun vor Fotografien wieder, die uns vor solche schleichenden oder sprunghaften Veränderungen zerren, in denen wir von Moment zu Moment in Nuancen gefesselt sind von einem Spiel.


Die mediale Aufladung, um nicht zu sagen, die gewohnte Beladenheit der öffentlichen Welt, vertraulich intime Momente, sicherlich auch unsere aufkommende, orientierungslose Erregung dürften mit uns anbändeln. Was wir zunächst sehen sollen, ist durch Verrätselungen, Versperrungen, Verschleierungen dem ersten Blick entzogen. Vielleicht deshalb dringen Spekulationen in uns. In "Monochrom 2003" erscheint uns in grosser Leuchtkraft ein - dreiteilig fragmentiertes - Kind. Unser Blick staffelt sich, wir tauchen in die Farbe. Eine Hand schwebt da, im Wasser, langgelenkig. Ein Fuss schwebt statisch im flüssig und tief erscheinenden Raum. Die Zehen? Jene eines Erwachsenen, so zu sehen im Umriss. Aber das Kinn, die Nase, kindlich, aus dieser Perspektive, wirkend: Wasser umgibt nur das Kinn, die Nase ist darüber erhoben. Irritierend. Was durch die Farbe und durch den ersten Blick vielleicht an den schwebenden Embryo in Kubricks "Space Odyssey 2001" erinnert, macht sich als die Körperlandschaft der 35jährigen Künstlerin selbst aus, die sich uns erst mit unserer Arbeit im Erblicken, Analysieren und Abgleichen erschliesst.


"Underneath" verschanzt uns erneut, diesmal in acht Teilen, hinter doppeldeutigen Spekulationen. Erst blicken wir nervös in formal verschüttelt wirkende Umrisse, die sich als Falten in Textilien, - trocken, verwoben, zerrend sind sie - ausmachen. Ein hautfarbenes Timbre schmiegt sich uns an. Wir blicken in ein Zusammenspiel: Abgründe, Anhöhen und Ritzen. Und während wir die Bilder lesen, sind wir nahe, viel zu nahe, doch können wir uns nicht entziehen, es sei denn, wir blicken woanders hin. Wir korrigieren den Bildschatz, denn wieder erscheint uns die Frau, kopflos, eine von vielen, diesmal mit von Textilien gebändigten, verformten Weichteilen, zerschnitten in anonyme Weiblichkeit. Wir sind, voyeuristisch vielleicht, eingedrungen, und dieses Bewusstsein verwehrt uns vielleicht den Eingriff. Distanzlos fühlen wir uns, zu Angreifern mit dem Blick sind wir geworden, oder zu schmachtenden Ästheten.


Natalie Hauswirth zeigt in der Artothek Fotografien, die sich, auch aufgrund ihrer einstigen Ausbildung zur Bildhauerin, am Skulpturalen und an Portraits orientieren. Die Inszenierung von Stimmungen, die Erweiterung der bildhaften Erfahrung, die über den bildnerischen Ausschnitt hinausweisen, finden sich in der fragmentierten, an der Oberfläche entlang gleitenden Darstellung unserer psychischen Mehrdeutigkeit wieder. Wir sehen in der vierteiligen Serie "Bath" - durch den irisierenden Schleier einer Plastikfolie fotografierte - Frauen, in diesem "Dahinter" machen wir einen Kopf in unterschiedlicher Blickrichtung und zu ihm angehobene Arme aus. Es ist dieser Schleier, der die Erfassung der Persönlichkeit und des Moments, einer vielleicht möglichen Stimmung oder Handlung, nahe legt.


Hauswirth verschafft uns Zutritt zum Raum, verwehrt uns aber die Eindeutigkeit einer Interpretation. Die Umgebung scheint physisch gleichermassen wie psychisch angefüllt, der Dampf eines Badezimmers verwischt sich mit der Schleierhaftigkeit des zu Erkennenden. Ruhe scheint immer anwesend, alles scheint als medial festgehaltenes Moment fassbar. Hauswirth gibt unserem Denken keinen Moment der Ruhe, und selbst wenn es eher die Bilder in unserem Kopf sind, die in solcher konspirativer Rastlosigkeit auftauchen, uns zu Vergleichen anzustiften, so bleibt uns ein Gefühl erhalten, uns nicht eindeutig entscheiden zu können.


(© Patrick Neithard, 2004-2005)


Ausstellungsdauer: 23.4. - 8.5.2004
Oeffnungszeiten: Do/Fr 14 - 19 Uhr, Sa 12 - 16 Uhr
und nach telefonischer Verabredung


Die Artothek
Tanja Scartazzini
Militärstrasse 76 (im Hof)
8004 Zürich
Telefon 043 322 00 10
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