© VG Bild-Kunst, Bonn 2003

Geheim Richter, 1933, 463 (J 3)
Kleisterfarbe auf Papier auf Karton /
Glue paint on paper on cardboard, 41,3 x 28,9 cm
Schenkung LK, Klee-Museum, Bern
© VG Bild-Kunst, Bonn 2003


Paul Klee
1933



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Die Ausstellung "Paul Klee: 1933" widmet sich dem Schaffen Paul Klees (1879-1940) in dem für den Künstler beruflich und persönlich äusserst schwierigen Jahr 1933. Wenige Wochen nachdem Hitler Reichskanzler geworden war, durchsuchten Mitglieder der NSDAP Klees Dessauer Bauhaus-Wohnung. Im April wurde Klee seines Postens an der Düsseldorfer Kunstakademie enthoben und wählte Ende des Jahres den Weg in die Emigration. Dennoch verzeichnet der Oeuvrekatalog 1933 mehr Werke als in irgendeinem Jahr zuvor. Dazu zählt eine Gruppe von 246 Zeichnungen, in denen Klee das Vehikel der Parodie wählte, um eine ausserordentlich komplexe, leidenschaftliche Reaktion auf das NS-System zu Papier zu bringen. Ohne einen direkten Kommentar abzugeben, beschwören diese Zeichnungen in der dem Künstler eigenen Art Demagogie, Militarismus, Gewalt, Antisemitismus und Erniedrigung. In der Ausstellung "Paul Klee: 1933" wird erstmals eine Auswahl von über 100 Zeichnungen dieser so genannten Revolutionsblätter der Öffentlichkeit präsentiert. Die Zeichnungen werden durch farbige Arbeiten aus dem Jahr 1933 ergänzt.


Max Hollein, Direktor der Schirn Kunsthalle Frankfurt: "Paul Klees lange als verloren angesehene Gruppe von Arbeiten aus dem Jahr 1933 gibt nicht nur einen repräsentativen Einblick in das aussergewöhnliche Werk dieses schicksalhaften Jahres, sondern legt auch Zeugnis davon ab, wie ein führender Avantgardekünstler trotz Zensur eine wenngleich verdeckte, so doch scharfe Kritik an den politischen Ereignissen seiner Zeit übte."


Pamela Kort, Kuratorin der Ausstellung: "Klees Zeichnungen aus dem Jahr 1933 geben dem Betrachter die einmalige Gelegenheit, sich mit einem Wesenszug der Ästhetik des Künstlers auseinander zu setzen, der bislang im Grossen und Ganzen unbeachtet blieb: seiner lebenslangen Beschäftigung mit den Möglichkeiten der Parodie und des Witzes. Darin liegt nämlich die wirkliche Bedeutung dieser Blätter, und das gerade für ein Publikum, das sich der politischen Dimensionen von Klees Kunst nicht bewusst ist."


Das Jahr 1933 begann für den damals 53-jährigen Paul Klee mit zunehmenden persönlichen Repressalien. Am 17. März durchsuchten Männer der SA unter Führung eines Polizeibeamten in Klees Abwesenheit dessen Wohnhaus in Dessau und beschlagnahmten zahlreiche Unterlagen. Da Klee befürchtete, verhaftet zu werden, setzte er sich unverzüglich für einige Wochen in die Schweiz ab. Nur durch die juristischen Interventionen von Schweizer Freunden nahm dieser Vorfall einen glimpflichen Ausgang. Den Höhepunkt der Massnahmen von Seiten der Nationalsozialisten, von denen Klee in der Presse und in behördlichen Schreiben als "Kulturbolschewist" und "galizischer Jude" verunglimpft wurde, bildete am 21. April die fristlose Entlassung als Professor an der staatlichen Düsseldorfer Akademie per Telegramm. Klee, der seit der Aufkündigung seiner Lehrstelle am Bauhaus in Dessau 1931 fast zwei Jahre lang zwischen Dessau und Düsseldorf gependelt war, hatte erst kurz davor mit seiner Frau ein Haus in Düsseldorf gemietet. Die Umzugsgüter kamen am 26. April, also fünf Tage nach der Kündigung, an. Klee verbrachte die folgenden Monate stellungslos mit seiner Frau in Düsseldorf, wo er zwar mit einigen Kollegen und dem ebenfalls entlassenen Direktor der Kunstakademie Walter Kaesbach in Kontakt stand, jedoch weitgehend auf sich selbst gestellt arbeitete. Im Dezember 1933 schliesslich sah Klee sich gezwungen, Deutschland endgültig zu verlassen. Er emigrierte in seine Heimatstadt Bern, wo er mit seiner Frau zunächst bei seinem Vater im Elternhaus Unterschlupf fand. Angesichts der Verfemung in Deutschland verzögerte sich die Bewilligung seines Antrags auf Einbürgerung in der Schweiz, die er bis zu seinem Tod 1940 nicht mehr erlebte.


