© Sonja Braas

Sonja Braas: Forces 21, 2003
C-Print, Diasec, 170 x 150 cm


Sonja Braas
Forces

Istvan Balogh
Tresholds and Gaps



Die Fabian & Claude Walter Galerie zeigt Fotografien der 1968 in Siegen geborenen und heute in New York lebenden Künstlerin Sonja Braas. In einer Sideshow sind gleichzeitig im hinteren Teil der Galerie Werke des Zürcher Fotokünstlers Istvan Balogh (*1962) zu sehen. Zwei künstlerische Positionen, wie sie auf den ersten Blick nicht unterschiedlicher sein könnten: Braas' Aufnahmen von scheinbar unberührten Winterlandschaften stehen in offensichtlichem Kontrast zu den auf Anhieb als inszenierte Tableaus irrealer (zwischen)menschlicher Situationen erkennbaren Fotografien Istvan Baloghs. Bei näherem Hinschauen jedoch eröffnen sich Parallelen und Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Werkgruppen, die auf unterschiedliche Weise ähnliche Errungenschaften und Möglichkeiten zeitgenössischer Fotokunst ausschöpfen und gleichzeitig kritisch beleuchten.


Sonja Braas zeigt in ihren "Forces" Naturgewalten - wild, ungebändigt, von der Zivilisation unberührt. Sich auftürmende Gewitterwolken, steil in den Himmel ragende Bergmassive, ewige Schneefelder; die Kamera befindet sich inmitten dieser gewaltigen Szenarien, scheinbar losgelöst vom Griff der Fotografin, in absoluter Negation menschlicher Präsenz. Die Fotografien scheinen einem romantischen Naturbegriff entsprechen zu wollen, und tatsächlich glaubt der Betrachter beim Anblick dieser monumentalen Bilder etwas von der romantischen Erhabenheit der Natur zu erahnen.


Doch die Künstlerin führt den Betrachter hinters Licht und jegliches romantische Naturverständnis zugleich ad absurdum: Während rund die Hälfte der Aufnahmen tatsächlich in freier Natur entstanden sind, wurden die restlichen Fotografien inszeniert, die Landschaften im Studio in akribischer Kleinstarbeit arrangiert und fotografiert.


Das traditionelle Verständnis der Fotografie als dokumentarisches, die Realität abbildendes Medium und das im Zeitalter der digitalen Bildverarbeitung entstandene Konzept der inszenierten und manipulierten Fotografie werden in den "Forces" kombiniert und gleichzeitig in ihrer Gegensätzlichkeit relativiert. Indem das Bild der unberührten Natur nämlich in den inszenierten Fotografien als Trugbild entlarvt wird, wird zugleich klar, dass auch jede sogenannt dokumentarische Fotografie und letztendlich jeder Blick des Menschen auf die Natur inszeniert im Sinne von nach persönlichen Voraussetzungen und Erwartungen konstruiert ist. Die romantische Vision einer ursprünglichen, von der menschlichen Zivilisation unberührten Natur wird als Utopie entlarvt.


© Istvan Balogh

Istvan Balogh: o.T., 2004
Lambda-print auf Alu, 100 x 126 cm


In Umkehrung dazu ist Istvan Baloghs irritierenden Bildern ein dokumentarischer Aspekt nicht abzusprechen. Seine Fotografien sind meist analog und bilden eine real vorhandene Situation ab, eine Situation allerdings, die von dem Künstler wie von einem Regisseur szenographisch gestaltet und mit irrealen Momenten versehen wurde.


Die erzählerische Struktur der Fotografien Baloghs animiert den Betrachter dazu, in seiner Erinnerung nach entsprechenden Situationen zu suchen und die Szene mit persönlich erfahrenen oder zumindest indirekt angeeigneten Begebenheiten zu verbinden. Doch genau hier öffnet sich der "gap", ein unüberbrückbarer Sprung in der narrativen Struktur, der die Verbindung der fiktiven Szene mit realen Geschehnissen verhindert.


Betrachten wir zum Beispiel die Frau mit dem Cellokasten: ein an und für sich alltäglicher Anblick, doch die Maske auf dem Gesicht der Musikerin verunsichert, lässt sich nicht einordnen. Ist die Frau eine Spionin? Oder gar eine Verbrecherin, Terroristin? Und was befindet sich dann in dem harmlos erscheinenden Cellokasten? Wir nehmen die Frau als wirkliche dar und doch lässt sie sich nicht in unser Bild von Wirklichkeit einordnen, wirkt irritierend, verunsichernd. Baloghs fotografische Arbeiten, anzusiedeln an der Schwelle ("treshold") zwischen Realität und Irrealität, stellen die Fähigkeit des menschlichen Auges als Vermittler von objektiver Wirklichkeit in Frage, ähnlich wie es die inszenierten Landschaften von Sonja Braas tun.


Ausstellungsdauer: 2.4. - 21.5.2005
Öffnungszeiten: Di-Fr 12 - 18 Uhr, Do 12 - 20 Uhr,
Sa 11 - 16 Uhr und nach Vereinbarung


Galerie Fabian & Claude Walter
Limmatstrasse 270
8005 Zürich
Telefon 044 440 40 18
Fax 044 440 40 19
Email galerie@fabian-claude-walter.com

www.fabian-claude-walter.com