Revenge on Realism
the fictitious moment in current Polish art

Michal Budny, Igor Krenz, Zbigniew Libera, Bartek Materka, Mochalska & Blachut, Zbigniew Rogalski, Szymon Roginski


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Als Realismus bezeichnet man einen wirklichkeitsnahen Darstellungsstil, der versucht die Dinge an sich frei von Illusionen abzubilden. In Zeiten von Reality-TVSerien scheint dies ein hoffnungslos idealistisches Unterfangen zu sein - Wirklichkeit scheint unter der Leitung der Medien demokratisiert zu werden. Auch die Werbung trägt ihren Teil dazu bei, sie ist heute im Strassenbild Warschaus allgegenwärtig. Erst Anfang der 90er Jahre aufgekommen, bot sie als neues Medium Beschäftigung für Kreative, darunter auch viele Künstler.


Doch eine Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit gab es in Polen schon in den 60er Jahren, als Künstler wie Andrzej Partum, Jan Swidzinski, Anastazy Wisniewski, Leszek Przyjemski oder das Künstlerduo KwieKulik sich mittels "positiver Negation" zur Realität äusserten. Zbigniew Libera hat diesen Künstlern eine Arbeit gewidmet, in der er Kunstkritiker Texte über sie schreiben liess. Er verwendete dazu das Layout der grossen polnischen Zeitungen, in deren Gewand er die Texte setzen liess und veröffentlichte ("Masters"-Serie). Auf diese Weise unterwandert er die Medien, gibt den in den Artikeln vorgestellten Künstlern den Raum, den sie seiner Meinung nach in der Öffentlichkeit verdient hätten. Weiters sind in der Ausstellung Arbeiten aus der Serie der "Positives" zu sehen, in der er historische, negativ konnotierte Fotos nachstellt und sie positiv besetzt. Er stellt die dem Medium Fotografie inhärente scheinbare Objektivität in Frage, indem er diese Fotos in Zeitungen veröffentlicht, wieder in den Fluss der Bilder einbindet.


Auch Igor Krenz arbeitet mit der Glaubwürdigkeit des Mediums, in diesem Fall des Videos. Bei ihm sind es Versuchsanordnungen, die er visuell aufbereitet. In "Fire is better than Scissors" etwa beweist er empirisch, dass Feuer geeigneter ist eine Kettenreaktion in Gang zu setzen an deren Ende die Zerschlagung einer Flasche steht. Er lässt vor unseren Augen Bälle und Streichholzschachteln verschwinden, so nüchtern wie er die Wahrscheinlichkeit vorführt, einen Stein mittels Katapult in eine Dose zu treffen. Nicht zuletzt weist er uns mit einem Augenzwinkern darauf hin, dass nur die rechte Seite des Videobildes wirklich existiert, indem er eine Flasche daran zerschellen lässt.


Während Krenz das physikalische Wesen der Dinge und die damit verbundene Wissenschaft und Forschung karikiert, geht es Michal Budny um die reine Seinshaftigkeit, die Entität. Er übersetzt die Welt des Alltäglichen (Mobiltelefone, CDPlayer, Häuser, …) in Kunstwerke und verwendet dabei billiges Verbrauchsmaterial. Für seinen Grabstein verwendet er Verpackungspapier aus der Zeit des Sozialismus um eine Marmorierung der Oberfläche zu simulieren - ein klares Statement für jeden Polen, gab es im damaligen System ja nur diese und wenige andere Verpackungsmaterialien öffentlich zu kaufen. In der Arbeit "Snow" bildet er eine Schneeverwehung nach, in der noch die Spuren eines Hundes wie auch eines Motorrads eingedrückt sind.


