© Reto Leibundgut "roger I", Gobelin, 85 x 55 cm, 2002


Reto Leibundgut


Reto Leibundgut ist ein Meister in Sachen Verwertung alter Materialien. Er konfrontiert BetrachterInnen mit höchst ästhetischen Arbeiten, die sich als aufwändig und liebevoll verarbeitetes Abfallmaterial entpuppen. Er führt uns an der Nase herum, evoziert mit der vermeintlichen Perfektion ein nicht zu leugnendes Unbehagen. Auf der einen Seite ziehen die minutiös gearbeiteten Stücke angenehm an, auf der anderen Seite wird man durch die rohe, grobe Machart oftmals abgestossen.

Auf der Galerienterrasse steht seine Installation "Bülesümme", die vor zwei Jahren in Italien für Furore sorgte. Aus zerhackten Plastikkübeln hat Leibundgut ein Meer aus Schaumkronen sowie ein einsames Boot und zwei Geranienkübel zusammengefügt. Die Installation zeugt von Wehmut nach Ferne; aber auch von einer mit Geranien bewachsenen Biederkeit. Die Biederkeit findet sich auch in seinen jüngst entstandenen Gobelins. Als Akt-Selbstporträts des Künstlers passen sie aber so gar nicht in ein "Häkeldeckeninterieur". Daneben sind Teppiche zu sehen, alte Orientteppiche, die er auseinander schneidet und neu konzipiert. Ornamente werden herausgelöst, Farben zu Farben gesetzt, so dass ungewohnte und doch perfekte Stücke entstehen.

Aus seiner Sammlung von gefundenen Papierfliegern hat er ein "Crash"-Stück überdimensioniert aus Holzverbundplatten nachgebaut. Sind die Gobelins "roger I & II" Porträts des verunglückten Absturzpiloten, ist der Teppich die untaugliche Landebahn?

Im anderen Ausstellungsraum steht eine erhöhte Sitzbank, ein aus einem alten Ledersofa neu gefügtes Stück, eine tierhaft archaische Form. Natürlich fehlen auch hier die Teppiche nicht, die den Raum zusätzlich möblieren. Dazu zeigt der Künstler Holzintarsien; eine alte, wertvolle Technik, ausgeführt mit billigen Pressspanplatten.

Im Gang ist erstmals eine Fotoarbeit des Künstlers zu sehen. Acht nackte Frauen bilden mit ihren Körpern Buchstaben, aus denen Worte wie etwa "Guten Tag" oder "Sex Sells" geschrieben werden. Das Setting ist voll und ganz Leibundgut: Jeder menschliche Buchstabe befindet sich in einem eigens konzipierten Raum. Bodenbeläge und Wände variieren; verbindendes Element bleiben die Radiatoren, die in jeder Nische vorkommen, sich aber in Gestalt völlig unterscheiden.

Leibundgut ist es wieder einmal gelungen zu provozieren, Installationen zu generieren, die Geschichten erzählen, aufrütteln und provozieren. Kunst mit einer verwirrenden Direktheit, Kunst, die sich alter Materialien und Techniken bedient und trotzdem höchst aktuell ist.


Ausstellungsdauer: 3.11. - 7.12.2002
Öffnungszeiten: Mi-Fr 14–18 Uhr, Sa 11 - 16 Uhr


Galerie Bernhard Bischoff
Hofstettenstrasse 6
CH-3600 Thun
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