Trotz der Turbulenzen von 1933 schuf Klee in diesem Jahr mehr Werke (482) als je zuvor - darunter eine grosse Gruppe von 246 Zeichnungen, die mit ihren ungewöhnlich realistisch-figürlichen Motiven und der Dichte und Erregtheit des Strichs eine Sonderstellung in seinem Schaffen einnehmen. Im Wesentlichen zwischen Mai und September 1933 entstanden, bilden sie die grösste in einem Jahr entstandene zusammenhängende Bildgruppe in Klees Oeuvre überhaupt. Der Künstler behielt, bis auf wenige Geschenke an vertraute Sammler, fast alle Zeichnungen zeitlebens bei sich und trug jede einzelne Arbeit sorgfältig in seinen Oeuvrekatalog ein. Ein einziges Mal, im Sommer 1933, zeigte er eine grössere Anzahl der Blätter mit der Bemerkung, sie stellten "die nationalsozialistische Revolution" dar, Walter Kaesbach, der Klee ursprünglich an die Düsseldorfer Kunstakademie geholt hatte, und seinem dortigen Kollegen, dem Schweizer Bildhauer Alexander Zschokke. Seither sind äusserst selten vereinzelte Arbeiten dieser Werkgruppe an die Öffentlichkeit gelangt, wobei der Verweis auf ihre Zugehörigkeit zu den so genannten Revolutionsblättern nahezu immer fehlte. Im Sommer 1945, als die Gefahr vorüber war, berichtete Zschokke im Schweizer Rundfunk von einer Zeichnungsmappe Paul Klees zur "nationalsozialistischen Revolution". Drei Jahre später beschrieb er die Zeichnungen von 1933 und Klees Verfassung, als dieser sie ihm und Kaesbach gezeigt hatte, in einem Artikel in der Schweizer Zeitschrift "DU". Lange Zeit war völlig unklar, welche Zeichnungen Klee seinen Kollegen vorgelegt haben könnte. Manche hielten die Blätter gar für verloren.


Erst 1984 gelang es, im Bestand der Paul-Klee-Stiftung des Kunstmuseums Bern einen Grossteil dieser Zeichnungen von 1933 zu identifizieren. Ergänzt durch Leihgaben aus verstreutem öffentlichem und privatem Besitz wird nun erstmals eine Auswahl von etwa 100 Bleistift- und Fettkreidezeichnungen der Öffentlichkeit präsentiert. Damit ist dies die erste Ausstellung, die Klees umfangreichste geschlossene Werkgruppe in den Blickpunkt rückt und die längst fällige Frage nach ihrer historischen und politischen Bedeutung stellt.


