© Olav Christopher Jenssen

Late Palindrome/The Secret No. 02A, Berlin 2002
Acryl und Oel auf Leinwand, 185 x 195 cm
Courtesy Galerie Bob van Orsouw, Zürich


Olav Christopher Jenssen
Apriori



Click for English text


Olav Christopher Jenssen (1954) lebt und arbeitet in Berlin. Spätestens seit seiner umfassenden Retrospektive im Kunstmuseum Bonn (2003), die von einer ebenso umfangreichen Publikation begleitet wurde, ist Jenssen einem internationalen Publikum bekannt. Die Galerie Bob van Orsouw widmet dem Künstler die erste Einzelausstellung in der Schweiz.


Jenssens "ungegenständliche" Malerei steht für eine genuine und facettenreiche Bildsprache. Sie ist Ausdruck des künstlerischen Freiraums, in dem die Möglichkeiten der Malerei in ihrem ganzen Spektrum erprobt werden. Ohne sich einer stilistischen Festlegung zu verschreiben, generiert Jenssen immer neue Werkreihen. Seine meist grossformatigen, in Öl- und Acrylfarben gemalten Serien (wie "Lack of Memory", "Time paintings", "Biographie", "Palindrome") entstehen als Bilderfolgen, die als Inbegriff des Prozesshaften unermüdlich neuen Bildlösungen zustreben. Jenssen malt an verschiedenen Bildern gleichzeitig, um einmal entdeckte formale Prinzipien, Schichtensysteme oder Farbfindungen kontinuierlich zu variieren und auf ihre Gültigkeit zu befragen.


Jenssen - ein "painter on the move" - schlägt sich zielsicher durch das Dickicht der Tradition, nicht um die (selbstreferentielle) Debatte der Malerei weiterzuführen, sondern um sich von ihr zu befreien. Einem nahezu euphorischen Gestaltungswillen folgend entstehen dabei durch und durch sinnliche Malereien, die weder eine Antwort auf existentielle Fragen zu geben noch metaphysische Inhalte zu vermitteln suchen. Die Dynamik von Jenssens malerischen Setzungen liegt vielmehr in der Selbstverständlichkeit, mit der er Kunst als "eine sublimierte Form des Lebens, eine realisierte Utopie" (Christoph Schreier) betreibt. Ähnlich wie sich die Vielfalt des Lebens nicht durch ein Ordnungssystem eingrenzen lässt, sondern durch das Zufällige ständig torpediert wird, sieht sich auch Jenssen immer wieder vor unerwartete künstlerische Herausforderungen gestellt. Die Logik seiner werkimmanenten Entwicklung liegt nicht in der Notwendigkeit, mit der frühere Bilderfindungen in neue Lösungen überführt werden. Denn das "nächste Bild sollte keine Bestätigung des vorhergehenden sein", wie Jenssen behauptet und damit der malerischen Heterogenität das Wort redet.


Daher lassen sich weder inhaltlich noch strukturell Zusammenhänge zwischen den einzelnen Werkgruppen ablesen, was in der in den letzten Jahren entstandenen Serie "Palindrome" deutlich zur Anschauung kommt. Palindrome sind eigentlich Wörter oder Phrasen, die in gleicher Weise von rechts oder von links gelesen werden können und dabei denselben oder einen anderen Sinn ergeben. In seinen Palindromen führt Jenssen erstmals Worte und Satzfragmente in seine Malerei ein. Da diese jedoch auf einzelne Buchstaben verkürzt werden, ergeben sie keinen eigentlichen Sinn mehr. Die Sprache geht ihrer Bezeichnungs- und Erklärungsfunktion verloren. Die Buchstaben werden nicht mehr als Schrift-, sondern als bildliche Elemente lesbar, die als horizontale Einschübe das Bild rhythmisieren.


