© Tina Hauser

Tina Hauser: The Beauty #5, 2001
Inkjet-Print auf Dibond, 140 x 109 cm


Zement-Geister

Christian Andersen
, Andreas Dobler, Tina Hauser, Rockmaster K., Uwe Wittwer


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Die Galerie Fabian & Claude Walter zeigt Arbeiten von zeitgenössischen Schweizer KünstlerInnen, die sich mit den Realitäten, Perspektiven und Visionen menschlichen Lebens im "Zementzeitalter" auseinandersetzen. Mit unterschiedlichem Vokabular und verschiedenen Akzentuierungen erzählen diese Werke von der Macht, aber auch von den Grenzen und Abgründen urbaner Zivilisation. Gezeigt werden Fotografien von Tina Hauser, Zeichnungen von Andreas Dobler und Christian Andersen, Inkjets von Uwe Wittwer und eine Rauminstallation von Rockmaster K. Im Showroom im hinteren Teil der Galerie sind Filme des Künstlers Robert Suermondt zu sehen. Anlässlich der Eröffnung findet ein Liveact von Andy Canyon und Rockmaster K statt.


Tina Hauser (*1967 in Kt. Glarus) rückt mit ihren Fotografien von Abfallbergen in den Mittelpunkt, was im westlichen Kulturkreis nur zu gerne aus dem Bewusstsein verdrängt wird. Der Künstlerin geht es dabei jedoch nicht in erster Linie darum, moralisierend den Zeigefinger zu erheben. Vielmehr gibt sie den Ausscheidungen der modernen Konsumkultur, welche sie als "Plastiken auf Zeit" wahrnimmt und als Kunstwerke präsentiert, einen neuen, ästhetischen Wert. Dieser ist frei von jedem utilitarischen Beigeschmack und hat nichts mit dem modernen Prinzip des Recycling zu tun. Das Leben, mit welchem die Künstlerin die weggeworfenen Objekte quasi post mortem ausstattet, ist eher in der Sphäre des Nirwana anzusiedeln denn als Wiedergeburt zu verstehen.


Auch Rockmaster K. (*1962 bei Basel) setzt sich in seinen Werken mit dem Wertesystem der modernen Gesellschaft auseinander. Seine Selbstporträts erinnern formal an Bilder in einer Ahnengalerie. Zu sehen sind aber keine würdevollen Stammväter, sondern ein unangepasster Zeitgenosse, der als Künstler, DJ und Musiker zu einer Kultfigur der urbanen Szene geworden ist. Rockmaster K. inszeniert sich selbst, kreiert jedoch durch gezielte Manipulationen und mit einer gehörigen Portion Selbstironie neue Identitäten von ambivalentem Charakter. Seine Installation eines modernen Lagerfeuers, dessen Flammen keine wirkliche Wärme spenden, setzt sich mit der Sehnsucht des Städters nach Geborgenheit und Zusammengehörigkeit auseinander und stellt gleichzeitig die Mittel, mit denen diese Sehnsucht zu befriedigen versucht wird, in Frage.


Sehnsucht ist auch in den in der Ausstellung gezeigten Inkjets von Uwe Wittwer (*1954 in Zürich) ein Thema. Die Motive seiner Pool- und Flusslandschaften entsprechen dem Wunsch des gestressten Stadtmenschen, der Beengung, Düsterkeit und Hektik der Grossstadt zu entfliehen. Doch ist der Versuch, mit solch "kleinen Fluchten" dem Alltag zu entkommen, nicht zum vornherein zum Scheitern verurteilt? Der Städter bleibt auch ausserhalb der Stadt ein Städter. Auch seine idealisierten Zufluchtsorte sind von der urbanen Kultur beeinflusst und vermögen oft nicht zu halten, was er sich von ihnen verspricht. Die Architektur der Poollandschaften von Uwe Wittwer lässt uns an Wachtürme und Militärlager denken. Und seine Landschaften wirken wie Trugbilder, Fata Morganas, an denen sich nicht festhalten lässt und die sich weder zeitlich noch örtlich verankern lassen.


Andreas Dobler (*1963 in Biel) konfrontiert uns in seinen grossformatigen Tuschezeichnungen mit endzeitlich anmutenden Szenerien, in denen sich gegensätzliche kulturelle Kräfte überlagern, durchdringen und bekämpfen. So durchbohren seine raketenartig beschleunigten "Speed Cathedrals" ein starres, streng zentralperspektivisch angeordnetes und dennoch haltlos im Raum schwebendes Gerüst moderner Betonarchitektur. Durch die Kombination von Zeichen verschiedener Styles, welche unter anderem Zitate aus der Welt der Comics, des Konsums und der Graffitiszene beinhalten, schafft Andreas Dobler mit seinen Zeichnungen vielschichtige Projektionsräume für die Sehnsüchte, Ängste und Visionen der modernen westlichen Gesellschaft.


Auch die Arbeiten des Zürcher Künstlers Christian Andersen (*1974) bedienen sich der Zeichensprache verschiedener kultureller Ebenen. Motive von archetypischer Aussagekraft, wie der in seinen grossformatigen Zeichnungen blass am Himmel stehende Mond, werden kombiniert mit Elementen, die einer von der persönlichen Biographie des Künstlers geprägten Symbolik entstammen. Kunsthistorische Einflüsse sind dabei ebenso auszumachen wie Zitate aus der Strassenkultur und Graffitiszene, in welcher sich Andersen während Jahren aktiv bewegte. Aus dieser Kombination verschiedener Codes entstehen surreale Landschaften, angesiedelt in einem Niemandsland zwischen Wüste und Zivilisation, zwischen Traum und Wirklichkeit.


