Steeve Iuncker: Xavier, '96-'98

Steeve Iuncker - Xavier, '96-'98

Steeve Iuncker, 30jähriger Fotograf aus Genf, traf Xavier zufällig in einer Galerie in Genf und fragte ihn, ob er ihn fotografieren dürfe. Nach anfänglichem Zögern willigte Xavier ein, und so trafen sich die beiden fortan jeden Donnerstag-nachmittag, pünktlich um 15 Uhr, egal ob guter oder schlechter Laune, Lust oder Unlust, und zwar jeweils an dem Ort, wo sich Xavier zu diesem Zeitpunkt gerade aufhielt - zu Hause, in der Klinik oder im Pflegeheim. Steeve Iuncker machte jeweils 12 Fotografien, 95 Wochen lang. Zudem drehte er einen 16mm Film und machte dabei Tonbandaufnahmen.

Aus diesen rund 1200 Fotografien hat Steeve Iuncker eine Reihe von schwarzweissen und farbigen Fotografien ausgewählt, sie chronologisch und rigoros gehängt. Steeve Iuncker wollte nicht nur den körperlichen Zerfall von Xavier chronologisch dokumentieren, auch nicht das durch die Krankheit zum Aussenseiter gestempelte Individuum über die Kunst wieder in die Gesellschaft zurückführen, er wollte hauptsächlich, ohne falsches Pathos, ohne Gefühlsduselei, einen Menschen fotografieren, wie er die Tatsache des bevorstehenden Todes erlebt, physisch und psychisch, wie er damit umgeht. Er wollte das betrachten, was unsere Gesellschaft so gerne ausschliesst: das Leben angesichts des Todes, der "Tod als Arbeit", wie Cocteau es einst sinngemäss formuliert hat.

Schauen wir die Porträts genauer an, dann sehen wir nicht nur Angst, Schrecken ins Gesicht geschrieben, sondern wir erkennen auch Spass und Freude, manchmal Ausgelassenheit. Entsprechend seiner Launen und Stimmungen kommt er anders daher, als junger eleganter Mann, als extravagante Dragqueen, als kranker Mensch. Mit diesen selbstgewollten Rollenspielen ging Xavier über sich hinaus, begann sich selbst zu entdecken und sich letzte Male besser kennenzulernen.

Entstanden ist aus dieser Kollaboration, in der beide, der Fotograf und der Fotografierte, ihren Spielraum hatten und selbständig in der Interaktion handelten, eine Porträtserie von höchster Eindringlichkeit, die, wie selten, Leben und Tod als Partner erscheinen lässt - bei Xavier, aber auch für uns alle, unabhängig davon, an welcher Krankheit oder unter welchen Umständen wir sterben müssen.


Ausstellungsdauer: 3.5. - 1.9.2000
Oeffnungszeiten: Di - Fr 12-17 Uhr

Coalmine-Fotogalerie
im Volkarthaus
Turnerstrasse 1
8401 Winterthur
Telefon 052 268 68 68

Das Volkarthaus befindet sich gegenüber dem Hauptbahnhof, links hinter der Hauptpost.