Wahre Farbexplosionen, Übermalungen, Schichtungen, amorphe Formen und skizzenhafte Fragmente verwandeln Jenssens Leinwände in komplexe Bildräume, denen weniger eine Tiefenwirkung als eine vibrierende Dichte eigen ist. Jenssens Malerei ereignet sich im Hier und Jetzt, geleitet von den Umständen, Ereignissen, der Tagesform, den Erinnerungen, dem Gelebten - eine Form des unablässigen 'piels", das sich auch an der unbefangenen Ausweitung der Bildgrenzen ins Skulpturale erkennen lässt. Eine auf den Leinwänden wiederkehrende ovale Form wird in Ton gearbeitet und zu stalagmitenartigen Gebilden im Raum aufgetürmt - ein weiterer befreiender wie gelungener Versuch des Künstlers, im labyrinthischen Gefüge, als das sich das (kollektive) Gedächtnis der Malerei gibt, die Orientierung beizubehalten.


Birgid Uccia


Ausstellungsdauer: 27.8. - 2.10.2004
Öffnungszeiten: Di/Mi/Fr 12 - 18 Uhr, Do 12 - 20 Uhr,
Sa 11-16 Uhr und nach telefonischer Verabredung


Galerie Bob van Orsouw
Löwenbräum-Areal
Limmatstrasse 270
8005 Zürich
Telefon 01 273 11 00
Fax 01 273 11 02
Email: mail@bobvanorsouw.ch




Olav Christopher Jenssen
Apriori



Olav Christopher Jenssen (1954) lives and works in Berlin. His retrospective in the Kunstmuseum Bonn (2003), which drew large numbers of visitors, confirmed his international standing. The Galerie Bob van Orsouw is presenting the artist's first solo exhibition in Switzerland.


Jenssen's "non-representative" painting upholds an authentic, multi-faceted pictorial language. It reflects an artistic terrain where all the many possibilities of painting can be explored. Without signing up to any particular stylistic direction, Jenssen is constantly creating new series of works. Mostly executed in oils and acrylics, these series (such as Lack of Memory, Time paintings, Biography, Palindrome) are sequences of images which - taking process to an extreme - tirelessly seek new pictorial solutions. Jenssen paints several pictures simultaneously, continuously varying and testing out the viability of newly uncovered formal principles, layering systems or colours.


Jenssen - a "painter on the move" - cuts unswervingly through the thicket of tradition, not in order to advance the (self-referential) discourse of painting, but to free himself from it. Swept along by an almost euphoric creative impulse, he produces deeply sensual paintings which neither seek to answer existential issues nor to mediate metaphysical precepts. The dynamics of Jenssen'ss painterly statements lies rather in the naturalness with which he practises art as "a sublimated form of life, a realised utopia" (Christoph Schreier). In the same sense that the multiplicity of life cannot be contained with one ordering system - for it is incessantly being torpedoed by chance - again and again Jenssen finds himself up against unexpected artistic challenges. The logic of his work-immanent development is not about a need for one pictorial solution to lead into the next. As Jenssen has himself said, making a plea for painterly heterogeneity, the "next picture doesn't have to be an affirmation of the previous one".


Hence it is impossible to discover either thematic or structural links between the individual groups of works, as we see very clearly in the recent series Palindrome. The title refers to those words or phrases which read exactly the same from either direction, forwards or backwards, evoking the same or a different sense. In the works in his own Palindrome, for the first time Jenssen includes words and fragmented phrases in his painting. However, since these are reduced to single letters, they no longer convey any real meaning. Language loses its function as a means of description and explanation. The letters are no longer legible as writing; they have become pictorial elements, horizontal inserts which give a certain rhythm to the painting.


Explosions of colour, areas of over-painting, layers, amorphous forms and sketchlike fragments turn Jenssen's canvases into complex pictorial spaces, where spatial depths is replaced by a pulsating intensity. Jenssen's painting operates in the Here and Now, led by present circumstances, events, the daily round, memories, life as it is lived - like an unending "game" that also freely pushes back the boundaries of painting into the realms of sculpture. An oval form which recurs in the paintings is worked in clay and stacked like stalagmites in the space - yet another successfully liberating tactic on the part of the artist, always seeking to retain his own sense of orientation in the labyrinthine tangle of the (collective) memory of painting.


Birgid Uccia


August 27 - October 2, 2004


zum Seitenanfang