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Lake Shore Drive, Chicago II, USA, 1953
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Werner Bischof
Bilder



Die Ausstellung und das Buch "WernerBischofBilder" stellen einen der bedeutendsten Schweizer Fotografen des 20. Jahrhunderts vor. Werner Bischof (1916-1954) ist bekannt als Klassiker der Schwarzweissfotografie. Im Helmhaus Zürich gibt es auch neue Seiten zu entdecken: grosse, farbige, verblüffend aktuell wirkende Fotografien - eine eigene Bildwelt im Spannungsfeld zwischen Kunst und Reportage.


Vor 20 Jahren fand im Kunsthaus die letzte grosse Werner-Bischof-Ausstellung statt. Wer heute über 50 ist, der ist mit dem Flötenspieler oder der japanischen Schneelandschaft aufgewachsen: Diese Bilder hingen über manchem Bett, im Schulzimmer oder im Wartezimmer beim Arzt. Als Ikonen der frühen Reportagefotografie waren sie jahrzehntelang präsent und sind weltbekannt geworden.


Fragt man heute eine junge Generation kulturell interessierter Leute nach Werner Bischof, ist dieser Name nicht wirklich ein Begriff. Die Ausstellung im Helmhaus Zürich verfolgt zwei Ziele: Sie möchte die faszinierende Arbeit von Werner Bischof einer jungen Generation vorstellen. Und sie möchte einer mittleren und älteren Generation Bilder zeigen, die nicht einmal Bischof-Kennern vertraut sind.


Entdecken kann man im Helmhaus Bischofs Farbbilder, die kaum je ausgestellt und auch in Buchform schon lange nicht mehr publiziert worden sind - entdecken kann man auch, wie Bischofs Fotografien im Grossformat wirken. Diese neue Sicht auf das Werk ist der Offenheit von Marco Bischof zu verdanken, dem ersten Sohn von Rosellina und Werner Bischof, der seit dem Tod seiner Mutter im Jahr 1986 den Nachlass (den "Werner Bischof Estate") mit viel Energie, Mut und Lust betreut. Marco Bischof war denn auch die treibende Kraft dieses Projekts, das in Zusammenarbeit mit dem Leiter des Helmhaus Zürich, Simon Maurer, und dem Gestalter Peter Zimmermann entstanden ist.


Entdecken kann man aber auch vordergründige und hintergründige Zusammenhänge, die sich durch dieses hochkarätige Werk ziehen. Am 26. April 1916 in Zürich geboren, lernt Werner Bischof in den Dreissigerjahren als Student der legendären ersten Photoklasse von Hans Finsler und Alfred Willimann ein "Neues Sehen": Es entstehen von ihm selber arrangierte Stillleben, sachfotografische Experimente von bezaubernder Schönheit und erste Reportagen. Während um die "Insel Schweiz" herum der Zweite Weltkrieg tobt, sucht Bischof im Studium der Natur einen Kontrast der Stille.


Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs findet auch die Studiozeit von Werner Bischof ihren Abschluss: Den "Elfenbeinturm" (Bischof) verlässt er umgehend, als die Grenzen 1945 wieder geöffnet werden, und zieht mit dem Fahrrad los noch Süddeutschland. Er ist erschüttert, das Ausmass der Zerstörung mit eigenen Augen zu sehen. Bis 1949 entsteht auf seinen Reisen kreuz und quer durch Europa eine Dokumentation des Lebens auf dem Kontinent nach dem Ende des Kriegs. Bischof interessiert sich für die Unterschiede, mit denen der Wiederaufbau in den verschiedenen Ländern aufgenommen wird. Was er im Bereich der Sachfotografie gelernt hat, wendet er nun im Feld draussen an.


In dieser Frühzeit des Fotojournalismus veröffentlicht er seine Bilder aus Europa in den wichtigsten Zeitschriften der westlichen Welt. 1949 wird er erstes Mitglied der legendären Fotografengruppe Magnum Photos. Sein Verhältnis zur Verwertungsindustrie der Bilder ist jedoch von Anfang an zwiespältig. Zum einen ist Bischof auf die Veröffentlichung der Bilder angewiesen, zum andern leidet er zusehends unter dem oft unsorgfältigen und propagandistischen Umgang mit dem fotografischen Ausgangsmaterial in den Bildredaktionen. Dem Dilemma zwischen Kunst und Reportage ist Werner Bischof auf eine exemplarische Art und Weise ausgesetzt. Und als hochreflektierter Mensch weiss er nur zu gut, dass ihn dieses spannungsgeladene Verhältnis zu zerreissen droht.


1951 verlässt Bischof Europa und reist mit einem Auftrag der Zeitschrift Life nach Indien. Die Reportage über die Hungersnot in Bihar bringt ihm internationale Anerkennung ein. Über sein Auftragsthema hinaus interessiert er sich für das Verhältnis von Tradition und Moderne, ein Thema, das ihn auf seiner Reise durch Asien begleiten wird. Die Kultur und Natur Japans ruft Erinnerungen an sein Frühwerk wach. Die Bilder, die hier entstehen, fasst er zum letzten von ihm selber zusammengestellten Buch zusammen. Schon bald wird er aber wieder vom Krieg eingeholt: von neuartigen Kriegen in Korea und in Indochina.


