© Shirana Shahbazi


Shirana Shahbazi
Neue Arbeiten



Die in Zürich lebende und arbeitende Künstlerin Shirana Shahbazi (geb. 1974 in Teheran) bestreitet mit ihrem neuen Werkzyklus die erste Einzelausstellung in einer Galerie - nach zahlreichen Präsentationen in öffentlichen Institutionen im In- und Ausland. Spätestens seit Shirana Shahbazi dieses Jahr mit dem renommierten Citigroup Private Bank Photography Prize ausgezeichnet wurde, hat sich ihre in den letzten Jahren im Iran entstandene Bildserie "Goftare Nik / Good Words" dem öffentlichen Bewusstsein eingeprägt.

Der Titel dieser Serie greift auf die zoroastrische Weisheit des "Gute Gedanken, gute Worte, gute Taten" zurück und kann als umfassend angelegtes Bilderkompendium der iranischen Alltagskultur verstanden werden. Die zahlreichen farbigen Porträts, Landschaftsbilder und Stadtansichten basieren auf bewussten Inszenierungen oder rein zufälligen Momentaufnahmen. Sie verstehen sich einerseits als visueller Diskurs über den oftmals inflationären Gebrauch der Begriffe "Kultur" und "Tradition", "Fremdes" und "Eigenes", "Mythos" und "Realität". Andererseits lassen sie sich als Auseinandersetzung mit verschiedenen Bildtypen und -vorstellungen lesen, die für das kulturelle Gedächtnis und die alltägliche Wahrnehmung konstitutiv sind.

Shirana Shahbazi ist nach eigenen Worten sowohl in der iranischen als auch in der europäischen Kultur "beheimatet". So aufgefasst kann "Heimat" aber nicht mehr als historisch gewachsener Fixpunkt einer Lebenswelt gelten, sondern als Variable, die je nach politischen, ökonomischen, sozialen und ästhetischen Bedürfnissen konstruiert wird. Ebensowenig lässt sich der Schlüsselbegriff "Kultur" auf das sogenannt Typische einer Gesellschaft reduzieren. Die Fotografien von Shirana Shahbazi zeugen vielmehr von der Vagheit und der Vergeblichkeit des Bemühens, das eigentlich Persische oder das Authentische des Islams zu enthüllen. Dass eine tschadortragende Frau in einem multinationalen Unternehmen tätig ist und Modelabels amerikanisch-europäischer Provenienz trägt, lässt eher auf transkulturelle Überzeugungen und Praktiken schliessen. Umso mehr als dass eine universale Werbesprache mit ihren Ikonen Pepsi-Cola und Panasonic den (immer noch imperialen) Anspruch des Westens, sich das Fremde durch Entrückung und Überhöhung anzueignen, zunehmend fragwürdig erscheinen lässt.

In ihrem neuen, in unserer Einzelausstellung gezeigten Bildzyklus setzt Shirana Shahbazi die werkimmanente Logik fort. Die Fotografien sind in und um Zürich entstanden und werden, wie bereits in der Serie "Goftare Nik / Good Words", mit grossflächigen Malereien kombiniert, die die Künstlerin von iranischen Plakatmalern nach ihren eigenen fotografischen Vorlagen anfertigen lässt. Auch in der neuen Serie werden die Ähnlichkeiten und Differenzen der Medien Malerei und Fotografie in ein analoges Verhältnis gesetzt. Ebenso wird die künstlerische Auseinandersetzung mit kulturüberschreitenden Bildtypen weitergetrieben. Landschafts-, Architektur-, Historienbilder und Porträts stellen auch in den neuen Arbeiten allgemeine Formen dar, die unsere Wahrnehmung präfigurieren und beliebig mit individuellen Inhalten gefüllt werden können.

Auch die über die Medien vermittelten Bildklischees (Werbeposter, Reisebilder, Logos etc.) stellen eine Art stereotypen Fundus dar, aus dem die Künstlerin ihre Bildideen schöpft. Spätestens mit ihrem neuen Zyklus beugt Shirana Shahbazi der oftmals ethnographischen Interpretation ihres Werkes vor. Da sich die neuen Arbeiten aus der westlichen Bildkultur speisen und daher des verführerischen Glanzes des Unbekannten entbehren, sind wir nicht nur gezwungen darauf zu reflektieren, unter welchen Bedingungen so etwas wie eine Weltsicht überhaupt entsteht. Wir ertappen uns auch dabei, in welchem Masse wir die eigenen Lebensformen zur definitiven Norm erklären, an der wir andere Kulturen messen. Insofern können wir auch getrost eingestehen, dass "die westliche Kultur jämmerlich versagt, wenn sie andere Kulturen imaginieren soll" (Terry Eagleton).

(Text: Birgid Uccia)


Ausstellungsdauer: 24.8. - 12.10.2002
Oeffnungszeiten: Di-Fr 12-18 Uhr, Sa 11-16 Uhr
und nach telefonischer Verabredung


Galerie Bob van Orsouw
Löwenbräum-Areal
Limmatstrasse 270
8005 Zürich
Telefon: 01 273 11 00
Fax: 01 273 11 02
E-Mail: mail@bobvanorsouw.ch


zum Seitenanfang