© Hildegard Spielhofer

Hildegard Spielhofer: Portobello 06, 2006
C-Print, 135 x 96 cm
Courtesy: die Künstlerin


Quauhnahuac - Die Gerade ist eine Utopie

Maria Thereza Alves
, Dr. Atl, Ross Birrell und David Harding, Friederike Clever, Jimmie Durham, Cisco Jimenez, Robert Smithson, Hildegard Spielhofer


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Der Titel der Ausstellung ist entlehnt aus Malcom Lowrys berühmten Roman "Unter dem Vulkan", der 1947 veröffentlicht wurde und als eine der wichtigsten Analysen der Krise der Moderne im 20. Jahrhundert gilt. Die erzählerische Struktur des Buches ist zeitlich und örtlich am "Tag der Toten", am 1. November 1939 - zwei Monate nach dem Ausbruch des 2. Weltkriegs - in der halbfiktiven Stadt Quauhnahuac verankert, für welche die mexikanische Stadt Cuernavaca Modell stand und in welcher Lowry 1936 gelebt hat. Während dieser Zeit war Mexiko aufgrund seiner linksgerichteten Politik ein beliebtes Reiseziel und Exilland für viele SchriftstellerInnen und politische AktivistInnen (u.a. Sergei Eisenstein, Antonin Artaud, Leo Trotzki und Luis Buñuel). Die gesellschaftliche Situation Mexikos war damals geprägt von einem fruchtbaren Klima eines lebendigen Kulturaustauschs und gleichzeitig herrschte eine relative Freiheit von politischer Aktivität. Der Hauptprotagonist des Buches ist Geoffrey Firmin, ein britischer Konsul in Quauhnahuac, dessen existentieller Kampf und ultimatives Scheitern in der Erzählung zu Metaphern für den Fortschritt und den gleichzeitigen Rückfall des modernen Menschen werden.


Die Ausstellung "Quauhnahuac - Die Gerade ist eine Utopie" bringt Arbeiten von internationalen, zeitgenössischen KünstlerInnen zusammen, die teilweise Bezug nehmen auf die oben beschriebene historische Situation und sich selbst auf eine Reise - real oder fiktiv - nach Mexiko oder anderenorts begeben haben. Die Idee der Reise, sei es physisch oder mental, und die damit verbundenen Vorstellungen und die Verarbeitung von vorgefundenen Realitäten in bestimmten, abgelegenen Ländern, wird von den beteiligten KünstlerInnen untersucht, als Bedingung und Mittel, Kunst zu machen.


Maria Thereza Alves (*1961) und Jimmie Durham (*1940) präsentieren im ersten Raum eine neue Installation bestehend aus Fotografien, objets trouvés und Skulpturen, welche die aktuelle und vergangene Geschichte von Cuernavaca und den umliegenden Staat Morelos thematisiert. Durham und Alves haben einige Jahre in San Anton, einem Vorort von Cuernevaca, gelebt und sich aktiv für Umweltschutz und Menschenrechte der indianischen Bevölkerung eingesetzt. Die Installation ist ein persönliches Archiv, das von ihren eigenen Erfahrungen in Mexiko erzählt. In Cuernavaca haben Alves und Durham den mexikanischen Künstler Cisco Jimenéz (*1969) kennen gelernt und mit ihm zusammen verschiedene Projekte realisiert. In der Ausstellung ist Jimenéz mit dem Werk "Holy death with pacifiers", 2000 vertreten, das eine auf einem Wandtuch gemalte Madonnendarstellung der "Santa Muerte" ("Unserer Heiligen Frau der Drogenopfer und Dealergangs") zeigt.


Robert Smithsons "Partially Buried Woodshed" (1970), bestehend aus vier Fotografien und einem Film, dokumentiert den Einsturz eines Holzschuppens, welchen der Künstler in Kent, Ohio 1970 auf dem Universitätscampus vorgefunden hat und den er langsam mit Erde überschütten und begraben liess. Smithson hat seine Arbeiten oft auf Reisen und Exkursionen an einem spezifischen Ort entwickelt und so die Grenzen konventioneller Ausstellungssituationen reflektiert. Eine andere Reise hat Smithson 1969 nach Mexiko geführt, nach welcher sein Aufsatz "Incidents of Mirror-Travel in the Yucatán" (1969) entstanden ist. In diesem Text nimmt er Bezug auf John L. Stephens berühmten, gleichnamigen Bericht seiner Forschungsreise nach Mexiko 1841, der Beschreibungen von Architekturen und Monumenten der vergangenen indianischen Hochkultur enthält. In der Ausstellung werden neben Smithsons "Partially Burried Woodshed" die beiden Bände der ersten englischen Ausgabe von Stephens' Buch zu sehen sein, sowie die darin illustrieren Zeichnungen von Frederick Catherwood von Tempeln und Stelen.


