© Valentin Magaro

o. T., 2006
Tusche auf Papier/Collage, 29,5 x 42 cm


Valentin Magaro
Zeichnungen



Die Ausgangslage von Valentin Magaros Zeichnungen ist eine Puppe seiner Tochter. Die Serie beginnt mit einer harmlosen Fingerübung. Die Puppe ist aus verschiedenen Blickwinkeln mehrfach abgebildet und bleibt vorerst das, was sie ist: ein Spielzeug. Der Künstler entwickelte aus dem einfachen Motiv eine Reihe von 21 Zeichnungen, die im White Space ihren Abschluss findet. Die Zeichnungen werden zunehmend beklemmender, um schliesslich einen apokalyptischen Höhepunkt zu erreichen. Valentin Magaro interessiert, was passiert, wenn Spielsachen aus der unschuldigen Kinderwelt in die Erwachsenenwelt transferiert werden. Entstanden sind zum Teil albtraumhafte Psychopuppenstuben in denen sich Bäbis verfolgen, in Räumen gefangen sind, mutieren oder gar verbrennen.


Ein kleines Mädchen fliegt auf einem Fisch - eigentlich Stoff für ein Märchen - doch wird es vom Tod bedrängt. Magaro wirft einen zeichnerisch Röntgenblick auf seine Objekte. Im stereotypen Puppengesicht entblösst sich der Totenschädel. Den Fischen wuchern Geschwüre zwischen den Schuppen.


Auf anderen Blättern sind die Babies verformt, haben mehrere Ärmchen, verwachsene Köpfe oder bilden ein nicht mehr menschliches, aber dennoch organisches Bündel. Die Zeichnungen erinnern an Skulpturen der Chapman Brothers oder an die Filme von David Cronenberg. Allerdings bewegen sich Magaros Puppen in streng geometrischen Räumen, parallelperspektivisch gezeichnet. Der Fluchtpunkt fehlt, die Räume sind verwirrend ineinander verschachtelt. Einige Konstruktionen scheinen einer strengen mathematischen Logik zu folgen, fast als wären sie von Sol Le Witt konstruiert. In manchmal minimaler, manchmal futuristischer Architektur, tummeln sich die Puppen.


Magaro zeichnete ausschliesslich mit Tusche, erweiterte die Bilder aber ins Dreidimensionale, indem er verschiedene Leerflächen ausgeschnitten hat. Das lässt manche Zeichnungen wie ein Modell für Bühnenbilder erscheinen. Der Künstler verknüpft auf einzelnen Bildern mehrere Handlungsstränge und unterstreicht so das Erzählerische. Die Überlagerung der Bilderwelten wird zum Film, die Zeichnungen zu Szenarien, die Puppen zu Platzhaltern für die Akteure.


Manchmal bewegt sich Valentin Magaro hart an der Grenze zum Klischee, wenn er weibliche, mit Messern bewehrte Püppchen ein Männliches verfolgen lässt. Was auf den ersten Blick wie eine plumpe "Jetzt zeigen wir's den Männern" - Geste aussieht, verweist auf den zweiten Blick darauf, wie wir bereits als Kinder Geschlechterrollen und Verhalten trainieren. Die Puppe ist dazu wohl das geeignetste Instrument.


Jeder Mensch gerät in seinem Leben irgendwann an Abgründe. Spätestens mit der Pubertät öffnen sich die Gräben. Die Zeit der Unschuld ist unwiederbringlich vorbei, die dunklen Seiten der Existenz halten Einzug. Was früher ein kindlicher Albtraum voller böser Geister war, wird nun unausweichlich zur brutalen Welt, die uns alle umgibt. Aus dem Spiel ist Ernst geworden, die Puppen zu Menschen, die künstlichen Platzhalter zu sterblichen Wesen.


Ausstellungsdauer 22.6. - 8.7.2006

Öffnungszeiten Mi-Fr 18.30 - 20.30 Uhr, Sa 16 - 18 Uhr


White Space
Raum für aktuelle Kunst
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