Die Zeichnungen bieten mit ihren subtilen Kommentaren zum nationalsozialistischen Regime ein überraschendes Bildmaterial und zugleich einen fesselnden Einblick in Klees Schaffensprozess, da sie mit ihrem ästhetischen Potenzial die Voraussetzungen schufen, die Klee ab 1937 in den halbfigürlichen, seriellen Arbeitsprozess ummünzte, der für sein Spätwerk kennzeichnend werden sollte. Die meisten Arbeiten geben keinen unmittelbaren Kommentar zum Nationalsozialismus ab, sondern greifen unter oft scheinbar witzigen Titeln und Kompositionen ernste politische Themen wie Erziehung, Militarismus, Gewalt, Erniedrigung und Verfolgung auf. Der ungewöhnlich realistische, fast "altertümliche" und illustrative Figurenstil der Zeichnungen setzt sich zudem auf subtile Weise mit der vom neuen Regime abgesegneten künstlerischen Ausdrucksform auseinander, indem er diese parodiert.


Ergänzt werden die Zeichnungen um 15 Gemälde und farbige Arbeiten Paul Klees aus dem Jahr 1933, darunter so eindeutige Titel wie "Maske roter Jude", "Der Gegenpfeil" oder "Von der Liste gestrichen". Im Lichte der bisher weitgehend unbekannten, teils grotesk-komischen Zeichnungen gewinnt auch der Zeitkommentar dieser bekannten Werke eine überraschend eindringliche Kontur.


Die Ausstellung "Paul Klee: 1933" wurde von Pamela Kort, Gastkuratorin an der Schirn, kuratiert. Nach Stationen in der Städtischen Galerie im Lenbachhaus, München, und dem Kunstmuseum Bern wird sie im Anschluss an die Präsentation in der Schirn Kunsthalle Frankfurt (18. September - 30. November 2003) in der Hamburger Kunsthalle (11. Dezember 2003 - 7. März 2004) zu sehen sein.


Ausstellungsdauer: 18.9. - 30.11.2003
Öffnungszeiten: Di, Fr-So 10 - 19 Uhr, Mi/Do 10 - 22 Uhr


Schirn Kunsthalle Frankfurt
Römberberg
D-60311 Frankfurt am Main
Telefon +49 69 29 98 82-0
Fax +49 69 29 98 82-240
E-Mail welcome@schirn.de

www.schirn.de




Paul Klee
1933


The exhibition "Paul Klee: 1933" is dedicated to Paul Klee's (1879-1940) creative achievements in 1933, a year that was extremely difficult for the artist both professionally and personally. Only a few weeks after Hitler had become Chancellor of the Reich, members of the NSDAP searched the artist's Bauhaus residence in Dessau. After Klee had been removed from office at the Düsseldorf Academy of Fine Arts in April, he left the country towards the end of the year. The catalogue raisonné lists more works for 1933 than for any other year before though. The list also comprises a group of 246 drawings in which Klee relied on parody as his instrument for committing an extraordinarily complex and passionate reaction to the Nazi system to paper. Without offering any direct comment, the drawings revolve around demagogy, militarism, violence, anti-Semitism, and humiliation in the manner peculiar to the artist. The exhibition "Paul Klee: 1933" presents a selection of more than 100 of these so-called revolution drawings to the public for the first time. A number of works in color from the same year rounds off the presentation.


Max Hollein, Director of the Schirn Kunsthalle Frankfurt: "This group of works by Paul Klee, which has been considered lost for a long time, not only provides a representative survey of the artist's extraordinary achievements in this fateful year but evinces how a leading avant-garde figure, despite censorship, was able to articulate a biting, if covert, criticism of the political developments of his time."


Pamela Kort, curator of the exhibition: "Klee's 1933 drawings present their beholder with an unparalleled opportunity to glimpse a central aspect of his aesthetics that has remained largely unappreciated: his lifelong concern with the possibilities of parody and wit. Herein lies their real significance, particularly for an audience unaware that Klee's art has political dimensions."


1933 was a year that began with increasing personal reprisals for the 53-year old Paul Klee. On 17 March, SA men, under the command of a police officer, searched the artist's Dessau residence in his absence, confiscating a lot of material. Since Klee was afraid to be arrested, he immediately left the country and stayed in Switzerland for some weeks. Only legal interventions by Swiss friends ensured that this incident had no serious consequences. After Klee had been disparaged as a "cultural Bolshevist" and a "Galician Jew" by the National Socialists in the press and in official letters, the measures reached their peak when the artist lost his professorship at the Düsseldorf State Academy of Fine Arts at a minute's warning on 21 April, being informed of his removal in a telegram.


