© Mark Staff Brandl

Mark Staff Brandl: The Collapsible Kunsthalle


Zwischen zwei Zügen
Kunst aus dem Handgepäck


Ester Bättig, Mark Staff Brandl, Silvia Buonvicini, Robert Cahen, Hazem El Mestikawy, Gunter Frentzel, H.R. Fricker, Barbara Graf, Hervé Graumann, Beat Klein / Hendrijke Kühne, Arlette Ochsner, Peter Roesch, Roman Signer, Stefan Sulzberger, Verena Thürkauf, René Zäch


"Wohin damit?" ist eine Frage, die bei sperrigen Kunstwerken oft gestellt werden muss. Probleme damit ergeben sich bei der Lagerung der Werke - sei es im Künstleratelier, in welchem sie entstanden sind, sei es im Museum, von welchem sie möglicherweise gezeigt oder angekauft werden möchten. Hinzu kommen oft Transportprobleme, wenn eine Ausstellung angesagt ist: Es müssen Transportkisten gebaut werden, auf Logistik spezialisierte Firmen werden bemüht, die klimatisierte Bedingungen garantieren, und für die dennoch nicht ganz auszuschliessenden Schäden, die bei einer Verschiebung von A nach B entstehen könnten, braucht es ausgefeilte Transportversicherungen. Einige Künstlerinnen und Künstler, die oft und gerne reisen, haben elegante Lösungen gefunden, um sich selbst und anderen diese Sorgen zu ersparen, indem sie auf "light" umgestiegen sind, ohne dabei an Substanz zu verlieren. Im Gegenteil.


Das Phänomen ist nicht eigentlich neu. Es setzte vermutlich mit Marcel Duchamp ein: Duchamp hat sich 1942 als "marchand de fromages" ausgegeben, um seine "Boîte en valise" über die Grenzen zu bringen - in einer Schachtel, welche im Miniaturformat alle seine Werke reproduziert enthielt, die ihm im Exil wichtig waren.


In den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts haben sich Konzeptkünstler auf "Kunst im Kopf" eingelassen - und damit noch weniger Raum beansprucht.


Seither kommt es nicht selten vor, dass z.B. Malereien oder Zeichnungen nur für eine ephemere Intervention an einem bestimmten Ort geschaffen werden; oder dass sich Plastisches nur im Zusammenhang mit einer bestimmten, unwiederholbaren räumlichen Situation entfaltet; bei neuen Medien schliesslich ist zur Herstellung zwar ein grosser Aufwand erforderlich; Aufbewahrung und Transport beschränken sich aber auf ein VHS- oder DVD- Format.


Einzelne Künstlerinnen und Künstler haben sich denn auch speziell mit der potentiellen Mobilität ihres Schaffens auseinandergesetzt; als "Hotelkunst" bezeichnet etwa René Zäch diese zeitgemässe Art von Umgang mit dem Kunstwerk.


Konzept der Ausstellung:
Als Stadt ist Olten eine Durchgangsstation (bekanntlich km 0 der SBB !). Dies macht Olten zum idealen Zwischenhalt für Kunstwerke auf der Durchreise aus allen Himmelsrichtungen, die in leichtem Gepäck daherkommen, sich aber für die Dauer einer Ausstellung in einem Museum breit zu machen und zu behaupten vermögen.


Das Kunstmuseum Olten verfügt über 7-10 Säle für Ausstellungen; davon mehrere kleinere, intime Räume. Für diese Ausstellung wurden einzelne dieser Räume einzelnen Künstlern überlassen; die grösseren Säle im Parterre und im 1. OG eignen sich - wie frühere Bahnhofwartsäle - für einen Dialog zwischen den Werken.


Die Künstlerinnen und Künstler hatten sich mit der vorgegebenen Situation auseinanderzusetzen. So hat Roman Signer bereits vor Monaten den Raum reservieren lassen, in dem sich jetzt nur noch das Zeugnis seiner Intervention befindet, wörtlich "auf der Durchreise, aus dem Koffer" (1.OG). Ebenso Ester Bättig (EG), die mit einer beträchtlichen Menge von Bleistiften angereist kam und direkt auf die Wand zeichnete, wobei sie damit auf architektonische Eigentümlichkeiten des Museums hinweist. Silvia Buonvicini bearbeitete drei Tage lang mit dem Lötkolben den Teppichboden im Bereich der Museumssammlung (3. OG) und nahm so Kontakt mit vorhandenen Bildern und Objekten auf. Stefan Sulzberger ist als willkommener Gast des Austausch-Projekts "échanges" des Schweizerischen Kunstvereins mit einem Sonderstatus an der Ausstellung beteiligt; sein Beitrag besteht aus der Bearbeitung unserer gläsernen Eingangsfront mittels Farbe (EG).


