© Thomas Demand / VBK, Wien, 2004

Ghost, 2003
122 x 160 cm, C-Print/ Diasec
© Thomas Demand / VBK, Wien, 2004
Courtesy Victoria Miro Gallery


Thomas Demand
Phototrophy



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Die Ausstellung im Kunsthaus Bregenz ist die erste umfangreiche Präsentation von Thomas Demand (geb. 1964 in München) in Österreich. Zudem ist es die bislang umfassendste Schau von Schlüsselwerken seines Schaffens von 1994 bis heute. Gezeigt werden auf vier Stockwerken nahezu 25 grossformatige Fotoarbeiten, darunter zwei monumentale Fototapeten sowie ein Kurzfilm.


Demands Fotografien einer Küche, eines Copyshops oder einer Parkgarage lösen die Erwartungen des Betrachters nicht ein. Was auf den ersten Blick wie die Reproduktion alltäglicher Orte wirkt, erweist sich bei genauem Hinsehen als gebaute Rekonstruktion der Wirklichkeit, die den Effekt einer Fälschung hat: Menschenleere und Zeichenlosigkeit.


Auf seinen Fotografien bildet Demand perfekt ausgeleuchtete Räume und Architekturen ab, die er der Wirklichkeit entlehnt und aus makellosem Papier in Originalgrösse nachbaut. Er selbst spricht von "lebensgrossen Environments", die er wieder zerstört, nachdem er sie fotografiert hat. Man meint sich bei seinen Bildern, die stets eine skulpturale Seite aufzeigen und häufig eine filmische Perspektive einnehmen, an bereits Gesehenes zu erinnern. Sie benennen die graue Ästhetik moderner Verwaltung und Architektur: das Büro, das Archiv oder den Etagenflur in typischer Erscheinungsform. Das Zitat erscheint so bekannt, dass sich die Frage nach dem realen Vorbild stellt. Diese Vorlagen gibt es, und Demand wählt sie sehr bewusst aus historischen, politischen und kriminalistischen Dokumentarfotografien aus.


Seit Mitte der 90er-Jahre sammelt der Künstler fotografische Vorlagen, die durch die Medien bereits einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangt haben, und nutzt sie - wie etwa die Aufnahme, die den toten Uwe Barschel in der Badewanne eines Genfer Hotels zeigt - als Ausgangspunkt für seine künstlerischen Arbeiten ("Badezimmer", 1997). Gleichzeitig löst sich Demand von seinem Ausgangsbild, indem er Details und erzählerische Momente eliminiert und die Vorlage so entleert und verdichtet. Bei der Auseinandersetzung mit fotografischen Zeitdokumenten standen in den vergangenen Jahren nicht nur tagespolitische Ereignisse im Mittelpunkt. Es sind biografische Orte darunter, durch Medien berühmt gewordene Schauplätze bis hin zu regelrechten Tatorten. Die Lesarten seiner Arbeiten lassen sich jedoch, auch wegen der sehr offen gehaltenen Titel, nicht auf ihren anekdotischen Aspekt reduzieren. Mit der Künstlichkeit seiner gebauten Welten nimmt Demand einen Realitätsbegriff auf, der für die Wahrnehmungserfahrung einer technologisierten und medialisierten Zeit signifikant ist.


Neben speziell für den Zusammenhang dieser Ausstellung entstandenen Arbeiten sowie ausgewählten Werken entwirft Thomas Demand für das Kunsthaus Bregenz auf zwei Stockwerken umfassende, die Architektur der Ausstellungsräume wesentlich verändernde Rauminstallationen.


Im Erdgeschoss lässt Demand im Rahmen der Reihe "KUBArena" in der Mitte einen temporären Raum entstehen. Zwei über 40 und 30 Meter lange, von der Decke bis zum Boden reichende Vorhänge bewegen sich diagonal - vom Lasten- und vom Personenlift kommend - über Schienen spiralförmig in den Raum hinein. So entsteht vorübergehend ein ovaler Innenraum, der mit dem Öffnen der Vorhänge nach einiger Zeit wieder verschwindet. In einem zeitlichen Intervall von einigen Minuten baut sich allmählich ein abgedunkelter Projektionsraum auf, in dessen Innerem eine 35-mm-Filmprojektion mit dem neuesten Kurzfilm Demands läuft. Der Film "Trick" (2004) zeigt drei sich drehende, jonglierende Teller auf einem Tisch, der die Vorhangarchitektur bildlich fortsetzt. Durch die von Motoren angetriebenen, in den Raum gleitenden Vorhänge ergeben sich Spiralformen, die Architekturgefüge und Lichtsituation im Erdgeschoss kontinuierlich verändern. Die Gestaltung wurde vom Künstler in Zusammenarbeit mit den Londoner Architekten Adam Caruso und Peter St John entwickelt. Die Formen erinnern indirekt an eine Raumgestaltung der Innenarchitektin Lilly Reich für das Café "Samt und Seide" mit geschwungenen Seidenvorhängen aus dem Jahre 1928.


