© Schirn Kunsthalle Frankfurt 2007

Marina Apollonio: Spazio ad attivazione cinetica, 1967-1971/2007
Stahl, Holz, PVC, Durchmesser 10 m
Courtesy Marina Apollonio
Foto: Neue Galerie Graz am Landesmuseum Joanneum



Op Art

Yaacov Agam, Getulio Alviani, Giovanni Anceschi, Richard Anuszkiewicz, Marina Apollonio, Alberto Biasi, Hartmut Böhm, Davide Boriani, Martha Boto, Pol Bury, Gianni Colombo, Toni Costa, Franco Costalonga, Carlos Cruz-Diez, Bill Culbert, Dadamaino, Hugo Demarco, Gabriele Devecchi, Milan Dobe, Günter Dohr, Angel Duarte, Günter Fruhtrunk, Horacio García Rossi, Hermann Goepfert, Gerhard von Graevenitz, Franco Grignani, Gruppo MID, Gruppo N, Edoardo Landi, Julio Le Parc, Wolfgang Ludwig, Adolf Luther, Heinz Mack, Enzo Mari, Almir Mavignier, Christian Megert, François Morellet, Helga Philipp, Otto Piene, Bridget Riley, Paolo Scheggi, Nicolas Schöffer, Francisco Sobrino, Jesús Rafael Soto, Joël Stein, Zdenûk Skora, Luis Tomasello, Günther Uecker, Gregorio Vardanega, Grazia Varisco, Victor Vasarely, Ludwig Wilding, Yvaral, Walter Zehringer



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Zu Beginn der 1960er Jahre entsteht mit Op Art und Kinetik eine Kunst mit starkem Interesse am Objektiven und dem wissenschaftlichen Experiment. Fasziniert von den physikalischen Gesetzen des Lichts und der Optik verschreibt sich eine ganze Generation der Untersuchung visueller Phänomene und Wahrnehmungsprinzipien. Die Täuschungsmöglichkeiten des Auges auslotend, setzen Künstler wie Victor Vasarely, Bridget Riley, François Morellet, Julio Le Parc oder Gianni Colombo auf die gezielte Irritation. Mit grossformatigen Bildern, Objekten und Environments bringen sie aber nicht nur das Auge des Betrachters in Bewegung. Sie lassen den Besucher in Farbe versinken, im Spiegel ins Unendliche stürzen oder bieten ihm poetische Lichtspiele. Die Interaktion zwischen Werk und Betrachter gipfelt in Installationen, die letztlich nicht nur physikalische Wirkungen in Form von Nachbildern, Farbvibrationen oder dem Flimmern von Licht entfalten, sondern auf das gesamte Bewusstsein wirken.


Die Ausstellung "Op Art" wird gefördert durch die Sireo Real Estate GmbH. Zusätzliche Unterstützung erfährt sie durch die Fraport AG.


Max Hollein, Direktor der Schirn Kunsthalle Frankfurt: "Die starke Verschränkung von Kunstschaffen und Wissenschaftserkenntnis ist nur eines der essentiellen Themen der Moderne, das in den Kanon der jüngeren und jüngsten Kunst eingeflossen ist und bereits von der Op Art formuliert wurde. Vielfach sind Errungenschaften wie diese anderen Strömungen zugewiesen worden, und häufig ist in Vergessenheit geraten, dass die Op Art eine revolutionäre Kunst in einer revolutionären Zeit war."


Martina Weinhart, Kuratorin der Ausstellung: "Die Perspektive der historischen Rückschau bietet einen erweiterten Blick auf eine Kunst, die ein ganzes Universum aus den Möglichkeiten der Wahrnehmung entwickelt hat und sicher nicht mit einer Engführung auf diesen Aspekt zu fassen ist. Die Op Art berichtet uns vom Sehen als Überschreitung, von der Erkenntniserweiterung des Auges als aktivem Organ, vom Ausbruch aus der traditionellen Bildästhetik und von einer in ihrer Multidimensionalität kaum vom Auge erfassbaren Welt. Das ist nicht wenig an Erkenntnis, was die Visual Culture für heute mitnimmt."


