© Markus Weiss

Markus Weiss: o.T., 2003
Oel auf Leinwand, 198 x 198 cm


paint

David Chieppo
, Annelise Coste, Andreas Dobler, Markus Gadient, Lori Hersberger, Hanspeter Hofmann, Franziska Koch, Lutz/Guggisberg, Markus Müller, Markus Weiss, Stefan à Wengen


Die Ausstellung "paint" versteht sich als Nachfolge zu der 2001 realisierten Ausstellung "Zurich - urban diary". Erneut wird das künstlerische Umfeld, in dem die eigene galeristische Arbeit und deren Rezeption verortet ist, thematisch. Im Unterschied zu "Zurich - urban diary" fokussiert die jetzige Ausstellung das Medium der Malerei und deren Grenzbereiche. Diesem erweiterten Malereibegriff und dem Einbezug verschiedenster malerischer Positionen wird durch den Titel "paint" – Farbauftrag im weitesten Sinne – Rechnung getragen. So wird es möglich, neben paintings auch dreidimensionale Objekte, Mischformen zwischen Zeichnung und Malerei sowie Raumeingriffe in die Präsentation einzubeziehen.


David Chieppo (1973) ordnet seine kleinformatigen figurativen Bilder zu ganzen Bildkosmen, in denen die einzelnen Arbeiten dialogisch aufeinander verweisen. Als Referenz dient ihm vorgefundenes Bildmaterial oder die eigene Biographie. Diese stellt einen unerschöpflichen Fundus an Erinnerungen und Assoziationen bereit, die intuitiv und in kritischer Selbstbespiegelung zu meist narrativen Bildfolgen verknüpft werden.


Im Gegensatz zum subjektiven Malgestus von Chieppo zeichnet sich das figurative Werk von Stefan à Wengen (1964) durch eine Versachlichung des Bildgegenstandes aus. Verlassene Hütten oder desolate Häuser werden in der Art eines "dokumentarischen Realismus" wiedergegeben. Dieser wird durch den Einsatz meist düsterer Grau- und Brauntöne und die Abwesenheit der menschlichen Figur wieder unterwandert. Leere und Ödnis werden soweit radikalisiert, dass sie zur bildlichen Metapher des Unheimlichen und nicht Entschlüsselbaren werden.


Andreas Dobler (1963) baut in seinen Bildern extraterrestrisch wirkende Räume, deren Fiktionalität u.a. auf dem Ausserkrafttreten der Schwerkraft beruht. Gemalte Styropor-Elemente werden zu architektonischen Strukturen angeordnet, aus denen offene, meist zentralperspektisch angelegte Bildräume resultieren. Doblers oft als "psychedelisch" bezeichnete Kompositionen lassen sich auf seine eigene, intensive Beschäftigung mit Musik zurückführen, referieren aber auch auf die in der russischen Avantgarde proklamierte Materialisierung des Klanges in der Malerei (in der Ausstellung ist auch eine aus Elektrogitarren bestehende Skulptur Doblers zu sehen).


Ebenso erzeugt Markus Weiss (1963) in seinen grossformatigen Bildern fiktionale Landschaften, die von einem 3D-Programm oder durch die digitale Manipulation von Fotografien erzeugt werden. Auch die Vorzeichnung wird mittels computergesteuertem Airbrush angefertigt und dient als skizzenhafte Vorlage zu einer halluzinativen, weil raum- und zeitentgrenzenden Ölmalerei.


Anders als Weiss setzt Annelise Coste (1973) Airbrush als prinzipielle Technik für ihre zwischen ecriture und peinture changierenden Farbblätter ein. Satzreihen, Namen und Wortspiele wirken aufgrund ihres spontanen und zeichenhaften Duktus zunächst wie tagebuchartige Notate. Andererseits setzt Coste die Schrift als formales Mittel zur horizontalen Gliederung der Bildfläche ein. Durch das Durchstreichen und sich Überlappen der Wörter entsteht eine Tiefenwirkung, die – durch farbliche Akzentuierung einzelner Buchstaben verstärkt – rhythmische Bildkompositionen bewirkt.