Im ersten Stock des Kunsthauses werden zwei grossformatige, extra für die Ausstellung gefertigte Betonwände von der Decke abgehängt (3 m hoch x 12,50 m lang und 3,20 m hoch x 9,15 m lang), die Materialien und Formen des bestehenden Raumes aufnehmen, ihn damit aber völlig neu gestalten. Die Wände dienen als Träger für die zwei monumentalen Fototapeten "Lichtung/Clearing" (2003) und "Fassade" (2004). Die im Raum "schwebenden" Ausstellungswände beziehen sich auf Mies van der Rohes Entwurf eines "Museums für eine kleine Stadt", der eine grossformatige hängende Wand vorsah.


Ausstellungsdauer: 18.9. - 7.11.2004
Oeffnungszeiten: Di-So 10 - 18 Uhr, Do 10 - 21 Uhr
Mo geschlossen


Kunsthaus Bregenz
Karl Tizian Platz
A-6900 Bregenz
Telefon +43 5574 48594-0
Fax +43 5574 48594-8
Email kub@kunsthaus-bregenz.at

www.kunsthaus-bregenz.at




Thomas Demand
Phototrophy



The exhibition at Kunsthaus Bregenz is the first comprehensive presentation of the work of Thomas Demand (born in Munich in 1964) in Austria. Moreover, it will be the most extensive survey to date, with major works from 1994 till the present.


Demand's photographs of a kitchen, a copy shop, or a parking lot do not live up to what the observer expects of them. What at first glance seems to be the reproduction of everyday places reveals itself upon closer inspection as a man-made reconstruction of reality that has the effect of a forgery: devoid of people and symbols. In his photos, Demand portrays perfectly illuminated rooms and architecture he has taken from reality and rebuilt out of immaculate paper in original-size dimensions. He himself speaks of "life-size environments", which he destroys after he has photographed them.


Since the mid-nineties, the artist has been collecting photographic material that has already gained a certain degree of recognition via the media, using it - like the photo showing Uwe Barschel in the bathtub of a hotel in Geneva - as the point of departure for his artworks ("Bathroom", 1997). At the same time, Demand distances himself from the original photo by eliminating details and narrative moments, thus emptying the original model while condensing it.


In addition to the works created especially for this exhibition as well as a selection of works from the past, the exhibition will also include two installations Thomas Demand has designed for the Kunsthaus Bregenz which will be shown on two floors, where they will fundamentally transform the architecture of the exhibition spaces.


On the ground floor, Demand will create a temporary space as part of the "KUB Arena" series. Two more than 130- and 99-footlong ceiling-to-floor curtains, running along tracks and starting from the freight and passenger elevators, spiral diagonally toward the center of the room. During intervals, a dark projection room is created where one can watch Demand's most recent 35 mm short film "Trick" (2004), which depicts three spinning plates on a table visually taking up the curtain installation. The motorized movement of the curtains through the foyer produces spiral patterns which continuously alter the ground floor layout and lighting situation. The architectural design was developed by the artist in cooperation with the London architects Adam Caruso and Peter St John.


On the second floor, two enormous concrete walls, one 9'10'' high by 41' wide and the other 10' 6'' high by 30' wide, have been suspended from the ceiling, absorbing the materials and forms of the existing space, but refashioning them completely. The walls serve as mounting surfaces for the two monumental photo murals "Lichtung/Clearing" (2003) and "Fassade" (2004). The two walls hovering in the exhibition space make reference to Mies van der Rohe's design of a "Museum for a Small City", which suggests a large suspended wall.


September 18 - November 7, 2004