© Trisha Donnelly

The Grounding, 2004
RC print, 147.3 x 120.65 cm


Trisha Donnelly


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Eine Ausstellung der amerikanischen Künstlerin Trisha Donnelly (geboren 1974, lebt und arbeitet in San Francisco) konfrontiert das Publikum immer mit der Erfahrung von Möglichkeiten und gelegentlich auch mit schierer Abwesenheit. Die Künstlerin arbeitet mit vielen Medien: Zeichnung, Video, Fotografie, Ton, Text und Performance (von Trisha Donnelly als "Demonstrationen" bezeichnet) - aber immer lotet ihr Gebrauch der Medien den Ort aus, wo die "Dinge" erst eigentlich ihre Existenz und ihre Bedeutung erhalten.


Wenn Trisha Donnelly ein Foto einer Sphinxfigur "Hands that hold the Desert Down" (2002) betitelt, dann ändert sie nicht nur unsere Wahrnehmung dieses allzu bekannten Fotos (wenn es Realität wäre, dass die Wüste, der Sand der Wüste nur durch die massiven Läufe der Sphinxen sicher gehalten wären, was passiert, wenn sie aufstehen und sich davon machen, verschwindet dann auch die Wüste?), sondern auch die Bedeutung von Bildern allgemein und das Verhältnis von Sprache zu Bildern.


Wenn Trisha Donnelly mit der Soundarbeit "The Shield" (2004) Töne in physische Anwesenheit wandelt, indem sie mit einer ausgefeilten Tonfolge von sonoren tiefen bis metallisch hohen Tonfolgen und mit technischer Soundpräzision einen Raum mit einer nichtmateriellen Wand trennt, dann wandelt sie sinnliche Wahrnehmung von einem Sinn in den anderen, und spielt mit den Grenzen dieser Wahrnehmung, mit Realitäten, mit Sprache, Erfahrung und Zuordnung.


Synästhesie, also die Überlagerung oder gleichzeitige Wahrnehmung sonst getrennt erlebter Sinneseindrücke spielt im Werk der Künstlerin eine grosse Rolle (Farbensehen bei Buchstaben oder Zahlen, die Wahrnehmung von Formen beim Hören von Musik und vieles mehr). Dies nicht als Hinweis auf eine übersteigerte und überhöhte Wahrnehmungsfähigkeit der Künstlerin (oder von Künstlern im Allgemeinen), sondern als Möglichkeit und Durchlässigkeit zu einer Rekonfiguration von Realität.


Immer sind die Arbeiten der Künstlerin auf Momente absoluter Konzentration gerichtet - und immer auch auf die Gleichzeitigkeit von Magie, Irritation und einer konstruktiven Leerstelle. Immer auch führt uns ihre Arbeit über das, was wir auf den ersten Blick, die erste Begegnung, die erste Erfahrung meinen zu erfassen hinaus und kreiert ein in jedem individuellen Betrachter ein anders realisiertes Wechselspiel von Physischem und Imaginiertem, Realem und Fiktivem.


Trisha Donnellys Performances werden nie dokumentiert: Sie existieren als mündliche Überlieferung derer, die sie miterlebt haben, also in zahlreichen individuellen Versionen. Zur Eröffnung einer ihrer ersten Einzelausstellungen 2000 in der Casey Kaplan Gallery in New York ritt die Künstlerin hoch zu Ross als Kurier Napoleons in die Galerieräume, verkündete die Kapitulation des Kaisers (u.a. mit den Worten: "Er hat kapituliert, jedoch nur im Wort, nicht im Willen.") und ritt die Worte deklamierend "Ich bin elektrisch, ich bin elektrisch" wieder davon.


In einer anderen ihrer Demonstrationen bat sie das Publikum laut aus dem Libretto von Alexander Skrjabins unvollendeter Symphonie "Mysterium" vorzulesen - Skrjabin soll Synästhet gewesen sein, und diese Symphonie plante er als 7-tägiges Spektakel sinnlicher Sensationen, aus Musik, Text, Tanz, Licht, Feuer, Geruch. Nach der Lesung löschte die Künstlerin das Licht und spielte eine Aufnahme eines Musikstückes, während sie erläuterte, dass sie diese Aufnahme während einer Sonnenfinsternis gefunden habe. Nach ihrem Vortrag teilte sie mit, dass sie den nächsten Morgen des gesamten Publikums in Beschlag nehmen werde, und platzierte sich so im Bewusstsein jedes einzelnen Teilnehmers der Performance, eignete sich sowohl deren Zeit an, wie sie diese in ein Kunstwerk verwandelt.


