Douglas Gordon: Photo: Simon J. Starling

Douglas Gordon: Bootleg (Stoned), 1995
Installationsansicht im migros museum für gegenwartskunst, Zürich
Photo: Simon J. Starling


Collection Part II

Douglas Gordon
, Fabrice Gygi, Ugo Rondinone, Piotr Uklanski, Costa Vece


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Im Rahmen einer Reihe von Ausstellungen, die im laufenden Jahr Werke aus der Sammlung unter verschiedenen Gesichtspunkten vereint, bringt die zweite Sammlungspräsentation eine Auswahl an Werken aus den Ankäufen seit der Gründung des Museums zusammen. Aktuelles Anliegen der Sammlungskonzeption ist es, die Werke, die eine gegenwärtige Kunstproduktion berühren, in ein lebendiges zeitgenössisches Umfeld einzubinden. Die Ausstellung "Collection Part II" verbindet Ankäufe aus der frühen Phase des Museums, die verschiedene Formen stereotyper Bilder, Wahrnehmungsstrukturen und Repräsentationen von Macht und Gewalt aufgreifen.


Die Skulpturen von Fabrice Gygi (*1965) unterscheiden sich auf den ersten Blick wenig von Objekten, die eine konkrete Funktion nahe legen würden. Sie imitieren Objekte und architektonische Elemente, die der provisorischen Ausstattung des öffentlichen Raumes in einer jeweils ganz bestimmten Funktion, so beispielsweise zum Schutz, dienen und einer zeitlich begrenzten Verwendung unterworfen sind. In ihnen widerspiegeln sich das Sicherheitsdenken und die Ängste der Gesellschaft. "Dérouleur de tapis rouge" (1999) ist ein fahrbarer Anhänger aus Metall, auf dem ein roter Teppich aufgerollt ist. Noch liegt ein Teil des Teppichs am Boden - vor kurzem mag dieser noch als Requisit auf der Bühne einer spektakulären Inszenierung gedient haben. Als irritierendes Element ist ein sich ständig drehendes Blaulicht am Anhänger angebracht. Es verweist auf die mögliche Verwendung des Teppichs in einem politischen Kontext und auf die diesem eigenen Sicherheitsdispositive. Der rote Teppich erhält dadurch nebst der Konnotation als Requisit für eine Bühne des Glamourösen eine weitere Bedeutungsebene. Gygi untersucht mit seinen Skulpturen und Installationen Architekturen der Macht und des Politischen und das ihnen inhärente Gewalt- und Agressionspotenzial - so wird auch der rote Teppich zum Ort, an dem symbolisch (politische) Macht ausgeübt wird.


Costa Vece (*1969) schafft ebenfalls Situationen, die Themen rund um Gewalt und Rebellion reflektieren. "The Bomb" (1999) ist aus assoziativen Gebrauchsmaterialien zusammengebaut und trotz der groben Materialien in ständiger Bewegung. Es handelt sich um eine gebastelte Architektur aus Planen, Kartonkisten und Tarnnetzen, in deren Innerem sich verkabelte Gasflaschen, Ölfässer, Monitore und rückwärts laufende Zeituhren befinden. Die kurzen Filmsequenzen auf den drei Monitoren sowie das nicht aufhörende Ticken vermitteln das Gefühl, von einem ständig rasenden Countdown bedroht zu sein, der ein in seiner Auswirkung nicht bekanntes und gewaltvolles Ende als Potenz enthält. Die Arbeit gehört einer Serie gleichnamiger Installationen an, die zwischen 1999 und 2000 entstanden sind. Zentral in ihnen sind die Direktheit und Aggressivität der entworfenen Szenarien möglicher Katastrophen. Gleichzeitig reflektiert die Arbeit die mediale Verwertung und Vermittlung von Krieg und Gewalt - möglicherweise handelt es sich auch nur um ein auf reale Grösse aufgeblasenes Setting eines Kriegsspiels.


Auf sieben im Raum verteilten Monitoren ist das verzerrte Grinsen verschiedener Clowns sichtbar. Diese liegen am Boden oder sitzen auf Stühlen und scheinen manchmal mit offenen Augen zu schlafen. Hin und wieder wechseln sie ihre Position. Beim Durchschreiten der Installation werden die Besucher durch zwölf auf die Bewegungen der Zuschauer reagierende Audiosensoren mit zynischem Gelächter in verschiedenen Nuancen begleitet. "Dog Days Are Over" (1996) war Teil der ersten Ausstellung - einer Einzelpräsentation von Ugo Rondinone (*1963) - die 1996 im damals neu gegründeten Museum stattfand. Die Clowns waren im Rahmen einer Performance während der Eröffnung der Ausstellung zugegen. Sie wurden gefilmt und später in der Ausstellung auf Monitoren gezeigt. Rondinone bedient sich damit eines klassisch-tragischen Motivs - des Clowns, der sich über sich selbst, aber auch über seine Betrachter lustig macht und dem Leid zumindest noch das Komische abzugewinnen vermag. Die Rolle des lustigen Narrs oszilliert zwischen dem Humorvollen, Zynischen und Bösen als ehrlicher Sprecher des Ungesagten. Aufgeworfen wird durch das Motiv aber auch das Thema der künstlerischen Selbstreflexion sowie die klischierten Fremdzuschreibungen in Bezug auf die Identität des Künstlers und die daraus resultierenden Wechselwirkungen.


