© Liina Siib

© Liina Siib: aus der Serie "Hypnosis", 1999
Digitalprint, 180 x 120 cm


(un)dressed
Körper in der baltischen Fotokunst
vol. 2: Estland


Margot Kask
, Peeter Laurits, Ly Lestberg, Mark Raidpere, Ene-Liis Semper, Liina Siib, Mare Tralla, Tanel Veenre


In der Ausstellung treten sieben zeitgenössische estnische Künstler auf, die ihre Fotos und Videostills zeigen. Präsentiert werden emblematische Werke der estnischen Kunst aus den neunziger Jahren. Viele davon gehören bereits zu den Sammlungen der Kunstmuseen.


Jahrzehnte lang war die Darstellung des Körpers durch die sowjetische Zensur in der Kunst ausgegrenzt. Der Körper durfte nur in "künstlerischen" Akten dargestellt werden, und die Aktfotoausstellungen waren Publikumsmagneten. Jahrzehnte lang genoss u.a. auch die Fotografie in Estland nicht den Status von Kunst. Erst Mitte der neunziger Jahre gelangten sowohl der Körper als auch die Fotografie in den Mittelpunkt der künstlerischen Aufmerksamkeit. Aus diesem Grunde treten hier hauptsächlich die Künstler der jüngeren Generation auf, in deren Schaffen sich die Körperdarstellung von der Sexualität bis zum Entladen der psychischen Spannungen zeigt. Mehrere dieser Künstler haben mit ihren Werken internationales Ansehen erreicht.


Ene-Liis Semper (*1969) ist zu vielen international wichtigen Kunstveranstaltungen eingeladen worden, darunter auch zur 49. Biennale in Venedig. Das Modell ihrer Videos ist sie selbst. Die Videos von Semper sind auffallend angriffslustig und emotional beladen. Ihre Werke beschäftigen sich mit der psychischen Gewalt, die durch den Körper ausgeübt wird.


Peeter Laurits (*1962) ist heute einer der anerkanntesten estnischen Fotokünstler. Er unterbrach seine Malereistudien und studierte Anfang der Neunziger in New York Fotografie. Laurits hat zahlreiche Preise gewonnen und war mit Ausstellungen in den USA, Deutschland, Portugal, Israel, Russland usw. vertreten. Mit seinen Werken versucht er der christlichen Mythologie einen neuen Sinn zu geben und die Verhältnisse zwischen Kultur und Natur zu betrachten.


Die Körperbehandlung von Mark Raidpere (*1975) ist am angriffslustigsten und ausgesprochen autobiografisch. Für Raidpere bedeutet der Körper ein Hindernis in der Identitätsbildung. Er fotografiert seinen eigenen mit Zigaretten verbrannten Körper und dessen agonale Haltungen. Ein Heiliger und Leidender zugleich - so gibt er der Leidensgeschichte Christi einen neuen Sinn.


Liina Siib (*1963) ist eine der namhaftesten Foto- und Videokünstlerin Estlands. "Ich beschäftige mich mit dem Video, weil ich von der Kunst genug habe", sagt sie. Ihre Werke zergliedern das Wesen der Moral und gesellschaftlichen Konventionen. Auf ihren Fotos ist sie bestrebt, die Grenzen zwischen der Erwachsenen- und Kinderwelt auszuloten.


Die Aktfotos von Ly Lestberg (*1965) spiegeln die Wichtigkeit der Geschlechterrollen in der Identitätsbildung wider. Ihre Werke sind androgyn beladen und verlassen die Möglichkeit einer eindeutigen Identität als Mann oder Frau. Ihrer Meinung nach sind der Körper und dessen Geschlechtsmerkmale etwas, was die Rolle eines Menschen in der Gesellschaft endgültig bestimmt.


Tanel Veenre (*1977) ist ein junger Schmuckkünstler, der für sein Schaffen bereits zahlreiche Preise erhalten hat. Sein Schmuck ist kostbar und dekadent. Geschickt spielt er mit der zweideutigen Substanz des Blutes. Einerseits ist das Blut bloss ein medizinischer Begriff, anderseits aber eine poetische Einheit. Für Veenre bedeutet es auch etwas sehr Schönes und Unerreichbares.


Mare Tralla (*1967) ist die bekannteste feministische Künstlerin in Estland. Ausgestellt werden Fotos einer ihrer Installationen. Dort erzählt sie Liebesgeschichten zu weggeworfenen Kleidungsstücken. Für sie wird die gesellschaftliche Rolle des Menschen nicht so sehr von seinem Körper, sondern von seinen Kleidern, die den Körper bedecken, bestimmt. "Das moderne Märchen" von Tralla ist spannend und traurig zugleich.


Margot Kask (*1974) gehört zu der jüngeren Generation der estnischen Fotokünstler. Ihre Werke stellen den Körper zart und rücksichtsvoll dar. Auf einer Fotoserie mit traumhaftem Unterton sehen wir den wortlosen Dialog zwischen Mutter und Kind.


Zu der Körperdarstellung der estnischen Kunst gehören sowohl die leichten und zarten Berührungen von Margot Kask als auch die angriffslustigen und rohen Werke von Mark Raidpere.


Die Ausstellung enstand in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für zeitgenössische Kunst, Estland.
Co-Kuratorin: Sirje Helme


Ausstellungsdauer: 29.11.2003 - 31.1.2004
Oeffnungszeiten: Di-Sa 12 - 18 Uhr


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