Im Gegensatz dazu versuchen Honorata Mochalska und Andrzej Blachut die Auflösung des Objekts. In der Ausstellung zeigen sie drei kleine Skulpturen die an Tiere erinnern. Sie erzählen mittels Fotos kleine Geschichten über die Wesen und geben ihnen ein Eigenleben das ihren Objektstatus relativiert. Trotzdem schwanken die Gestalten zwischen Objekthaftigkeit und Subjekthaftigkeit - die Materialität und Farbigkeit klassischer Skulptur hält sie in einer Schwebe. Bei "Untitled" kehren sie das Spiel um: der Ausstellungsbesucher wird eingeladen sich an einem Podest zu versuchen, sich selbst in einen Objektstatus zu versetzen. Mochalska und Blachut dokumentieren die Posen und Präsentationen der Leute mit Fotografien - während sich bei ihnen das Publikum selbst inszeniert, geht es bei Szymon Roginski um ein Stilisieren der Umwelt. Bei seinen nächtlichen Fahrten durch Polens Regionen sucht er tagelang Orte und Unorte bei denen er auf gewisse Stimmungsmomente wartet. Bei Nacht fotografiert er um Licht als auratisches Element optimal ausnützen zu können. Seine irrealen Szenerien erhalten ihre Beleuchtung meist durch künstliches Licht, wenn notwendig sogar vom eigenen Auto (zum Beispiel durch das Bremslicht). Heraus kommen atmosphärisch aufgeladenen Portraits von Orten aus dem Abseits, die er selbst als apokalyptische Landschaften, post-nuklearen Plätzen aus Computerspielen ähnelnd, bezeichnet.


Für Bartek Materka bleibt die Fotografie zu sehr an der Oberfläche haften, weshalb er sich in seiner Malerei mehr an der Grafik orientiert. In Wien zeigt er eine Serie von Arbeiten in denen er den Makrokosmos der Natur reflektiert - wie auch die eigene Wahrnehmung derselben, die er auf eine kindlich-naive Interpretation des Kleinen im grossen Ganzen reduziert. Die Faszination am Organischen trägt er weiter in die Architektur, deren Strukturen er in einer früheren Serie durch eine Vereinfachung der Darstellung wieder zu Tage fördern will. Zwischen Nähe und Ferne liegt die Leinwand als Metaebene: in einer anderen Serie malt er selbst in Strukturen bestehend aus Zahlen und Buchstaben, aus denen sich wieder Bilder zusammensetzen.


Wenn bei Materka in seiner Vielfalt an Stilen das Wesentliche zwischen den Zeilen zu suchen ist, muss man bei Zbigniew Rogalski in die Bilder hineinschauen. Darin tut sich eine Parallelwelt auf, die hauptsächlich aus Farbe besteht. Dazwischen ist der Maler zu sehen, wie er gerade diese Welt mit Farbe ausfüllt oder in einen Teppich daraus eintaucht. Und wenn er nicht gerade dabei ist Banknoten zu malen, verschränkt er sich mit seiner Freundin zu einer Kugel ("Zbylina"). Dieses Knäul aus Körperteilen bleibt dabei gleichzeitig gegenständlich wie abstrakt, die Farbe steht über den Dingen, wird in Rogalskis Arbeiten ständig neu reflektiert. In einer anderen Serie bezieht er sich auf die Kunstgeschichte. Werke schimmern unscharf durch ein angelaufenes Fenster, seinen Zugang zu den Arbeiten scheint der Künstler mit dem Finger ins Glas geschrieben zu haben. Dieses Mal nehmen wir seinen Blick ein und es wird unklar welche Welt auf der anderen Seite des Bildes liegt - sicher ist nur dass es ein Einblick auf etwas ist das wie er sagt "realer als die Realität ist".


Kuratiert von Severin Dünser in Zusammenarbeit mit Raster, Warschau.


Ausstellungsdauer: 4.3. - 23.4.2005
Oeffnungszeiten: Mi-Fr 15 - 19 Uhr, Sa 11 - 14 Uhr


Krinzinger Projekte
Schottenfeldgasse 45
1070 Wien
Telefon +43 1 512 81 42
Email krinzingerprojekte@gmx.at

www.galerie-krinzinger.at/projekte







Revenge on Realism
the fictitious moment in current Polish art

Michal Budny, Igor Krenz, Zbigniew Libera, Bartek Materka, Mochalska & Blachut, Zbigniew Rogalski, Szymon Roginski


Realism is a term used to refer to a realistic mode of representation which seeks to depict things the way they are, without anything illusionistic. In the era of reality TV series this appears to be a hopelessly idealistic endeavour. Reality seems to be democratized under the sway of the media. Advertising, too, contributes to this, being omnipresent on the streets of Warsaw. Having emerged only at the beginning of the 1990's, it was a new medium offering a new field of activity for creative individuals, including a number of artists.


