© Raymond Pettibon
© Raymond Pettibon


Sammlung (3)
The House of Fiction


"Das Haus der Fiktion hat nicht ein Fenster, sondern viele", notiert Raymond Pettibon an der Wand der Lokremise und beschreibt damit die Macht der Kunst, phantastische, imaginäre Welten zu entwerfen. In "The House of Fiction" geht es um Erfundenes und Erdachtes, Erträumtes und Verstörendes, um die ewige Sehnsucht des Menschen, seiner alltäglichen Lebenswelt zu entfliehen. Die Kunst erzählt von mysteriösen Gestalten und Begebenheiten, entwirft utopische Traumbilder und apokalyptische Visionen und vermag selbst scheinbar Bedeutungsloses in märchenhafte oder surreale Geschichten zu verwandeln.

Die Ausstellung umfasst ca. 65 Werke aus dem Bestand der Sammlung Hauser und Wirth: Installationen, Foto- und Videoarbeiten, Bilder und Skulpturen von 30 internationalen Künstlerinnen und Künstlern, die überwiegend in den letzten Jahren entstanden sind oder - wie Christoph Büchels Raumlabyrinth im Wasserturm der Lokremise - speziell für "The House of Fiction" entwickelt wurden. Ein "Spaceball", der einmal dem Training von Astronauten diente, wird von Jason Rhoades dazu benutzt, die Grenzen unserer Wahrnehmung in einem Schwindel visueller Eindrücke aufzuheben. Nam June Paik lädt uns mit dem "Rocketship to Virtual Venus" zu einer zwischen gotischem Tabernakel und televisivem Overkill angesiedelten Reise in das Weltall ein, und Pipilotti Rist verspricht uns mit "Pamela" ein Flugerlebnis ganz eigener Art. Visionen einer paradiesisch unberührten Natur, Träume und Bilder einer kindlichen Vorstellungswelt überlagern und durchdringen sich in Yutaka Sones "Green Jungle", dessen Bewohner, die Fledermäuse, jeden Abend bei Einbruch der Dämmerung ausschwärmen. Louise Bourgeois, Miriam Cahn und Patty Martori erzählen in ihren Werken von anderen, verstörenden Welten, in denen aus der Phantasie geborene Mischwesen hausen, die den Träumenden tief in den Schlaf hinein verfolgen. Einem Albtraum gleich und doch faszinierend gemahnt das kafkaeske Kabinett der "1000 Clocks" von Richard Jackson erbarmungslos an das Verstreichen der Zeit und Rachel Khedooris Kulissenarchitektur versetzt uns in ein unheimliches Labyrinth aus filmischen Bildern und eigenen Erinnerungen.

Immer wieder reagiert die Kunst auf die schwindende Gewissheit, innerhalb der Lebenswelt zwischen Wahrheit und Fiktion unterscheiden zu können. Die Grenze zwischen gängigen Kategorien wie Erfindung und Dokument, Traum und Wirklichkeit ist nicht mehr sicher auszumachen. Ist der Supermarkt, der im "Upper Floor" der Lokremise eröffnet werden wird, ein "echter" Supermarkt, mit käuflichen Dingen? Und wer mag nur der seltsame Bewohner des Wasserturms sein? Ist die Geschichte, die das Mädchen in Doug Aitkens Videoinstallation "I Am In You" erlebt, wahr oder geträumt? Im Bild des mobilen, durch die Nacht fahrenden Wohncontainers löst sich das Haus als Ort des Rückzugs und der Geborgenheit auf, wird selbst zu einer Metapher für die Imagination möglicher Leben: Das Haus der Fiktion hat viele Fenster...


Ausstellungsdauer: 5.5. - 13.10.2002
Oeffnungszeiten: Mi-Fr 14 – 18 Uhr
Do 14 – 20 Uhr
Sa/So 11 – 18 Uhr


Sammlung Hauser & Wirth
in der Lokremise St. Gallen
Grünbergstrasse 7
9000 St. Gallen
Telefon 071 228 55 50
E-Mail: info@lokremise.ch

www.lokremise.ch