© Nicola Meitzner

© Nicola Meitzer


Nicola Meitzner
in operation - Singapur 2002/2003



Im Raum für zeitgenössische Schweizer Fotografie der Coalmine Fotogalerie wird die 70-teilige Arbeit "in operation" der in Zürich lebenden Nicola Meitzer ausgestellt. Als Stipendiatin des Wüstenrot-Stipendiums für Dokumentarfotografie hatte Nicola Meitzner im Jahr 2002 die Gelegenheit, für fünf Monate in der asiatischen Metropole Singapur ihr fotografisches Langzeitprojekt zu realisieren.


Schon vor der umfassenden Dokumentation dieses wirtschaftlich und touristisch florierenden Stadtstaates hat Nicola Meitzner in früheren Projekten das Gesamthafte ihrer fotografischen Projekte im Blick gehabt. Ihre Künstlerbücher wie "SBB CFF FFS" (1995), dem Städteportrait über Berlin "Wie viele Stockwerke hat Ihr Haus in dem Sie wohnen?" (2000) oder einer seit mehreren Jahren verfolgten Dokumentation über "Zürich West" (seit 2001) tragen den gleichfalls konzeptuellen wie bildnerischen Anspruch in sich, eine künstlerische Aussage nicht im Einzelbild zu formulieren, sondern verschiedene fotografische Genres wie das Portrait oder die Stadtansicht auch gegen bestehende fotografische Konventionen unmittelbar miteinander in Verbindung zu setzen.


Der Stadtstaat Singapur wurde vom britischen Staatsbeamten Sir Stamford Raffles 1819 gegründet und seit der politischen Unabhängigkeit 1965 zu einem der effizientesten Finanz-, Handels- und Dienstleistungszentrum Südostasiens ausgebaut. Strategisch wichtig an der Strasse von Malakka gelegen verbindet sie die Schifffahrtswege vom Osten zum Westen; viele Fluglinien nutzen den Flughafen von Singapur als Drehscheibe in der Region und spülen so jährlich ca. 7 Millionen Besucher in die Stadt. "in operation" verweist auf den gelenkten und geordneten Charakter dieser "westlichsten" aller asiatischen Metropolen. Sauberkeit und Ordnung, eine der geringsten Kriminalitätsraten weltweit, und das restriktive Bestrafen auch kleinster Alltagsdelikte entwickelt nicht nur bei Touristen, sondern auch bei den ca. 4 Millionen Einwohnern ein geschultes Verhalten im Alltag.


Der Wille staatlicher Kontrolle produziert artifizielle Räume, die regelrecht programmiert erscheinen. Die künstliche Inszenierung ganzer Lebenswelten wie auf Sentosa Island, einer aufgeschütteten Freizeitinsel mit Palmen und Urwald, oder kunstvoll simulierten Naturbädern und Skiarenen sollen ein Verlassen Singapurs scheinbar überflüssig machen. In den steilen Perspektiven Nicola Meitzners von Wolkenkratzern und Wohnblocks herab wird der architektonische und gesellschaftspolitische Masterplan Singapurs sichtbar, der zum Teil von individuellen Handlungen durchkreuzt wird. Kleine Trampelpfade markieren den stillen Widerstand der Bewohner, sich mit der staatlichen Regulierung arrangieren zu müssen.


"in operation" ist auch ein Porträtwerk. Nicola Meitzner nimmt hier eine Haltung ein, bei der sie dem privaten Porträt einen fast intimen Duktus zumisst. Trotz extremer Nahsicht belässt sie ihrem Gegenüber den individuellen Freiraum, sich zu inszenieren und fordert keinen unmittelbaren Blickkontakt mit der Kamera. Anders geht sie bei den Ganzkörper-Porträts vor, wenn die fotografierten Kleingruppen und Personen sich fröhlich, fast aufgesetzt im direkten Bezug der Fotografin zuwenden.


In den Brüchen des Offiziellen zum Privaten, im schmalen Grad des sichtbar Werdens von sonst verborgenen Konventionen, weist "in operation" von Nicola Meitzner über die Beschreibung einer spezifischen Stadt zu Beginn des 21. Jahrhunderts hinaus und könnte das urbane Zusammenleben heute allgemein zum Thema haben.


Nicola Meitzner (1969 in Amberg) lebte von 1973-79 in Bombay und studierte von 1993 bis 1999 an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig im Fachbereich Fotografie. Dort war sie drei Jahre als Assistentin von Joachim Brohm tätig. Neben ihrer künstlerischen Tätigkeit arbeitet sie als Bildarchivarin in der Bildagentur Keystone, Zürich, und plant für dieses Jahr ihr nächstes Fotografieprojekt über Tokio.


Ausstellungsdauer: 17.2. - 17.4.2004
Oeffnungszeiten: Mo-Mi 8 - 19 Uhr, Do/Fr 8 - 22 Uhr
Sa 8 - 18 Uhr


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