However, already in the 1960's there had been artists who worked with reality - artists such as Andrzej Partum, Jan Swidzinski, Anastazy Wisniewski, Leszek Przyjemski or the artist pair KwieKulik who had used "positive negation" to comment on reality. Zbigniew Libera has dedicated a piece to these artists, asking art critics to write texts on them. For this project he used the layout of large Polish papers, having the texts set and published ("Masters" series). In this way he was able to subvert the media, giving the artists presented in the articles the public space he felt they deserved. This exhibition also presented works from the "Positives" series in which he reconstructed photographs with a negative connotation and lent them positive meaning. He questioned what appeared to be photography's inherent objectivity by publishing these photographs in newspapers, reintroducing them to the flow of imagery.


Igor Krenz, too, works with the credibility of the medium, in this case, of video. He visually processes experimental setups. In "Fire is better than Scissors", for instance, he proves by empirical means that fire is more suited to triggering off a chain reaction, at the end of which a bottle is burst. Before our very eyes he lets balls and matchboxes disappear, and he does this in the same matter-of-fact way in which he demonstrates the likelihood of being able to catapult a stone into a can. With a wink he shows that the only the right side of the video image actually exists by letting the bottle burst on that side.


While Krenz caricatured the physical essence of things and thus also science and research, Michal Budny is interested in the very formal qualities of things, their entity. He translates the world of everyday things (cell phones, CD players, houses, …) into artworks, using cheap material such as packaging paper. For his grave stone he uses packaging material from the socialist era to simulate the marbled surface. This is something every Polish person is able to understand, since this packaging material was one of the few available in the system that existed at that time. In the piece "Snow" he reconstructs a snowbank, using the tracks made by a dog and by a motorcycle.


By contrast Honorata Mochalska und Andrzej Blachut are interested in the dissolution of the object. In the exhibition they present three small sculptures that resemble animals. Using photographs they tell short stories about their personalities, lending them something intrinsic which, in turn, relativizes their status as objects. Nevertheless, the figures oscillate between objecthood and subjectivity, holding the materiality and chromaticity of classical sculpture in suspense. In "Untitled" they reverse the game: the visitor to the exhibition is invited to stand on a pedestal and to assume the role of an object.


Mochalska and Blachut document the poses and presentations of people by means of photographs. While the audience is staging itself in their work, Szymon Roginski is interested in stylizing the environment. During his nightly drives through Polish regions he seeks out places and non-places, in which he waits for certain atmospheric moments. He photographs at night to make best use of light as an auratic element. His unrealistic scenarios are usually artificially illuminated - from his own car if necessary. The final product is atmospherically charged portraits of places on the fringes, which he describes himself as being apocalyptic landscapes, postnuclear places from computer games.


For Bartek Materka photography remains too glued to the surface since he models his paintings more after graphic art. In Vienna he is showing a series of works in which he reflects the macrocosm of nature - just as his own perception of it which he reduces to a child-like, naïve interpretation of small details forming part of a larger whole. He shifts his fascination with organic aspects to architecture the structures of which he seeks to reveal by simplifying their representation in an earlier series. The canvas lies between proximity and distance as a meta-level. In another series he paints in structures consisting of numbers and letters from which he recomposes his imagery.


If, in Marterka, the essential of his stylistic diversity is to be found between the lines, one must really delve into Zbigniew Rogalski's painting. Here a parallel world emerges, which consists primarily of color. In between one can see the artist, filling this world with color, or a carpet being submerged in paint. And when he is not in the process of painting bank notes, he merges with his girlfriend to form a sort of ball ("Zbylina"). This tangle of body parts remains both figurative and abstract. The color stays aloof of the things constantly being reflected anew in Rogalski's works. In another series he refers to art history. Works shimmer dimly through a window that is fogged over. The artist seems to inscribed his approach to art, drawing letters on the glass with his finger. This time we assume his gaze and it is becomes unclear which world lies on the other side of the picture - the only thing that is certain is that it gives us a glimpse of something that is, to quote the artist, "realer than reality”.


Curated by Severin Dünser in collaboration with Raster, Warsaw.


Exhibition: March 4 - April 23, 2005
Opening hours: Wed-Fri 3 - 7 pm, Sat 11 am - 2 pm