Andere Beteiligte wiederum breiten sich aus, weil sie es verstehen, reisefertig und flexibel mit der ihnen aufgrund ihrer Vorlieben empfohlenen Wand- oder Raumsituation umzugehen: So kamen Peter Roesch mit kleinen, sensiblen Zeichnungen und H.R. Fricker mit kostbaren Elementen aus seinem "Alpstein-Museum" dazu, leichtbepackt einen roten bzw. einen grün bemalten Raum - Relikte der vorgängigen Ausstellung - zu bespielen (beide im EG). Das Künstlerpaar Kühne / Klein nimmt dagegen für seine spielerisch-kritische Haltung einen neutraleren Saal in Beschlag (1. OG). Mark Staff Brandl ist in einer Doppelrolle einerseits als Künstler vertreten: mit Zeichnungen in der Sprache von Comic-Heften, andererseits auch als "Kurator" einer eigenen Ausstellung im Aktenkofferformat, an der viele zusätzliche internationale Künstler beteiligt sind: "Collapsible Kunsthalle I und II"(EG). Verena Thürkauf wartet mit der Installation einer im 2002 vom Kunstmuseum angekauften und durch die Künstlerin in variablen Dimensionen aufbaubaren Wandarbeit auf (1. OG). Hervé Graumann zeigt in einer Ecke als Bodenstück geometrisch wirkende Assemblagen von Kleinstobjekten (1. OG). Barbara Graf pflegt ihre plastischen Werke mitsamt passender Tragtasche aus Stoff zu fertigen und im Raum zu montieren, während Hazem El Mestikawy leichte, ineinander verschachtelbare Kartonteile entwirft, die je nach Situation an eine Wand angebracht oder am Boden aufeinander gestellt werden können (1. OG).


Noch einfacher halten es Künstlerinnen und Künstler, die dem Museum das Beschaffen der benötigten Geräte und Materialien überlassen: Robert Cahen repräsentiert mit seinen poetischen Arbeiten zur Thematik des Reisens das Videoschaffen (EG). Gunter Frentzel bestellte bei der Oltner Firma Ero-Frikart AG kurzentschlossen Eisenstäbe, die in seinem Handgepäck nicht transportierbar gewesen wären, und die er vor Ort zu einer fragilen Plastik aufeinander türmt (1. OG). Im virtuellen Bereich anzusiedeln ist das eindrückliche Projekt "Downunder" von Arlette Ochsner: Die Etappen der von ihr in einer grossen Kiste um die halbe Welt geschickte Kugel sind auf ihrer Webseite zu finden, im Museum (1. OG) wird nur versucht aufzuzeigen, wie die ganze Reise von ihrem "Regiepult" aus per Internet organisiert wurde - aber das geht nicht ohne Tischvitrinen und anderen Requisiten.


René Zäch schliesslich wird mit 20 bisher unveröffentlichten, identischen Plastiken im Format A4 dabei sein; er hat sich als Einziger das Recht genommen, in jedem verfügbaren Raum Präsenz zu markieren.


Es soll ein Katalog entstehen, der die Installationen in situ abbildet, mit individuellen Texten zu möglichst jeder Arbeit; erscheint anlässlich der Finissage der Ausstellung.


Zu Stefan Sulzberger gibt der Schweizerische Kunstverein in seiner Reihe "échanges" eine Sonderpublikation heraus (Austausch 2004 zwischen Les Halles, Porrentruy, und Kunstmuseum Olten).


Ausstellungsdauer: 4.9. - 7.11.2004
Oeffnungszeiten: Di-Fr 14 - 17 Uhr, Sa/So 11 - 17 Uhr


Kunstmuseum Olten
Kirchgasse 8
4603 Olten
Telefon 062 212 86 76
Fax 062 212 34 66
Email kunstmuseum.olten@bluewin.ch

www.kunstmuseum-olten.ch