Klee, who had commuted from Dessau to Düsseldorf for almost two years after his teaching post had been cancelled at the Bauhaus in Dessau in 1931, had only recently rented a house with his wife in Düsseldorf. The moved goods arrived on 26 April, i.e. five days after his dismissal from office. Together with his wife, Klee spent the following months in Düsseldorf without a job, mainly fending for himself although he was in touch with some colleagues and Walter Kaesbach, the Director of the Academy of Fine Arts, who had been removed from office as well. In December 1933, Klee found himself compelled to leave Germany for good. He emigrated to Bern, his home town, where he and his wife found shelter with his father in his parents' house. Due to the ostracizing in Germany, the approval of his application for naturalization in Switzerland was delayed, and Klee did not live to see the permission granted until his death in 1940.


Despite these turbulences, Klee's production from this year comprises more works (482) than any annual production before. It includes a large group of 246 drawings taking up a special position within the artist's oeuvre because of its unusually realistic figurative motifs and the lines' density and excitement. The drawings, most of which date from between May and September 1933, represent the largest cohesive group of pictures produced by Klee within a single year. Except for a few drawings he gave away as presents to collectors he was close to, he kept all works his whole life long, carefully entering each drawing in his catalogue raisonné. Only once, in the summer of 1933, he showed several of the works to Walter Kaesbach, who had originally invited Klee to teach at the Düsseldorf Academy, and to the Swiss sculptor Alexander Zschokke, his colleague there. Since then, only single works from the group were presented to the public on very rare occasions - without a reference to the fact that they are part of the so-called revolution drawings in almost all cases. In summer 1945, when the danger was over, Zschokke referred to a map of drawings by Klee dealing with the "National Socialist revolution" in a Swiss radio program. Three years later, he described the drawings of 1933 and Klee's state of mind at the time when the artist had presented the works to him and Kaesbach in the Swiss magazine "DU." For a long time, it was completely doubtful which drawings Klee might have shown to his colleagues. Some people even thought that the drawings had not survived.


It was only in 1984 that a majority of these 1933 drawings could be identified in the holdings of the Paul Klee Foundation at the Kunstmuseum Bern. In addition to various loans from numerous public and private collections, a selection of more than 100 pencil and grease pencil drawings will now be presented to the public for the first time. It will be the first show highlighting Klee's largest cohesive group of works and exploring the long overdue question concerning the drawings' historical and political significance.


With their subtle commentaries on the Nazi regime, the drawings offer both an astounding source of pictures and a fascinating insight into Klee's production process: the works' aesthetical potential clearly comprised the foundations for the half-figurative, serial approach developed by Klee from 1937 on that was to become characteristic of his late oeuvre. Most works do not make any direct statements on National Socialism but, many under the guise of funny titles and compositions, rather relate to serious political issues such as education, militarism, violence, humiliation, and persecution. The unusually realistic, almost antiquated and illustrative style of representing figures also deals subtly with the artistic form of expression that had the regime's blessings by parodying it.


Besides the selection of "revolution drawings," the show also comprises 15 paintings and works in color by the artist which also date from 1933, among them pieces with such unequivocal titles as "Mask Red Jew," "The Contrary Arrow," or "Deleted from the List." In light of the partly grotesquely comic drawings which have been largely unknown so far, the historical commentary of these more familiar works also gains surprisingly powerful contours.


The exhibition "Paul Klee: 1933" has been curated by Pamela Kort, guest curator with the Schirn Kunsthalle Frankfurt. After having been presented at the Städtische Galerie im Lenbachhaus, Munich, and at the Kunstmuseum Bern, the exhibition will be shown at the Hamburger Kunsthalle from 11 December 2003 to 7 March 2004 after the Schirn Kunsthalle Frankfurt where it can be seen from 18 September to 30 November 2003.


18 September - 30 November 2003