Die Op Art spielt mit den sensorischen Voraussetzungen des Betrachters. Sie ist eine Kunst, die das Auge gezielt überlastet. Aus dieser Überforderung des menschlichen Sehorgans entstehen Effekte wie Kontrastwirkung, Überstrahlung, Nachbild, das Gefühl räumlicher Bewegung, simultane Farbwirkungen, die aus einem Schwarzweissbild ein farbiges machen, wobei die Farbe gänzlich in der Wahrnehmung des Betrachters erzeugt wird. Die Strategien der Op Art verhindern eine Adaptierung des Auges und schalten sich zwischen das Sehen und das Verstehen. Die Op Art lässt uns Dinge sehen, die gar nicht da sind, und leistet auf diese Weise "Bewusstseinskritik". In einem sich selten stabilisierenden, prozesshaften Sehen, das nie vollkommen sein kann, entfaltet sich die Idee, dass das reine Sehen eine Illusion bleiben muss. Von "optischen Effekten" zu sprechen, vermag das Phänomen nur am Rande zu beschreiben. Es geht um die Erfahrung der Grenzen der Wahrnehmung, die weit über das Sehen hinausgeht, um Erfahrungen des sensuellen wie psychischen Apparates, die den Körper ebenso erfassen wie sie auf eine rezeptive Einbeziehung auf intellektueller Ebene zielen.


Mitte der 1960er Jahre etabliert sich die Op Art in einem wahren Siegeszug durch Europa wie auch Amerika, wobei sich Zentren nicht nur in den USA und Westeuropa, sondern auch in Lateinamerika und Osteuropa herausbilden. Somit ist die Op Art eine der wenigen Kunstrichtungen mit wahrhaft globaler Verbreitung innerhalb unterschiedlichster politischer und kultureller Kontexte - eine Tatsache, die nicht zuletzt der Universalität der künstlerischen Mittel geschuldet ist, unterstützt durch eine Form der Wahrnehmung, die ausser einem offenen Auge zunächst wenig verlangt. Die Op Art ist eine Kunst, die auch ohne Vorkenntnisse auszukommen und eine spontane Erlebbarkeit des Werkes zu garantieren vermag.


Die Ausstellung "Op Art" in der Schirn Kunsthalle Frankfurt präsentiert in einem grossen Überblick die wichtigsten Positionen der Strömung. Dabei nimmt sie keine Trennung zwischen zweidimensionalen Bildern und dreidimensionalen Objekten vor. Zentral in der Argumentation, die für eine gemeinsame Betrachtung von Kinetischer Kunst und Op Art plädiert, ist die Beobachtung, dass sich diese Kunst nicht fixieren lässt. Nur in der Zusammenschau der unterschiedlichen Medien entfaltet sich das raumgreifende Konzept einer Malerei, die nach dem Ambiente greift und erst im Raum zwischen dem Bild und dem Betrachter entsteht. Op Art und Kinetik interessieren sich für die Idee des wirkenden "Bildes", das die mechanische mit der virtuellen Bewegung vereint und weniger auf die Existenz der Form oder des Materials fokussiert ist. Dabei überlagern sich unterschiedliche Aspekte: die mechanische, tatsächliche Bewegung, die optische Bewegung durch eine Standortveränderung des Betrachters, Bewegungserscheinungen durch Wahrnehmungseffekte wie das Flimmern zwischen den Linien und schliesslich die perzeptuelle Bewegung durch Umkehrerscheinungen im Bild. Zudem gestalten sich die Übergänge zwischen diesen Bereichen fliessend. Häufig ist die Hybridität der Bewegungsform bereits im materialen Charakter von dreidimensionalen Bildobjekten gegeben, wie Jesús Rafael Sotos "Vibrationsstrukturen" oder Yaacov Agams "Tableaus transformables", verwandelbare Bilder, die der Betrachter mit seinen Händen umbauen soll.


Im Zentrum der Ausstellung stehen die grossen Bildformate und umfassende Rauminstallationen, ist doch in Arbeiten, die auf die Integration des Betrachters zielen, die Bildwirkung in hohem Masse von der Grösse abhängig. Deren hypnotische Effekte, ihr Pulsieren steigert sich in Dimensionen, die grosse Teile des Sichtfeldes des Betrachters einzunehmen vermögen. Bridget Riley, Richard Anuszkiewicz oder François Morellet lassen ihre künstlerischen Mittel in diesem Sinne kulminieren. Die Grösse des Formats, die einer Eroberung des gesamten optischen Feldes des Betrachters gleichkommt, wird auf diese Weise bisweilen zu einer Strategie der Überwältigung (perzeptiver Zwang). Mit grossformatigen Bildern, in Environments und Installationen versetzen die Künstler der Op Art nicht nur das Auge des Betrachters in Bewegung. Die Interaktion zwischen Werk und Betrachter - ein zentraler Topos der zeitgenössischen Kunst - gipfelt in Installationen, die den ganzen Körper erfassen und letztlich eine nicht nur physikalische Wirkung in Form von unerwarteten Nachbildern, Farbvibrationen oder dem Flimmern von Licht entfalten. Hintergrund dieser Wahl ist die spezifische Interaktion zwischen Bild und Betrachter, mit der die Op Art einen wichtigen Ansatz einer neuen Ästhetik generiert hat. Ein Denken in Räumen ersetzt das Denken in Objekten.