Von einer Zeichenhaftigkeit lässt sich auch im Hinblick auf die in künstlichen Farben gehaltenen Acryl-Bilder von Hanspeter Hofmann (1960) sprechen. Feine Liniengeflechte erzeugen zellartige Strukturen, die sich endlos zu vermehren und den Bildkosmos zu bevölkern scheinen. Diesem metastaseartigen Wuchern setzt Hofmann Schriftelemente entgegen, die als Horizontale und Vertikale eine Geometrisierung der Fläche bewirken.


Während Hofmann einem Wissenschafter gleich die Malerei als "Form des Denkens" bezeichnet, negiert Markus Gadient (1958) diese diskursive Ebene zugunsten einer reinen Lust am Malen. Ähnlich wie Hofmann erzeugt er in seinen Landschaften unterschiedliche Bildebenen, setzt aber im Unterschied zu diesem figurative Bildelemente gegen abstrakte ab. Die dadurch entstehende Tiefenwirkung wird durch gestische Übermalungen wieder in Frage gestellt, ausufernde Baumlandschaften werden durch abstrakte Flächen und Formen in den Bildraum zurückgedrängt.


Den nuancierten Farbimplosionen Gadients setzt Lori Hersberger (1964) eine hauptsächlich auf fluoreszierende oder wenige Grundtöne reduzierte Farbpalette entgegen. Hersberger, der seine Bilder als "Anti-Landschaften" charakterisiert, sieht sich der Abstraktion verpflichtet, unterwandert deren Anspruch auf das Sublime jedoch durch die grelle Vulgarität seiner Farben und die Verwendung trashiger, der Popkultur entlehnter Bildtitel. Auch belässt es Hersberger nicht bei der Beschränkung auf den klassischen Bildraum, sondern bricht aus diesem durch den Einbezug des räumlichen Kontextes im Sinne einer installativen Malerei aus.


Ebenso raumgreifend verstehen sich die aus mehreren, an die Wand gelehnten Einzelplatten bestehenden Bilder des Künstlerduos Lutz/Guggisberg (1968/1966). Als multitalentierte "Freibeuter" bewegen sie sich neben anderen künstlerischen Gebieten auch auf dem Feld der Malerei als gewitzte, an Brechungen und Verdrehungen interessierte Akteure. Die mit diversen Materialien beschichteten Bild-Platten dienen als hintersinniger Ersatz für die klassische Bildtafel und sind in ihren Dimensionen so konzipiert, dass sie im Raum herumgetragen und beliebig neu plaziert werden können.


Wie Lutz/Guggisberg weist sich auch Franziska Koch (1966) nicht als dezidierte Malerin aus, obwohl sich ihre Videoinstallationen als eine medienübergreifende Auseinandersetzung mit einem Topos der Malerei – dem Schatten – verstehen. Neben den Videoarbeiten realisiert die Künstlerin auch "reine" ortsspezifische Malereien, in denen das Filmische nur eine untergeordnete Rolle spielt – Schatten werden im Sinne einer Vorzeichnung mit Video projiziert und dann ausgemalt – oder der Schatten wird soweit reduziert, dass die Gegenstände nur noch durch ihre konturenhaften Umrisse erkennbar sind.


Ebensowenig versteht sich Markus Müller (1970) als Maler. Dennoch liegen seinen dreidimensionalen Objekten die für die Geschichte der Malerei zentralen Kategorien von Sein und Schein zugrunde. Seine aus "armen" Werkstoffen hergestellten Skulpturen geben in ihrer Oberflächenbeschaffenheit vor, naturgetreu die Materialität des Gegenstandes zu spiegeln. So in einer in der Ausstellung gezeigten, aus Ast und Stein bestehenden Skulptur. Ihre Bemalung suggeriert auf den ersten Blick eine typische Holz- und Steinmaserung, erweist sich aber bei näherem Hinsehen als ironische Brechung. Ausserdem wirkt die Skulptur durch ihre Überdimensionalität eher wie ein Mutant, der jeden Versuch einer abbildhaften Wiedergabe ad absurdum führt.


(Text: Birgid Uccia)


Ausstellungsdauer: 25.10. - 20.12.2003
Öffnungszeiten: Di/Mi/Fr 12 - 18 Uhr, Do 12 - 20 Uhr,
Sa 11-16 Uhr und nach telefonischer Verabredung


Galerie Bob van Orsouw
Löwenbräum-Areal
Limmatstrasse 270
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