Weitere kulturhistorische Bezüge zur Geschichte Mexikos werden mit dem Buch "Como nace e crece un volcán: el Parícutin" von Dr. Atl (Gerardo Murillo) (1875-1964) aufgenommen. Dieses enthält quasi-wissenschaftliche, aber dennoch mit künstlerischem Anspruch gemalte Zeichnungen und Gemälde von Dr. Atl, der während 1943-1950 den Ausbruches des Vulkanes Parícutin beobachtet hat.


Friederike Clever (*1971) ist diesen Sommer nach Mexico gereist und hat Vulkane wie den Popocatepetl und Nevado de Toluca besucht, sowie Archäologen bei Ausgrabungen begleitet. Zurück in ihrem Atelier in Berlin, entwickelte Clever neue Arbeiten mit verschiedenen Abdruckverfahren sowie Zeichnungen, die in enger Beziehung zu den Orten stehen, die sie besucht hat. Grosse querformatige Blätter zeigen Abdrücke des Atelierbodens der Künstlerin, dessen Textur auf das Papier übertragen und weiter mit Farbe übermalt wurde: Sie erinnern an geologische Formationen, archäologische Fundorte oder an bestimmte Landschaftsausschnitte, wie beispielsweise an die Barrancas, die Wasserläufe und engen Canyons, die zur typischen Geographie von Cuernavaca gehören.


Die schottischen Künstler Ross Birrell (*1969) und David Harding haben sich ebenfalls auf eine Reise nach Mexiko begeben. Während dieser Zeit haben sie einen halb-dokumentarischen Film gedreht, indem unter anderem mehrere Zeitzeugen zu Wort kommen, die Malcom Lowry gekannt haben. Ergänzend haben die Künstler in Cuernavaca in der Tradition des "muralismo" ein Wandbild realisiert und dieses im Film dokumentiert. Dieses Wandbild wiederholen die Künstler in leicht veränderter Form im Ausstellungsraum. Auf den Spuren von Lowry haben die Künstler zudem eine hölzerne Konstruktion entwickelt, die sich auf die Holzhütte des Autors bezieht, in welcher dieser in British Columbia gelebt hat und die bei einem Brand zerstört wurde.


Die Basler Künstlerin Hildegard Spielhofer (*1966) präsentiert Fotografien aus ihrer aktuellen Serie "Ultimo Viaggo", 2006 ("Die letzte Reise"), die in den letzen sieben Jahren auf den Reisen der Künstlerin an die Küste Nordsardiniens entstanden sind. Die Künstlerin fand an einem bestimmten Strand das Wrack des Segelbootes "La Voile Liberté" vor, welches sie unter verschiedenen Lichtbedingungen, nachts angestrahlt mit Taschenlampen, bei Mondlicht oder am Tag fotografiert hat. Die Künstlerin hat ebenfalls einen Teil des angespülten Schiffswracks in den Ausstellungsraum transportieren lassen, der neben den Fotografien gezeigt wird.


Zur Ausstellung wird eine umfangreiche Broschüre mit Bildern und Texten von Adam Szymczyk, Maria Thereza Alves, Jimmie Durham, Francis McKee und Valerie Bosshard erscheinen.


Für die grosszügige Unterstützung der Ausstellung danken wir: Fundación Almine y Bernard Ruiz-Picasso para el Arte, E. Gutzwiller & Cie Banquiers


Ausstellungsdauer 1.10. - 12.11.2006

Oeffnungszeiten Di/Mi/Fr 11 - 18 Uhr, Do 11 - 20.30 Uhr,
Sa/So 11 - 17 Uhr


Kunsthalle Basel
Steinenberg 7
4051 Basel
Telefon +41 61 206 99 00
Fax + 41 61 206 99 19
Email info@kunsthallebasel.ch

www.kunsthallebasel.ch






Quauhnahuac - The Straight Line is a Utopia

Maria Thereza Alves
, Dr. Atl, Ross Birrell and David Harding, Friederike Clever, Jimmie Durham, Cisco Jimenez, Robert Smithson, Hildegard Spielhofer


The title of the exhibition is borrowed from Malcolm Lowry's famous novel "Under the Volcano", published in 1947 and regarded as one of the most outstanding analyses of the crisis of modernism in the 20th century. In terms of time and space, the book's narrative structure is anchored in the "Day of the Dead", November 1, 1939 - two months after the outbreak of the Second World War - in the semi-fictional city of Quauhnahuac, which is modelled on the Mexican city Cuernavaca, in which Lowry lived in 1936. At that time, Mexico was a popular travel destination and place of exile for many writers and political activists (among them Sergei Eisenstein, Antonin Artaud, Leo Trotsky and Luis Buñuel) because of its left-wing policies. The social situation in Mexico then was characterized by a fruitful climate of cultural exchange and a relative freedom from political activity. The book's main protagonist is Geoffrey Firmin, a British consul in Quauhnahuac, whose existential struggle and ultimate failure become metaphors for the advance and simultaneous regression of modern man.


