© Tilo Steireif/Nicolas Savary

Tilo Steireif/Nicolas Savary: aus der Serie "Eini vo Eus"


Welschland

Solvej Dufour Andersen
, collectif-fact, KLAT, Tilo Steireif/Nicolas Savary


Am 23. November eröffnet das Substitut die Gruppenausstellung "Welschland". Die Ausstellung vereint aktuelle Positionen aus der französischsprachigen Schweiz. "Welschland" nennt man in der Deutschschweiz die Westschweiz. Die "Welschen" mögen diesen Ausdruck aber nicht, korrekt wäre "Romandie". Die Schweiz ist ein geteiltes Land. Immer wieder ist die Rede vom "Röstigraben" der die Französische von der Deutschschweiz trennt. Tatsächlich findet auch der kulturelle Austausch zwischen den zwei Landesteilen nur spärlich statt. Während sich die Zürcher Szene etwas selbstgefällig nur um sich selbst kümmert und Basel von der Kunstmesse Art und seinen grossen Institutionen dominiert wird, floriert die junge Kunst im Welschland. Neben Zürich und Basel haben sich Genf und Lausanne, die beiden grössten Westschweizer Städte, längst als Zentren der zeitgenössischen Kunst etabliert.


Das Substitut hat den Anspruch, möglichst Kunst aus der ganzen Schweiz in Berlin vorzustellen. Nach einer Ausstellung mit Tessiner Künstler/innen sind jetzt die Westschweizer an der Reihe.


In Lausanne prägt der Verein und Kunstraum circuit seit 1998 die aktuelle Kunst und ersetzt dort die fehlende Kunsthalle. Im Substitut präsentieren die Organisator/innen ihre Werke. Darunter sowohl Nachwuchskünstler/innen wie auch international bekannte:


François Kohler untersucht die visuelle Struktur von manchmal banalen Alltagsgegenständen wie Etikettenbögen oder auch Spielzeugautobahnen, während Luc Aubort eine Vorliebe für Zeichen aus dem ikonographischen Umfeld von Sekten und Religionen, von Armee und Kirche, von Naturvölkern und Produkte-Logos hat. Didier Rittener arbeitet mit gesammelten Bildern aus Modezeitschriften, Werbeprospekten, Kunstkatalogen oder Tageszeitungen und Filmstills. Seine Bilder oszillieren zwischen romantischem Zitat und technischer Darstellung. David Hominal zeigt im Substitut eine Hommage an Félix Gonzales Torres und eine gemeinsame Arbeit mit Philippe Deucrauzat. Dazu kommen Collagen, Zeichnungen, Malerei und Fotografie von Delphine Coindet, Damien Navarro, Stéphane Kropf, Jérôme Pfister und ein Video von Gilles Furtwängler. Ausserdem bringt circuit zahlreiche Editionen mit, die verschiedene Künstler/innen für den Kunstraum produziert haben.


Die Künstler Tilo Steireif und Nicolas Savary zeigen im Substitut die gemeinsame Arbeit "Eini vo eus" (Eine von uns). Die Arbeit befasst sich mit Dahrstellungsstrategien der Schweizer Politik. "Angenommen die Politik betrifft Darstellungs-und Vermittlungsprozesse, dann ist es erlaubt sie 'umzukippen', sie nachzuahmen, sie zu provozieren um ihre allgegenwärtige und unverständliche Präsenz zu stören." ("Die Kunst tötet die Politik", Marco Danesi, Domaine Public, Juni 2006). Sie benutzen u.a. die fotografische Studie, die Aneignung offizieller Bilder der Politiker und deren patriotischen Reden, um der offiziellen Inszenierung der Schweizer Politiker zu widerstehen. Dies betrifft vor allem diejenigen Politiker, die die Medien monopolisieren. Nachdem die Künstler die jährlichen Delegiertenversamlungen sämtlicher politischen Parteien besucht haben, präsentieren sie eine fotografische Studie, die sich mit der aggressiven Wahlkampagne vom 2007 befasst. Die Bilder zeigen, wie man den vergänglichen Wahlplakaten in der Schweizer Landschaft begegnet.


Die in Dänemark geborene Künstlerin Solvej Dufour Andersen lebt und arbeitet seit langem in Genf. Dort führt sie mit ihrem Partner Peter Stoffel (der an der Ausstellung "nature revisited" beteiligt war) Planet22, den wohl kleinsten Kunstraum der Schweiz, eine Vitrine über ihrem Hauseingang. Im Substitut zeigt sie zum ersten Mal ihr neustes Video: eine alte Frau, die ob ihrer Erinnerungen immer mehr und mehr und mehr lachen muss... Was sie bewegt bleibt verborgen. Die Zuschauer können nur erahnen, dass die Frau auf ein langes und reichhaltiges Leben zurückblicken kann.


Ebenfalls aus Genf ist die Künstlergruppe collectiv-fact. Die Gruppe setzt sich u.a. durch Videoanimationen mit Themen wie dem hybriden Stadtraum auseinander. Im Substitut inszenieren sie Demonstraten auf ihrer virtuellen Bühne und zeigen in einem völlig verdunkelten Raum ein winziges Objekt, ein Auto, das eine unmögliche Verbindung mit einem Laternenmast eingegangen ist...


Unter dem Namen KLAT arbeiten verschieden Künstler/innen regelmässig zusammen. Nach Berlin bringen sie eine riesige Discokugel, die aussieht, als hätte sie ein Daunenbad genommen.


Ausstellungsdauer 23.11. - 15.12.2007

Oeffnungszeiten Mi/Do 16 - 19 Uhr, Fr 16 - 21 Uhr,
Sa 14 - 18 Uhr


Substitut - Raum für aktuelle Kunst aus der Schweiz
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D-10115 Berlin
Telefon +49 (0)1577 291 2882
Email info@substitut-berlin.ch

www.substitut-berlin.ch


Substitut - Raum für aktuelle Kunst aus der Schweiz
Auf der Basis eines nicht profitorientierten Ausstellungsraumes werden Künstler/innen aus der Schweiz in Berlin gezeigt und vernetzt. Längerfristig soll der gegenseitige Austausch Schweiz-Berlin und umgekehrt gefördert werden. Substitut spielt im Namen auf Institut sowie Subkultur oder gar Subversion an. Der Name drückt aus, dass es sich nicht um einen reinen Off-Space oder eine reine Institution handelt, sondern um eine Mischung. Substitut im Sinne von Ersatz kann zudem auch kritisch auf die Rolle der Kunst in der Gesellschaft bezogen werden und ist zugleich eine künstlerische Arbeitsweise. Substitut ist ein Projekt von Urs Küenzi (Kunsttheoretiker und freier Kurator, Zürich. Gründer des White Space in Zürich, www.whitespace.ch).