Alle Aktionen der Künstlerin sind mit grosser Konzentration und mit faszinierender Intensität ausgeführt - und sie spielen mit Gruppenphänomenen, kultischer Praxis und Mythenbildung - aber vor allem mit einer konsequenter Fortsetzung konzeptueller Kunstpraxis, die die Realisierung des Werkes immer erst im Betrachter, der Betrachterin selbst versteht.


Immer häufiger delegiert Trisha Donnelly die "Aktion" selbst an das Publikum oder einen ausgewählten Protagonisten: Die Fotoarbeit "The Redwood and the Raven" (2004) etwa besteht aus 31 kleinformatigen s/w Fotos, für die Donnelly der Tänzerin Frances Flannery einen bestimmten Bewegungsablauf vorgab, den sie fotografisch dokumentierte. Gezeigt aber wird die Arbeit nur jeweils mit einem Foto, das von der Galerie, der Institution, dem Sammler jeden Tag der Präsentation gewechselt werden muss. Das Bild selbst schafft es nicht einen Bewegungsablauf in der Zeit zu dokumentieren; die Fehlstelle, der Übergang werden zentraler als das fixierte Bild.


Viele der Foto- und Tonarbeiten handeln von Ereignissen, die sich ankündigen, aber nicht vollziehen - was genau geschehen wird bleibt offen oder ist das Ergebnis unserer Fantasie, unserer Erinnerung, unserer Vermutung. Die Tonarbeit "Dark Wind" (2002) gibt periodisch das Geräusch eines heulenden Windes wieder - ein Erlebnis, das wir aus den frühen Westernfilmen kennen könnten, in denen der "Dark Wind" beliebt war, um ein Ereignis anzukündigen.


Die Fotoarbeit "The Black Wave" (2002) zeigt das Naturphänomen der grössten Wellenausdehnung vor oder nach einem Sturm. Wind und Wasser, Ton und Bild weisen auf ein Ereignis, auf einen möglichen Vollzug, eine Veränderung. Und wie alle Arbeiten Trisha Donnellys realisiert sich auch hier das Werk mehr in einem System unterschiedlicher Verweise, denn aus Material. Angesiedelt zwischen Erfindung, wissenschaftlicher Analyse, Willens- und Vorstellungskraft wirken ihre Werke im Ephemeren, zuweilen Beiläufigen und stellen profunde Fragen über das was Kunst ist, welcher Realität wir vertrauen, und wie wir diese in den Zwischenräumen von Materie und Geist, Abstraktion und Erfahrung, Glauben und Wissen konstruieren.


Die Kunsthalle Zürich dankt: Präsidialdepartement der Stadt Zürich, Deutsche Bank Stiftung.


Zur Ausstellung erscheint ein Katalog in Zusammenarbeit mit dem Kölnischen Kunstverein. Für die als Künstlerbuch konzipierte Publikation wird Trisha Donnelly eine spezielle Bildserie erarbeiten. Texte von Daniel Baumann, Trisha Donnelly und ein Gespräch zwischen Nancy Spector und John Miller über das Werk der Künstlerin.


Unser Vermittlungsprogramm wird unterstützt durch
Swiss Re.


Ausstellungsdauer 27.8. - 30.10.2005

Oeffnungszeiten Di/Mi/Fr 12 - 18 Uhr, Do 12 - 20 Uhr
Sa/So 11 - 17 Uhr, Mo geschlossen


Kunsthalle Zürich
Limmatstrasse 270
8005 Zürich
Telefon +41 (0)44 272 15 15
Fax +41 (0)44 272 18 88
Email info@kunsthallezurich.ch

www.kunsthallezurich.ch





Trisha Donnelly


Any exhibition by US artist Trisha Donnelly (born in 1974, lives and works in San Francisco) always confronts viewers with an experience of the potentiality and on occasion also with pure absence. She works in a whole gamut of media, ranging from drawing, video, photography, sound and text to performances (which Trisha Donnelly terms "demonstrations"). And when using them she is forever exploring the place from which "things" first become infused with existence and meaning.