The exhibition "Quauhnahuac - The Straight Line is a Utopia" brings together works by contemporary international artists who refer to the above-mentioned historical situation and some of whom have themselves set out on a journey - real or fictional - to Mexico or elsewhere. The idea of the journey, be it physical or mental, and the respective associations, and the handling of the realities encountered in certain remote area are examined by the participating artists as a condition of and means for making art.


In the first room, Maria Thereza Alves (*1961) and Jimmie Durham (*1940) present a new installation which consists of photographs, objets trouvés and sculptures that address the current and past history of Cuernavaca and the surrounding state of Morelos. Durham and Alves spent several years in San Anton, a suburb of Cuernevaca, where they were actively involved in environmental protection and human rights for the Indian population. The installation is a personal archive about their own experiences in Mexico. In Cuernavaca, Alves and Durham met the Mexican artist Cisco Jimenéz (*1969) and worked on several projects with him. Jiménez is represented in the exhibition with the work "Holy death with pacifiers", 2000 which is a depiction painted on a wall cloth of the Madonna of "Santa Muerte" ("Our Holy Mother of drug victims and dealer gangs").


The exhibition includes also Robert Smithson's (1938 - 1973) "Partially Buried Woodshed" (1970), four photographs and film footage of the work that document the collapse of a wooden hut which the artist found on the university campus in Kent, Ohio, in 1970 and which he had slowly covered with earth and thus buried. Smithson has often produced his works during travels and excursions to some specific place, and they thus reflect on the limits of museums and galleries. One of his journeys was to Mexico in 1969, and after it he wrote his essay "Incidents of Mirror-Travel in the Yucatan" (1969). In that text he refers to John L. Stephen's famous reportage of the same name on his exploratory trip to Mexico in 1841. This contains descriptions of buildings and monuments of the past Indian high culture. In addition to Smithson's "Partially Buried Woodshed", the exhibition also contains the two volumes of the first English editions of Stephens' book, as well as the drawings it contains by Frederick Catherwood of temples and stele.


Also included in the exhibition are further cultural-historical references to the history of Mexico in the book "Como nace y crece un volcán: el Parícutin" by Dr. Atl (Gerardo Muri Murillo) (1875 - 1964). This book contains quasi-scientific yet artistically ambitious coloured drawing and paintings by Dr. Atl, who from 1943-1950 observed the eruptions of the Parícutin volcano.



This summer, Friederike Clever (*1971) travelled to Mexico to visit volcanoes as Popocatépetl and Nevado de Toluca and accompany archaeologists to excavations. Back in her studio in Berlin, Clever produced both new works using different printing processes and drawings closely linked with the places she had visited. Large horizontal sheets show prints taken from the floor of the artist's studio, the texture of which is transferred to the paper and painted over in colour: these are reminiscent of geological formations, archaeological sites of discovery, or certain sections of a landscape, such as the "Barrancas", the water courses and narrow canyons typical of the geography of Cuernavaca.


The Scottish artists Ross Birrell (*1969) and David Harding (*1938) also took a trip to Mexico, during which they made a semi-documentary film in which, among others, several contemporaries who knew Malcolm Lowry speak. While in Cuernavaca the artists also produced a mural painting in the muralismo tradition, and documented the process on film. The artist have reproduced this mural in the exhibition room with slight alterations. While on the trail of Lowry they also developed a wooden construction which alludes to the wooden hut in British Columbia in which the author lived and which was destroyed by fire.


The Basel artist Hildegard Spielhofer (*1966) presents photographs from her current series "Ultimo Viaggo", 2006 ("The last journey"), which she has taken over the past seven years on her travels to the coast of northern Sardinia. On one particular beach the artist found wreckage from the sailing boat "Voile Liberté", 2006, which she photographed under different light conditions; illuminated by torches at night, in the moon light, or during the day. The artist has also included part of the washed up wreckage in the exhibition putting it on show alongside her photographs.


An extensive exhibition brochure will be published containing illustrations and texts by Adam Szymczyk, Maria Thereza Alves, Jimmie Durham, Francis McKee and Valerie Bosshard.


This exhibition is generously supported by: Fundación Almine y Bernard Ruiz-Picasso para el Arte, E. Gutzwiller & Cie Banquiers


Exhibition October 1 - November 12, 2006

Opening hours Tues/Wed/Fri 11 am - 6 pm,
Thu 11 am - 8.30 pm, Sat/Sun 11 am - 5 pm