Rauminstallationen von Gianni Colombo mit seinem "After Structures" (1964-67), Davide Boriani mit seinem "Ambiente stroboscopico" (1967) oder auch Julio Le Parc mit "Lumière en vibration" (1968) nehmen den Betrachter in sich auf und zielen auf eine umfassende Intervention seiner Sinne. Die Verunklärung des Raumes und das Gefühl der Desorientierung finden sich in Christian Megerts eindruckvollem "Spiegelraum", realisiert auf der "documenta 4" von 1968, der den Betrachter scheinbar ins Bodenlose fallen lässt. Carlos Cruz-Diez mit seiner "Chromosaturation" (1965) oder Otto Piene mit seinen Lichträumen folgen dagegen einem eher kontemplativen Aspekt der Raumkunst und zeigen dem Besucher das Potential dieser Arbeiten in all ihrer Vielfalt und Variationsfähigkeit. Insgesamt vereint die Ausstellung neun dieser sensuell spektakulären Environments, die zum Teil seit den 1960er Jahren erstmals wieder zu sehen sein werden.


Katalog: "Op Art". Hg. von Martina Weinhart und Max Hollein. Mit einem Vorwort von Max Hollein und Texten von Frances Follin, Claus Pias, Martina Weinhart. Deutsch-englische Ausgabe, 320 Seiten, ca. 220 farbige Abbildungen, Verlag der Buchhandlung Walther König, ISBN: 978-3-865660-206-0.



Ausstellungsdauer: 17.2. - 20.5.2007
Öffnungszeiten: Di, Fr-So 10 - 19 Uhr, Mi/Do 10 - 22 Uhr


Schirn Kunsthalle Frankfurt
Römberberg
D-60311 Frankfurt am Main
Telefon +49 69 29 98 82-0
Fax +49 69 29 98 82-240
Email welcome@schirn.de

www.schirn-kunsthalle.de





Op Art

Yaacov Agam, Getulio Alviani, Giovanni Anceschi, Richard Anuszkiewicz, Marina Apollonio, Alberto Biasi, Hartmut Böhm, Davide Boriani, Martha Boto, Pol Bury, Gianni Colombo, Toni Costa, Franco Costalonga, Carlos Cruz-Diez, Bill Culbert, Dadamaino, Hugo Demarco, Gabriele Devecchi, Milan Dobe, Günter Dohr, Angel Duarte, Günter Fruhtrunk, Horacio García Rossi, Hermann Goepfert, Gerhard von Graevenitz, Franco Grignani, Gruppo MID, Gruppo N, Edoardo Landi, Julio Le Parc, Wolfgang Ludwig, Adolf Luther, Heinz Mack, Enzo Mari, Almir Mavignier, Christian Megert, François Morellet, Helga Philipp, Otto Piene, Bridget Riley, Paolo Scheggi, Nicolas Schöffer, Francisco Sobrino, Jesús Rafael Soto, Joël Stein, Zdenûk Skora, Luis Tomasello, Günther Uecker, Gregorio Vardanega, Grazia Varisco, Victor Vasarely, Ludwig Wilding, Yvaral, Walter Zehringer



The emergence of Op art and kinetic art in the early 1960s evinced a strong interest in objectivity and in scientific experiment. Fascinated by the physical laws of light and optics, a whole generation of artists devoted themselves to exploring visual phenomena and principles of perception. Probing the possibilities of optical illusion, Victor Vasarely, Bridget Riley, François Morellet, Julio Le Parc, Gianni Colombo, and others deliberately aimed at producing visual irritations. In large-format paintings, objects, and environments, they caused more than the observer's eye to move. Their works immerse their viewers in color, plunge them in the infinity of mirrors, or offer them a poetic play with light. The interaction between the work and the viewer fulfills itself in installations that not only entail physical effects in the form of afterimages, vibrating colors, or flickering light but affect the entire consciousness.


The exhibition "Op Art" is sponsored by Sireo Real Estate GmbH. Additional support is provided by Fraport AG.


Max Hollein, Director of the Schirn Kunsthalle Frankfurt: "The strong interlinkage of artistic creation and scientific cognition is just one of the essential subjects of modernity which has entered the canon of the more and most recent art after its articulation by Op art. These achievements have frequently been attributed to other movements, and it has often been forgotten that Op art was a revolutionary art in revolutionary times."


