© Susanne Hofer

Almost There, 2007
Video still


Susanne Hofer
Almost There



Fast schon da, beinahe dort, bereits knapp davor - Gefühle von Erwartung und Vorfreude, Aufbruch und Zielstrebigkeit. Dazwischen sein, noch nicht wirklich angekommen. Aber auch Momente des Aufgebens, des Verlassens und einer gewissen Raum- und Zeitlosigkeit. Susanne Hofer entwirft in ihrer Videoinstallation "Almost There" ein Geflecht von audiovisuellen Sequenzen und räumlichen Elementen, die dieses emotionale Spektrum, diese aus dem Lebensalltag bekannten und vielschichtigen Augenblicke auf einer grundsätzlichen Ebene artikulieren: einen Ort verlassen, ausziehen, lieb gewonnene Anordnungen auflösen und Wohnsituationen verändern, sich weiterbewegen und verändern. Sie verwebt dabei Aspekte der individuellen Inbesitznahme von Orten, die ritualisierten Gesten und Handlungen der Aneignung eines privaten Terrains, mit Bildern des gleichsam unpersönlichen Zwischenraums, der durchquerten Stadtteile, die sich wie Perlen auf dem Weg von einem Ort zum anderen aneinanderreihen.


In der Anordnung als Zwei-Kanal-Videoprojektion sind die nebeneinander platzierten Projektoren auf die gegenüberliegende Wand ausgerichtet, die von dicht nebeneinander gestellten Kartonelementen fast verdeckt ist. Susanne Hofer setzt so den gewissermassen ephemeren "Lichtbildern" der Videos die Körperlichkeit der zu Türmen, Boxen und Barrieren geschichteten Pappformen entgegen. Diese fungieren dabei einerseits als Projektionskörper, als Bildträger der verschiedenen Videosequenzen, andererseits bilden sie - neben der Bildsprache im Video - eine (formalästhetisch) verbindende Struktur, die der Installation ihre physische Präsenz verleiht, sie aber auch rhythmisiert und räumlich gliedert. Doch erst die Videos, die auf die Kartonkörper und -flächen projiziert sind, differenzieren den "Kartonhaufen" inhaltlich. Die Projektion der entsprechenden Bildsequenzen verwandelt die Quader, Würfel und Flächen in Teile eines Innenraums, in Mobiliar oder Wandstücke, in Häuserfassaden, Strassenzüge oder Ladenfronten. Teile der gestaffelt positionierten Kartonelemente liegen jedoch im Schatten, und zwar infolge ihrer Anordnung und der Ausrichtung der Projektoren sowie aufgrund optischer Gesetzmässigkeiten. "Rohe", "unbelichtete" braune Pappoberflächen kontrastieren so unmittelbar mit den Partien, die direkt von den Lichtkegeln der Projektoren getroffen werden. Zugleich verunklären gerade diese dunklen Stellen das räumliche Gefüge der Installation, sie brechen die perspektivische Organisation der Videosequenzen und Projektionskörper auf; indirekt verweisen sie auf visuelle Informationen, die im Schatten des davor geschobenen Objekts liegen und die zwar nicht sichtbar, aber im Video doch vorhanden sind.


Die Videokanäle gliedern die Installation in zwei Bereiche, einen im Innenraum lokalisierten Sektor und den Aussen- oder Stadtraum. So zeigt das Video im linken Teil der Installation Aufnahmen von Wohnräumen, das Flimmern eines Fernsehers und sich wiederholende, sinnlos erscheinende Handlungen: Pflanzen werden in einen Blumenkasten erst ein-, dann wieder ausgepflanzt, Kleider von der Stange genommen und dann wieder hingehängt, eine Wand wird mehrmals überstrichen, bis zuletzt wieder die anfängliche Farbe aufgetragen wird. Das Material des anderen Videos umfasst hingegen Häuserfassaden, die zum Teil eingerüstet sind, und Ladenlokale sowie eine Person, die einen grossen Umzugskarton durch die Stadt trägt. Mit zügigem Schritt geht sie an Umzäunungen, Buschhecken und Schaufenstern vorbei, ihre markante Silhouette hebt sich vor Brückenpfeilern, Fassaden und Bretterverschlägen ab. Die unterschiedlichen Soundspuren unterstreichen die Trennung in einen eher intimen (Wohn-)Raum und den öffentlichen Stadtraum, die Abgrenzung von privater Ordnung und Gestaltung sowie anonymer Lebenswelt und deren Organisation.


Susanne Hofer entwickelt in "Almost There" vielschichtige Raumgefüge, in denen sich die Konzeption des (an sich flachen) Bildraums im Video und die im Realraum vorliegende Staffelung und Organisation der Kartonelemente auf subtile und spannungsvolle Art verdichten. Während der Hintergrund der Videoinstallation von ruhigen, fast statischen Bildern und langsamen Bildwechseln geprägt ist, zeichnet sich der Vordergrund durch Bewegung und kurze, handlungsreiche Bilderfolgen aus. Sowohl die exakte Positionierung und Ausrichtung der einzelnen Videobilder sowie der minutiöse Videoschnitt als auch die präzise Platzierung und Formung der Kartonstrukturen verleihen der Installation ihren eigentümlichen Charakter, der zwischen Anekdotischem und Allgemeingültigem, beiläufig Beobachtetem und sorgfältig Komponiertem oszilliert. Die Künstlichkeit und Unwirklichkeit, die sich bei längerer Betrachtung einstellen, resultieren dabei ebenso aus der Verschränkung der verschiedenen räumlichen, perspektivischen Systeme als auch aus dem inhaltlichen Spektrum. Ausgehend von individuellen Handlungen und subjektiven Situationen schält Susanne Hofer Muster und gleichsam kollektiv verankerte Topoi heraus: die Suche nach einem zugehörigen Ort, der Beginn von neuen Lebensabschnitten und letztlich auch die Konstitution einer eigenständigen Identität.


Text: Irene Müller, Juli 2007


Susanne Hofer, geboren 1970, besuchte von 1990 bis 1995 die Hochschule für Gestaltung Luzern. Seit 1997 hat sie verschiedene Auslandaufenthalte absolviert und Atelierstipendien gewonnen, wie Berlin, Paris, Chicago und New York. Ausserdem erhielt sie verschiedene Auszeichnungen und gewann diverse Preise: 2005 (zusammen mit Urs Hofer) einen Werkbeitrag von Stadt und Kanton Luzern sowie den Kulturwettbewerb Wirtschaft und Kultur Willisau für das Projekt "die Stellvertreterin". 2002 den Preis der Kunstgesellschaft Luzern. 2001 und 1996 erhielt sie einen Werkbeitrag von Stadt und Kanton Luzern, zusammen mit Marianne Halter 1998 das Stipendium VideoOst und 1996 den Preis der Videowerkschau Schweiz an der Viper in Luzern.


Ausstellungsdauer 23.8. - 6.10.2007

Oeffnungszeiten Mi-Fr 14 - 19 Uhr, Sa 13 - 17 Uhr


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