If Trisha Donnelly entitles a photo of a sphinx "Hands that hold the Desert Down" (2002), then she not only changes our perception of this all too familiar photo (if it were a reality that the desert, the sand of the desert were merely held down by the Sphinx's massive paws, what happens if they stand up and head off, does the desert than disappear?), but also the meaning of images in general and the relation of language to images.


If Trisha Donnelly transforms sounds into physical presence in her sound piece "The Shield" (2004), by using a refined sound sequence of sonorous deep through metallically high sounds and great technical precision in the sounds to create a non-material wall that divides a room, then she transforms sensory perception from one sense into the other, and plays with the borderlines of this perception, with realities, with language, experience and signifying assignation.


Synesthesia, in other words the transposition or simultaneous perception of sensory impressions otherwise experienced separate from one another plays a major role in Donnelly's oeuvre (see colors in letters or numbers, the perception of forms when hearing music, and much else besides). She does so not because of some excessively intense or exaggerated perceptual abilities on her own part (or among artists in general), but as a potential means of permeating and thus reconfiguring reality.


Her works are always geared to moments of absolute concentration - and they are likewise always focused on the simultaneity of magic, irritation and a constructive blank space. Her works also always take us beyond what we think we have grasped at first glance, that first encounter, that initial experience, and trigger the interaction of physical and imagined, of real and fictitious in a different way in each individual viewer.


Trisha Donnelly's performances are never documented: They exist as oral records by those who experienced them, in other words in countless individual versions. On the opening of one of her first solo shows, in 2000 at the Casey Kaplan Gallery in New York, she rode into the gallery rooms high on a horse, Napoleon's messenger, announced the emperor's capitulation (among other things with the words: "He capitulates, only by word not by will.") and intoning the words "I am electric, I am electric" rode off again.


In another of her demonstrations she asked the audience to read out loud from the libretto of Alexander Scriabin's unfinished symphony "Mysterium" - Scrjabin is said to have been a synesthetic and he planned this symphony as a seven-day spectacular of sensory sensations made up of music, text, dance, light, fire and smell. After the reading, Donnelly turned the lights off and played a recording of a piece of music while explaining that she had come across the recording during an eclipse of the sun. After her lecture, she informed the audience that she wished to seize the next morning of everybody present, thus took a place in the mind of every individual participant in the performance, not only appropriating their time, but also turning them into an artwork. She typically executes all her actions with great concentration and a fascinating intensity. She playfully engages with group phenomena, cultic practices and the creation of myths, and above all by logical advancing conceptual art practices, considering the work to first be realized in the viewer.


Ever more often, Trisha Donnelly delegates the "action" to the audience or a selected protagonist. For example, her photo-work "The Redwood and the Raven" (2004) consists of 31 small-format b&w photos: for each, Donnelly asked dancer Frances Flannery to perform a certain sequence of movements that she then photographed. However, the work is only ever displayed in the form of one photograph, which the gallery, institution or collector has to change each day the presentation lasts. The picture itself does not succeed in documenting a movement in time; the absent piece, the transition becomes more important than the fixed image.


Many of the photo and sound pieces refer to events that were announced but did not take place - what will actually happens remains open or is the product of our imagination, our memory, our supposition. Her sound piece "Dark Wind" (2002) periodically reproduces the sound of the howling wind - an experience which we may know from early Westerns in which the "Dark Wind" was a preferred tool to announce an event.


Her photo-piece "The Black Wave" (2002) shows the natural phenomenon of giant waves before or after a storm. Wind and water, sound and images point to an event, possible occurrence, change. And like all Trisha Donnelly's works, the piece unfolds more through a system of different references than from the material. Positioned somewhere between experience, scientific analysis, an act of the will or the imagination, her works function in the ephemeral, at times coincidental, and raise profound questions about what art is, what reality we trust, and how we construct them in the interstices of material and spirit, abstraction and experience, belief and knowledge.


Special thanks for their generous support go to: Präsidialdepartement der Stadt Zürich, Deutsche Bank Stiftung.


In collaboration with the Kölnischer Kunstverein, a catalogue is being produced. For the catalogue, which is conceived as an artist's book, Trisha Donnelly will create a special series of images. Texts by Daniel Baumann, Trisha Donnelly and a conversation between Nancy Spector and John Miller on the work of the artist.


Exhibition August 27 - October 30, 2005

Opening hours Tues/Wed/Fri noon - 6 pm, Thu noon - 8 pm
Sat/Sun 11 am - 5 pm, closed on Mondays