Nach zwei Jahren Weltreise kehrt Bischof Ende 1952 nach Zürich zurück, zieht aber bald weiter in die USA, wo er sich mit Auftragsarbeiten die Reise nach Südamerika verdient. In der Neuen Welt entstehen grosszügig komponierte Farbbilder. Über Mittelamerika reist er nach Südamerika, auf der Suche nach einer Harmonie zwischen Mensch und Natur. Bei einem Autounfall in den Anden verunglückt er am 16. Mai 1954 tödlich.


Werner Bischofs Weg führt aus dem Zürcher Studio um mehr als die halbe Welt. Dieses Werk, dessen weitaus grösserer zweiter Teil in knapp zehn Jahren entstanden ist, enthält eine Vielzahl von Themen. Bekannt ist Bischof vor allem als Fotograf von Menschen unterschiedlichster Kulturen. Er ist ein Meister der vielfigurigen Komposition in Bewegung, zum Beispiel von Spielszenen. Es gibt aber auch Bischof, den Stillleben- oder Landschaftsfotografen. Bewegung und Ruhe, Dynamik und Kontemplation, Spiel und Schlaf, Arbeit und Musse stehen sich gegenüber. Und: "Das Erstaunliche an Bischof: Er ist als Künstler in der Darstellung von Glück und Frieden ebenso gross wie im Ausdruck von Kummer und Schmerz" - mit den Worten des Schriftstellers Claude Roy.


Bischofs Gabe, mit seinen Bildern eine Präsenz zu schaffen, reicht bis in unsere Gegenwart. Erstaunlich ist nämlich auch, wie aktuell diese Bilder heute noch erscheinen. Das mag daran liegen, dass sich die Welt vielleicht doch weniger verändert hat, als man meinen würde. Und daran, dass Bischof das Zeitgebundene in seinen Bildern geschickt umgeht. Und schliesslich daran, dass die Art und Weise, wie er fotografiert hat - diese kühnen und doch nicht aufgesetzt wirkenden Ausschnitte, dieses Gefühl für das Licht, dieser Instinkt für den Augenblick -, der Zeit voraus war. Deshalb fühlt man sich vor Bischofs Bildern heute noch so, als sei man selber mittendrin. Seine Gabe, das Vertrauen der Menschen zu gewinnen, machte ihn und seine Kamera unsichtbar. So entstanden: WernerBischofBilder.


Gemeinsam mit der Ausstellung erscheint im Benteli Verlag, Bern (deutsche Ausgabe), und im Steidl Verlag, Göttingen (englische Ausgabe), das bisher umfangreichste Buch zum Werk von Werner Bischof: "WernerBischofBilder / WernerBischofPictures". Bischofs Bildwelt entfaltet sich auf 464 Seiten in knapp über 350 grossformatigen Abbildungen. Erstmals erhalten hier die Farbbilder die ihnen entsprechende Bedeutung. Das Buch enthält zahlreiche selten publizierte Bilder und einen informativen Text zu Leben und Werk von Werner Bischof. Es ist in Zusammenarbeit des Werner Bischof Estate und des Helmhaus Zürich entstanden und wird von Marco Bischof, Simon Maurer und Peter Zimmermann herausgegeben.


Werner Bischofs Werk hat seit jeher auch Kinder begeistert - nicht nur, weil Kinder ein Lieblingsthema des Fotografen darstellen. Es erschien deshalb sinnvoll, von Anfang an eine Palette museumspädagogischer Aktivitäten für diese Ausstellung zu entwickeln. Ein Raum im Helmhaus ist den jüngeren Besucherinnen und Besuchern gewidmet. Donat Bräm von der Pädagogischen Hochschule Zürich hat ihn konzipiert. Es werden Arbeiten von Kindern gezeigt, die zu ausgewählten Bildern von Werner Bischof gezeichnet und geschrieben haben. Auf den Ausstellungstermin hin publiziert der Pestalozzianum-Verlag der Pädagogischen Hochschule Zürich eine Mappe mit Unterrichtsmaterialien - "Der zugewandte Blick. Werner Bischof", 36 Bilder -, herausgegeben von Susan Gürber und Thomas Hermann.


Diese Unterrichtsmaterialien liegen auf - ebenso ist es möglich, individuell am Bildschirm die CD-ROM "Werner Bischof/Leben und Werk eines Photographen" (2003) von Marco Bischof und Carl Philabaum zu erkunden. Geplant ist auch eine Führung für Lehrpersonen, die auf Wunsch didaktischen Support erhalten, wenn sie mit ihren Klassen die Ausstellung besuchen möchten. Der Children's Day schliesslich, am Sonntag, 12. März, 13-18 Uhr, bietet ein Spezialprogramm für Kinder ab 5 Jahren, mit dem Ziel, der jüngsten Generation auf spielerische Art die Bilderwelt von Werner Bischof näher zu bringen.


Das Filmpodium zeigt den Film "Unterwegs - Werner Bischof Photograph 51/52" von René Baumann und Marco Bischof, zu dem parallel zur Ausstellung auch eine DVD erscheint.


Ausstellungsdauer 11.2. - 17.4.2006

Öffnungszeiten Di-So 10 - 18 Uhr, Do 10 - 20 Uhr


Helmhaus
Limmatquai 31
8001 Zürich
Telefon +41 44 251 61 77
Fax +41 44 261 56 72

www.helmhaus.org


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