© Rineke Dijkstra

Kolobrzeg, Polen, 23. Juli 1992
© Rineke Dijkstra


Rineke Dijkstra
Paula Modersohn-Becker
Portraits



Knapp 100 Jahre trennen die Mädchen am Strand von Coney Island von den norddeutschen Bauernkindern um 1905. Zunächst scheint die Verbindung der Niederländerin Rineke Dijkstra zu Paula Modersohn-Becker gewagt. Doch sofort wird klar, hier eint zwei Künstlerinnen das tiefe Interesse am Menschen. Dijkstra gelang Anfang der neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts mit ihrer Serie "Bathers" der Durchbruch. Genau wie die Malerin nähert sie sich den Portraitierten, um, wie sie es selbst formuliert, einen "authentischen Moment von Intensität und Konzentration, Kraft und Verletzlichkeit" festzuhalten.


Erstmalig setzt nun das Paula Modersohn-Becker Museum 15 ausgewählte Arbeiten Dijkstras mit 20 Bildern Modersohn-Beckers in direkten Dialog. Unterstützt wird dieses einzigartige Ausstellungsprojekt durch prominente Leihgaben aus der Sammlungen Hoffmann, Olbricht und Springmeier, aus dem Museum am Ostwall in Dortmund und dem Westfälischen Landesmuseum Münster sowie Rineke Dijkstra selbst. Die Fotografin, die mittlerweile in den bedeutendsten fotografischen Sammlungen vertreten ist, zeigte sich von der Idee sofort begeistert und wird zu Pressekonferenz und Eröffnung anwesend sein.


Methoden und Motive der beiden Künstlerinnen weisen verblüffende Ähnlichkeiten auf. Kinder, Jugendliche und junge Frauen werden fast identisch in Szene gesetzt. Inhaltlich treten jedoch unterschiedliche Aspekte in den Vordergrund. Die Suche der Malerin galt dem rein Wesenhaften, dem Ursprünglichen in jedem Menschen, während sich die Fotografin in seriell angelegten Arbeiten für die Selbstdarstellung und Selbstwahrnehmung ihrer jugendlichen Akteure interessiert: So in ihrer Serie "Bathers" oder der Video-Arbeit "The Buzzclub", die das Verhältnis von individuellem Selbstverständnis und gesellschaftlicher und medialer Prägung thematisieren. Der Reiz ergibt sich aus der Kluft zwischen dem zu erfüllenden Wunschimage und der Selbstinszenierung ihrer Protagonisten. Modersohn-Beckers Erfassen des eher unbeholfenen, nie süsslich verklärten Kindes steht für ihre Suche nach der unverfälschten Wahrheit der Schöpfung. Dabei liegen ihre Stärken in der aufs Wesentliche gerichteten Formvereinfachung und dem subtilen Einsatz der Farbwerte zur Erzeugung einfacher Stimmungen, um das Wesen des Kindseins so unspektakulär und klar wie möglich auszudrücken.


In der Serie "Young Mothers" hält die Fotografin die intensiven Eindrücke wenige Augenblicke nach der Entbindung fest. Dijkstra spürt dem grundsätzlich Existenziellen dieser Grenzerfahrungen nach. Trotzdem sucht der Betrachter das universelle "Ewig-Menschliche", wie es bei Modersohn-Becker zu finden ist, vergebens. Zu komplex sind die vielfältigen Emotionen in den Gesichtern der Frauen. Im Spannungsfeld zwischen physischer Präsenz und Distanz bleibt bei beiden Künstlerinnen Freiraum für Assoziationen und Spekulationen, und darin liegt unter anderem die Verlockung dieser Bilder.


Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit Beiträgen von Ulf Erdmann Ziegler, Kathrin Golka und Rainer Stamm.


Ausstellungsdauer: 12.10.2003 - 4.1.2004
Öffnungszeiten: Di-So 11 - 18 Uhr, Mo geschlossen


Paula Modersohn-Becker Museum
Museum im Roselius-Haus
Böttcherstrasse 6-10
D-28195 Bremen
Telefon +49 (0)421 336 50 66/77
Fax +49 (0)421 339 82 95
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