Martina Weinhart, curator of the exhibition: "A historical look back offers a wider view of an art that developed a whole universe from the given possibilities of perception although it cannot be reduced to this aspect. The story Op art tells is one about looking as a transgression, about the eye as an active organ granting an extension of cognition, about leaving traditional visual aesthetics behind, and about a world that cannot really be grasped through one's eyes in its multi-dimensional character. This can hardly be considered an insignificant heritage for today's visual culture."


Op art plays with the viewer's sensory premises. It is an art which deliberately demands too much of the eye. Overloading the human visual organ results in contrast effects, halations, suggestions of movement in space, simultaneous color effects turning black-and-white pictures into color images (where the viewer's perception alone provides the color). The strategies of Op art prevent an adaptation of the eye and insert themselves between seeing and understanding. It makes us see things that are not even there and thus provides a "critique of consciousness." A process of seeing that stabilizes itself and can never be perfect conveys the idea that pure seeing must remain an illusion. Speaking of "optical effects" describes the issue only superficially. The approach aims at an experience of the limits of perception that clearly goes beyond seeing, at becoming aware of one's sensory and psychological apparatus - a process which not only includes the body but also comprises the intellectual dimensions of reception.


In the mid-1960s, Op art flourished in both Europe and America with centers not merely in Western Europe and the USA but also in Eastern Europe and Latin America. Thus, Op art is one of the few movements in art with a global dissemination including the most diverse political and cultural contexts - a fact not least resulting from the universal character of its artistic means and furthered by a form of perception which, first of all, requires only little apart from an open eye. Op art does not seem to depend on preliminary knowledge and thus grants a spontaneous experience of the artworks presented.


The exhibition "Op Art" at the Schirn Kunsthalle Frankfurt offers a major survey of its most important positions without distinguishing between two-dimensional pictures and three-dimensional objects. The argument for exploring Op art and kinetic art together is primarily based on the observation that this art is something that cannot be pinned down. Only an overview of the various media can disclose the concept of a form of painting encompassing space, embracing the environment, and only establishing itself in between the picture and its viewer. Op art and kinetic art are interested in the idea of "pictures" which affect the viewer by combining mechanical and optical movements and not focusing on the existence of form or material. Distinct aspects overlap: the mechanical, actual movements, the optical movements resulting from changes of the viewer's position, apparent movements due to perception effects such as a flickering between the lines, and, finally, perceptual movements through reverse effects in the picture. In addition, the different phenomena blend into each other. Frequently, the hybrid character of the movement's form already springs from the immaterial nature of three-dimensional visual objects such as Jesús Rafael Soto's "Vibration Structures" or Yaacov Agam's "Tableaus transformables" - convertible pictures that the viewer is called upon to reconstruct with his or her hands.


The presentation centers on large-format pictures and extensive installations since visual effects of works that are aimed at integrating the viewer depend on size to a high degree. The hypnotic and pulsating effects increase when they occupy large parts of the visitor's field of view; the artistic means employed by Bridget Riley, Richard Anuszkiewicz, or François Morellet certainly mark a peak in this respect. The dimensions that conquer the viewer's entire optical field, as it were, sometimes turn into an overpowering strategy (a perceptive compulsion). The Op artists' large-size paintings, environments, and installations not only set the observer's eye in motion: the interaction between the work and the viewer - a central topos of contemporary art - culminates in installations that affect the whole being and not just produce physical effects in the form of unexpected afterimages, color vibrations, or flickering light. The interaction between picture and viewer unfolds the background for a significant new aesthetic approach: Op art replaces thinking in objects by thinking in spaces.


Installations such as Gianni Colombo's "After Structures" (1964-67), Davide Boriani's "Ambiente stroboscopico" (1967), or Julio Le Parc's "Lumière en vibration" (1968) integrate the viewers and aim at a comprehensive intervention of their senses. Confusing one's notion of the space and causing disorientation, Christian Megert's impressive "Mirror Room" realized for the "documenta 4" in 1968, makes the viewer feel as if tumbling into something bottomless. Carlos Cruz-Diez with his "Chromosaturation" (1965) or Otto Piene with his light spaces pursue a more contemplative dimension of spatial art and surprise the visitor with this form of art's multiple possibilities and wide range of variations. The exhibition assembles a total of nine sensually spectacular environments, some of which will be on show for the first time since the 1960s.


Catalogue: "Op Art". Ed. by Martina Weinhart and Max Hollein. With a preface by Max Hollein and texts by Frances Follin, Claus Pias, Martina Weinhart. German/English edition, 320 pages, ca. 220 color illustrations, Verlag der Buchhandlung Walther König, ISBN: 978-3-865660-206-0.



Exhibition: 17 February - 20 May 2007
Opening hours: Tues, Fri-Sun 10 am - 7 pm,
Wed/Thu 10 am - 10 pm