© Johannes Hierzenberger

Johannes Hierzenberger: o.T., 2003
Öl auf Leinwand, 30 x 40 cm


POSE

Daryoush Asgar
, Johannes Hierzenberger,
Andreas Leissner


Die Pose als Stellung des Körpers zum Raum und zum Gegenüber ist ein elementares Instrument der Selbstdarstellung. Sie hat einerseits eine stark ästhetische Komponente und ist andererseits eine spezifische soziale Kommunikationsform. Ob als geforderte oder fordernde Haltung verrät die Pose bei genauerer Betrachtung mehr als ihr oberflächiges Image vermuten lässt.


Die Pose, so egozentrisch sie auch erscheinen mag, ist dabei immer angewiesen auf den Blick. Ohne die Spiegelung im Auge des Anderen und die damit einhergehende gesteigerte narzisstische Selbstwahrnehmung, bleibt die Pose bedeutungslos. Ist die Grundregel des "sehen und gesehen werden" jedoch erfüllt, wird die Pose zum komplexen kulturellen Zeichen mit unterschiedlichen Bedeutungsebenen: Die Pose kann sowohl Schutzschild sein als auch Offenbarung von Wunsch, Traum und Wirklichkeit; sie kann als Zitat verwendet werden oder auch als Parodie; die Pose als Kommunikation kann gelingen oder kläglich scheitern.


Die überlegte Positionierung ist Ausdruck eines Selbstverständnisses, das sich im Feld der Macht ansiedelt. Durch die Thematisierung der Ökonomie des Blicks und die Abbildung verschiedener Konstellationen herrschender Hierachien wird der gesellschaftliche und kulturelle Zeitgeist seziert und sichtbar gemacht. (Inga Nandzik, 2004)


Daryoush Asgar widmet sich in seiner aktuellen Malerei dem Hypermenschen: Mit einer solch emotionalen Ernsthaftigkeit zelebriert er die Motive der Magazinästhetik und die Protagonisten der Fashion-Shows, dass diese nicht etwa ironisiert, sondern zu übermenschlichen Ikonen stilisiert werden. In ihrer Perfektion und inszenierten Attitüde hebt sich diese Welt transzendental vom Alltag ab.


Als Überbau und ästhetische Richtschnur ensteht hier ein neuer Olymp. Dabei ist die Göttlichkeit dieser Lichtgestalten nicht in einer spezifischen Fähigkeit oder Funktion begründet, sondern entspringt eben ihrem Luxus, nichts mehr sein zu müssen als Oberfläche. In der omnipräsenten Zurschaustellung von Schönheit und in der wortwörtlichen Unbeschwertheit von allem Profanen besteigt hier ein "role-model" das Tableau, das zwar weder weltliche oder göttliche, dafür aber eine ideelle Macht besitzt.


Johannes Hierzenberger thematisiert sich als Künstler in Form eines Objektes der Begierde der KunstbetrachterIn. Einerseits liefert er sich unbeschränkt aus, und andererseits zeigt er sich unerreichber hochstilisiert. In narzisstisch übersteigerter Pose inszeniert Johannes Hierzenberger malerische Selbstportraits. Er inszeniert sich in Form von Adaptionen der Serienstars aus den achziger Jahren, ideenstiftender Archetypen aus "Miami Vice" oder "Dallas". Damit folgt er einerseits dem Revival von Kindheitserinnerungen der Generation der Dreissiger an die "Materialgirlzeit", andererseits fügt er die sehr österreichischen Vorstellungen von "Haute Volée" mit traditionellen Kunstformen zusammen. Das Ornament als Grundidee des Jugendstils wird in die Sprache der Gebrauchsgrafik übersezt. Er stilisiert sich als Symbol für die ironische Akzeptanz seiner selbst als Spielzeug der "oberen Zehntausend", das sich gleichzeitig gegen deren althergebrachte Selbstinszenierungen auflehnt.


Andreas Leissner beschäftigt sich mit Malerei, die Techniken der visuellen Verführung aufzeigt. Kommerzielle Werbespots und die Unterhaltungsindustrie produzieren eine enorme Flut von Bildern. Projektionen, die starken Einfluss auf unseren Alltagsgeschmack haben, und die Trends initialisieren. Werbung provoziert Wünsche und Begierden, Sozialdesign schafft Archetypen von Ikonen. Design hat die Kraft, Wahrnehmung und Gefühle zu beeinflussen. Andreas Leissner filtert eine Essenz von visuellen Sprachen und prozessiert daraus eine konzentrierte Erscheinung von akzeptierten Klischees auf Leinwand.


Die Charaktere in seinen Bilder posieren, bieten ihr Selbst der BetrachterIn an. Sie scheinen perfekt zu sein, so perfekt und rein als wären sie von Programmierern geschaffen, Toys in Computer Games. Dieser künstliche Charakter ist essentiell notwendig um zu beweisen, dass kein realistischer Ansatz in Leissners Bildern steckt, sondern vielmehr die Suche des Künstlers nach erfundenen Kompilationen von "Szene-Mappings" virtueller Avatare. Dabei wählt er fiktive architektonische Räume, in denen er seine Typen inszeniert.


Diese Art der Kunst wählt Andreas Leissner um eine Analogie zur Neoromantik der Gegenwart zu finden, die speziell im fiktiven Bereich stark boomt. Der kompositorische Stil, der die Technik der Romantik mit den jüngsten Errungenschaften der digitalen Kunst kombiniert, basiert auf Ensembles dynamischer Fluktuation. Die Malerei soll somit nicht als Erzählung betrachtet werden, denn vielmehr als Allegorie. Andreas Leissner bedient sich malerischen Elementen des sozialistischen Realismus und transformiert sie auf aktuelle und ironisch-poetische Weise. Seine handwerkliche Qualität bleibt aber nicht darauf beschränkt, sondern baut Brechungen und Widersprüche ein, die den figürlichen Darstellungen die Atmosphäre aus Medienbildern verleiht.


Ausstellungsdauer: 19.3. - 15.5.2004
Oeffnungszeiten: Mi-Sa 11 - 18 Uhr


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