© Pascale Wiedemann / Daniel Mettler

Pascale Wiedemann / Daniel Mettler: morbus bestia, 2007


Pauline Boudry, Gabi Deutsch, Bettina Disler, Andreas Tschersich, Nina Stähli, Pascale Wiedemann / Daniel Mettler

...then we take Berlin. Part 2



In loser Reihe zeigt das Substitut unter dem Titel "...then we take Berlin" Künstler/innen aus der Schweiz, die in Berlin leben und arbeiten oder ihren Umzug planen.


Pauline Boudry, bekannt durch die Band "rhythm king and her friends", zeigt den Film "Normal Work", der in Zusammenarbeit mit Renate Lorenz entstanden ist. Dazu zeigt sie eine Fotoserie. "Der Ausgangspunkt des Filmes sind aussergewöhnliche Selbstportraits einer "maid of all work", Hannah Cullwick, aus dem viktorianischen London. Vier der Fotografien, die Hannah Cullwick als Hausangestellte, als bürgerliche Frau, als bürgerlichen Mann und als "Sklaven" zeigen, werden im Film reinszeniert." (Zitat aus der Dokumentation von Boudry) Der Film erforscht den Zusammenhang von Arbeit, Sexualität und sadomasochistischer Praktik. "Normal Work" wurde 2007 mit einem Swiss Art Award ausgezeichnet.


Eine ganz andere Person spielt ein Rolle in der Videoinstallation von Bettina Disler. Die allererste Sendung, welche die Künstlerin in Berlin sah, als sie hier erstmals den Fernseher einschaltete war "astro-tv", das eine "hellsichtige Intensivberatung" anbot. Die Wahrsagerin starrt jedoch einsam in die Kamera, denn keiner nimmt ihre Dienste in Anspruch, trotz intensiver Beschwörung der Zuschauer/innen. Bis ein Mädchen den Raum betritt, die Telefonnummer an die Wand kritzelt und das Telefon klingelt...


Unheimliches geschieht auch in der "Arche Noah" von Pascale Wiedemann und Daniel Mettler. Batteriebetriebene, enthaarte Tierchen werden eingepfercht und harren ihrer Verwandlung (Video "arche noah", 2007). Die grossformatigen Fotografien "morbus bestia 1-6" (2007) sind Porträts einzelner Viecher, deren weisse Körper an japanische Roboter erinnern. Wiedemann/Mettler thematisieren in ihrer Arbeit unter anderem die Frankenstein-Geschichte. Von Menschen geschaffene, scheinbar harmlose Wesen werden im wahrsten Sinne des Wortes entblösst und offenbaren monsterhafte Eigenschaften; das Machtgefüge Mensch-Tier beginnt zu bröckeln.


Kreaturen zwischen Tier und Monster sind auch die 101 "touching heroes" von Nina Stähli. "Zwischen Puppe und Maskottchen, zwischen archaischer Plastik und expressiver Skulptur sind die Figuren nicht eindeutig lesbar." Stähli lässt die Figuren jeweils im öffentlichen Raum auftreten. Ausgangspunkt war der Helvetiaplatz in Zürich. Im Substitut präsentiert die Künstlerin eine Dokumentation der Aktion III "system&uniform", welche sie anlässlich der "Westerweiterung", einer Ausstellung im August im Wedding organisiert hatte.


Andreas Tschersich lebt in Berlin und Biel. Im Substitut zeigt er eine grossformatige Fotografie des Breithorns. Auf den ersten Blick überwältigt die Erhabenheit des Bergbildes. Dieses offenbart sich aber rasch als keineswegs klassische Bergfotografie. Tschersich stellt die Ambivalenz der Natur in den Mittelpunkt. Das Erhabene kippt ins Verlassene, das Berückende ins Bedrückende.


Gabi Deutsch erweitert in ihren neueren Werken die Malerei in den Raum. An der Wand hängt ein herbstlich bunter Blätterwald. Davor steht eine Skulptur aus golden gefärbten Teilen von Holzstühlen. Je nach Perspektive ergänzt sich das Ganze zu einem Baum. Sowohl die Arbeitsweise der Künstlerin wie auch die Blicke der Betrachter/innen trennen und führen zugleich zusammen. Die Arbeit stimmt leicht melancholisch, jedoch keineswegs triefend ernst, scheint sich die Kombination doch fast lustig zu machen über die herbstliche Melancholie und über den offensichtlichen Zusammenhang Baum-Holz-Stuhl.


Urs Küenzi


Ausstellungsdauer 11.1. - 16.2.2008

Oeffnungszeiten Mi/Do 16 - 19 Uhr, Fr 16 - 21 Uhr,
Sa 14 - 18 Uhr


Substitut - Raum für aktuelle Kunst aus der Schweiz
Torstrasse 159
D-10115 Berlin
Telefon +49 (0)1577 291 2882
Email info@substitut-berlin.ch

www.substitut-berlin.ch


Substitut - Raum für aktuelle Kunst aus der Schweiz
Auf der Basis eines nicht profitorientierten Ausstellungsraumes werden Künstler/innen aus der Schweiz in Berlin gezeigt und vernetzt. Längerfristig soll der gegenseitige Austausch Schweiz-Berlin und umgekehrt gefördert werden. Substitut spielt im Namen auf Institut sowie Subkultur oder gar Subversion an. Der Name drückt aus, dass es sich nicht um einen reinen Off-Space oder eine reine Institution handelt, sondern um eine Mischung. Substitut im Sinne von Ersatz kann zudem auch kritisch auf die Rolle der Kunst in der Gesellschaft bezogen werden und ist zugleich eine künstlerische Arbeitsweise. Substitut ist ein Projekt von Urs Küenzi (Kunsttheoretiker und freier Kurator, Zürich. Gründer des White Space in Zürich, www.whitespace.ch).