Die Filme des Künstlers Robert Suermondt (*1961 in Genf) reflektieren über den Prozess der visuellen Aneignung und das Bedürfnis des Betrachters, das Gesehene zu ordnen und zu kontrollieren. Die Filmsequenzen von "Murphy's Law" (1998), gedreht auf den zahlreichen Reisen des Künstlers, werden uns als örtlich und zeitlich schwer einzuordnende Fragmente präsentiert, die sich einer kognitiven Eroberung durch den Betrachter weitgehend entziehen. In seinem Film "Delta" (2000) zeigt Suermondt, in vollkommenem Gegensatz zu den Fotos von Tina Hauser, Produkte der westlichen Zivilisation, auf welche diese besonders stolz ist: das traute Eigenheim, die elegante Hotellobby, das perfekt gestylte Fotomodell. Durch die in Rotation an dem Betrachter vorbeiziehende Präsentation dieser Heiligtümer werden diese jedoch als gleichförmige, austauschbare Götzen entlarvt.


Ausstellungsdauer: 13.11. - 23.12.2004
Öffnungszeiten: Di-Fr 12 - 18 Uhr, Do 12 - 20 Uhr,
Sa 11 - 16 Uhr und nach Vereinbarung


Galerie Fabian & Claude Walter
Limmatstrasse 270
8005 Zürich
Telefon 01 440 40 18
Fax 01 440 40 19
Email galerie@fabian-claude-walter.com

www.fabian-claude-walter.com
www.likeyou.com/andreasdobler





Cement-Ghosts

Christian Andersen
, Andreas Dobler, Tina Hauser, Rockmaster K., Uwe Wittwer


The Fabian & Claude Walter Gallery shows works by Swiss artists who deal with realities, perspectives, and visions of human life in the "cement age". These artists tell of the power but also of the boundaries and chasms of urban civilization with a different vocabulary and various accentuations. Photographs by Tina Hauser, drawings by Andreas Dobler and Christian Andersen, inkjets by Uwe Wittwer, and a spatial installation by Rockmaster K. will be presented. In the showroom in the back of the gallery films by artist Robert Suermondt will be shown. On the occasion of the opening there will be a life act by Andy Canyon and Rockmaster K.


Tina Hauser (*1967 in canton Glarus) with her photographs of mountains of rubbish moves centre stage what's being suppressed all too readily from consciousness in western culture. However, to begin with the artist doesn't do so with a moralizing undertone. On the contrary she attaches a new aesthetic value to the excretions of modern consumer culture which she perceives as "non-permanent sculptures" and presents as works of art. This value is free of any utilitarian taste and doesn't have anything to do with modern principles of recycling. Life with which the artist endows thrown away objects post mortem so to speak, is rather to be established in the spheres of Nirvana than to be understood as rebirth.


Also Rockmaster K. (*1962 near Basel) deals, in his works, with the system of values of modern society. Formally, his self-portraits remind one of pictures in a gallery of ancestral portraits. But there are no dignified progenitors to be seen, but a nonconformist individual who, as a DJ and musician, has become a cult figure of the urban scene. Rockmaster K. produces himself but he creates, however, new identities of an ambivalent character through calculated manipulations and a due portion of self-irony. His installation of a modern campfire the flames of which do not give out real warmth, deals with an urbanite's longing for security and a sense of togetherness, and he simultaneously calls into question the means with which this longing is tried to be satisfied.


Longing also is a topic in the inkjets by Uwe Wittwer (*1954 in Zurich) shown in the exhibition. The motifs of his pool and river landscapes correspond to the stressed urbanite's wish to get away from the big cities' crampedness, gloominess, and hectic atmosphere. But the attempt to escape the daily routine with such "small flights", isn't it doomed to failure right from the start? The urbanite remains urbanite even outside towns and cities. His idealized retreats, too, are influenced by urban culture and often cannot live up to what they promise. The architecture of Uwe Wittwer's pool landscapes make us think of watchtowers and military camps. And his landscapes have the effect of hallucinations, of fata morganas, to which one cannot hold onto, and which cannot be anchored, be it temporally or locally.


Andreas Dobler (*1963 in Zurich) confronts us, in his large-format India ink drawings, with eschatological seeming sceneries within which antagonistic cultural powers overlap, permeate and fight each other. Thus his rocket-like sped-up "Speed Cathedrals" run through a rigid, in stern central perspective arranged framework of modern concrete architecture, yet completely adrift in space. Through the combination of signs of different styles which contain quotes from the world of comics, of consumption, and the graffiti scene among others, Andreas Dobler creates, with his drawings, many-layered projection spaces for the yearnings, fears, and visions of modern western society.


Also the works by Zurich artist Christian Andersen (*1974) make use of the sign language of different cultural levels. Motifs of an archetypal expressiveness, like the pale moon up in the sky in his large-format drawings, are being combined with elements originating in a symbolism marked by the artist's personal biography. Here, art-historical influences can be made out as well as quotes from the street culture and the graffiti scene within which Andersen was active for a number of years. From this combination of different codes surreal landscapes are formed which are placed in a no-man's-land between desert and civilization, between dream and reality.


The films by artist Robert Suermondt (*1961 in Geneva) reflect on the process of visual appropriation and the viewer's need to sort out and control what he's seen. The film sequences from "Murphy's Law" (1998), shot during numerous travels of the artist, are being presented as, locally and temporally, difficult to categorize fragments which evade the viewer's cognitive conquest. In his film "Delta" (2000) Suermondt shows, in total contrast to Tina Hauser's photographs, products of western civilization of which she is especially proud: the home sweet home, the elegant hotel lobby, the perfectly styled photographic model. However, through rotary presentation of these sanctuaries they are being unmasked as uniform and replaceable idols.


November 13 - December 23, 2004