© Annie Sprinkle

Annie Sprinkle: Anatomy of a Pin-Up
Photo: Zorro, © Annie Sprinkle


Sex in the City

Elke Krystufek
, Nadine Norman, Annie Sprinkle, Tany


"Sex in the City": Das erinnert an den Titel einer populären Lifestyle-Fernsehserie, die humorvoll den erotischen Verrenkungen neurotischer GrossstadtbewohnerInnen nachspürt. Doch ist "Sex in the City" auch eine Chiffre für die Transformation der Sexualität in Zeiten von Medien und Internet im hochrationalisierten, durchökonomisierten städtischen Umfeld. Sex bedeutet nicht ausschliesslich die unmittelbare Interaktion menschlicher Körper, sondern gewinnt im Zeitalter der Virtualität eine phantasmatische Dimension hinzu: Es kommt zu einem Spiel mit Ersatzangeboten, mit Phantasien, mit imaginären Projektionen von Sinnlichkeit auf Plakatwänden, in Filmen und in Popsongs samt dazugehörigen Videoclips, wobei zwischen dem sexuellen Wunsch und seiner Befriedigung häufig ein Mediator oder eine Mediatorin steht (Telefonsex, erotische Chats im Internet etc.).


Die Ausstellung "Sex in the City" zeigt die Auseinandersetzung von vier internationalen Künstlerinnen mit dem Thema weiblicher Sexualität und urbaner Gesellschaft:


Die französisch-kanadische Künstlerin Nadine Norman hat sich in zwei grösseren Projekten mit der gesellschaftlichen und ökonomischen Bedingtheit von Sexualität und Begehren auseinandergesetzt, die in der Ausstellung dokumentiert sind. In "Call Girl", einem umstrittenen und bis in das kanadische Unterhaus diskutierten Projekt, das 2000 im kanadischen Kulturinstitut in Paris stattfand, konnten Besucher vermeintliche Prostituierte für bestimmte Zeitspannen buchen, die ihnen dann für Gespräche zur Verfügung standen. Aus der Aufrechterhaltung der Strukturen eines Kundenverhältnisses entstanden intime Kommunikationsebenen, die um die Fragen der Verfügbarkeit, der Beziehung zwischen Geld, Macht und Körper kreisten. Auch in "Je suis disponible – et vous?" (Ich bin verfügbar – und du?), 2002, verknüpft Nadine Norman in Anspielung auf Kontaktanzeigen und Dating-Organisationen Charakteristika der kapitalistischen Arbeitswelt mit privaten, aber öffentlich verhandelten sozialen Wünschen und sexuellem Begehren.


Die junge japanische Künstlerin Tany schlüpft in ihrem Video "She loves SEX, and she hates SEX" (2001) in die Rollen von verschiedenen Frauen, die über ihre persönlichen Zugänge zur Sexualität sprechen: auch heute noch eine Tabuverletzung innerhalb der männlich geprägten, rigiden Normen der japanischen Gesellschaft. Aus den einzelnen Positionen, die zum Teil völlig fiktiv sind, zum Teil aber auf Gesprächen und Interviews mit Frauen basieren, erschliesst sich ein facettenreiches, vielfach gebrochenes und widersprüchliches Selbstporträt der Künstlerin. In der Videoarbeit "Dedicated to my Ex-Lover" (2001) verprügelt Tany ihren Exfreund, den Künstler Makato Aida. Ein gemeinsam inszenierter ironischer Akt des Ausgleichs für Aidas berufliche und private Erfolge seit ihrer Trennung und zugleich ein parodistisches Drama von Eifersucht und Schmerz.


Annie Sprinkle (USA) travestiert in ihren aufklärerischen Performances und Videoarbeiten die Legende von der heiligen Prostituierten und der wissenden Übermacht der weiblichen Sexualität. In Annie Sprinkle's "Herstory of Porn" (1999) erzählt Sprinkle, die Anfang der 80erJahre zu den ersten weiblichen Pornofilmregisseurinnen zählte, aus ihrem Leben als Pornodarstellerin und Performerin, das eine weibliche Emanzipationsgeschichte innerhalb der Sexindustrie und ironischerweise eine gleichzeitige Karriere im Kunstbetrieb darstellt. In "Sluts and Goddesses" (1992) wird Annie Sprinkle zur Sexologin und Lehrerin, in dem sie beschreibt "How to Become a Sex Goddess in 101 Easy Steps": wie man in 101 einfachen Schritten zur Sex-Göttin wird.


Elke Krystufek schliesslich spielt in ihren Videoarbeiten "It's a Small World" (1999) und "Paris is Burning" (1995) mit der performativen Vielfalt des sexuellen Auftritts: Eine Logistik der Jouissance, gesteuert von den Wunschmaschinen eines ökonomisch-erotischen Surplus.


Durch den Einsatz des Topos der Sexualität inszenieren alle vier Künstlerinnen der Ausstellung ganz bewusst auch ihren Auftritt als Frauen innerhalb eines Kunstmarkts, der an sie ebenso wie an uns Forderungen von Begehren und Verfügbarkeit stellt.


Kuratoren: Gerald Matt, Eva Kernbauer


Begleitend zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit Beiträgen von Meike Schmidt-Gleim und Andrea Salzmann / Julia Fuchs sowie ein ausführliches Interview mit den vier Künstlerinnen.
Deutsch, ca. 64 Seiten; ISBN 3-85247-048-X


Ausstellungsdauer: 5. - 27.9.2003 / 14. - 26.10.2003
Oeffnungszeiten: täglich 13 - 19 Uhr


Kunsthalle Wien
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