Ebenfalls mit stereotypen Figuren und deren Reflexion beschäftigt sich Piotr Uklanski (*1968). Nach einer langen Vorbereitungsphase realisierte der polnische Künstler im Sommer 2006 seinen ersten Spielfilm mit dem Titel "Summer Love" (2006). Es handelt sich dabei um den ersten polnischen Western, gedreht mit einer lokalen Filmcrew in einer abgelegenen Region im Süden Polens. Uklanski realisierte einen allegorischen Film über die Liebe unter Anwendung einer bestimmten Palette von Charakteren, Landschaftsbildern und weiteren dem Genre des Westerns inhärenten stereotypen Motiven. Die Fotoserie "Summer Love" (2001) gehört zu den in den letzten Jahren entstandenen Vorarbeiten für das mittlerweile realisierte Projekt. Die collageartig angeordneten Fotografien und das zugehörige Requisit, ein Coltgurt, spielen mit dem Bildgenre, das beispielsweise auf Werbematerial für Filme oder DVD-Hüllen zu finden ist und unseren Vorstellungen und Erwartungen entspricht. Uklanski bedient sich der Sprache des Westerns, um damit das Genre zu reflektieren sowie Fragen nach kultureller Identität und Authentizität aufzuwerfen. In den Bildern verdichtet sich die Anwendung dieser Methode, da die glatten Bildoberflächen die Verheissungen auf den ersten Blick offenbaren sollen und den Film und das Genre als Pars pro toto repräsentieren.


Douglas Gordon (*1966) benutzt in einer Vielzahl seiner Arbeiten das Medium des Films als Folie und konstruiert neue Möglichkeiten der Wahrnehmung und Übersetzung von filmischen Fragmenten. Er bedient sich vorgefundener Materialien, die er neu kontextualisiert oder durch kleine Eingriffe manipuliert. Bei den drei Arbeiten "Bootleg (Bigmouth)" (1996), "Bootleg (Cramped)" (1995) und "Bootleg (Stoned)" (1995) macht sich Gordon illegale Konzertaufnahmen, so genannte Bootlegs, zu eigen. In amateurhafter Manier gefilmt, flimmern die Live-Mitschnitte von Rockkonzerten in Zeitlupe als grosse Projektionen über die Wand. Das Weglassen der Tonspur, die Verlangsamung der Gesten und die der Qualität nicht adäquate Vergrösserung abstrahieren die Momente der Ekstase, die in den geloopten Bootlegs endlos verlängert werden. Gordon seziert das Phänomen der Kultur der Rockmusik, indem er den Betrachter auf Details aufmerksam macht, die auf den ersten Blick nicht ersichtlich sind. Die dadurch erreichte Verfremdung abstrahiert die bekannten Bilder und Gesten, die sich in der langsamen Bewegung und den grossflächigen Farbflächen beinahe auflösen.


Ausstellungsdauer 28.6. - 12.8.2007

Oeffnungszeiten Di/Mi/Fr 12 - 18 Uhr, Do 12 - 20 Uhr
Sa/So 11 - 17 Uhr


migros museum für gegenwartskunst
Limmatstrasse 270
8005 Zürich
Telefon +41 044 277 20 50
Fax +41 044 277 62 86
Email info@migrosmuseum.ch

www.migrosmuseum.ch

Das migros museum für gegenwartskunst ist eine Institution des Migros-Kulturprozent.

www.kulturprozent.ch




Collection Part II

Douglas Gordon
, Fabrice Gygi, Ugo Rondinone, Piotr Uklanski, Costa Vece


In the context of a series of exhibitions over the course of the year combining various viewpoints the second collection presentation gathers together a choice of works that have been acquired by the museum since its founding. The current concern of the exhibition is to have the works make contact with current art production to integrate them in lively contemporary environment. The exhibition "Collection Part II" involves purchases of the early phase of the museum which take on various forms of stereotypical images, structures of perception and representation of power and violence.


At first glance, the sculptures of Fabrice Gygi (*1965) seem hardly to differ from objects which suggest they have a concrete function. They imitate objects and architectonic elements which in the provisional environment of the public space are to serve, for instance, a protective purpose and are subordinated to time limits. Societal notions of security and society's inherent fear are reflected within them. "Dérouleur de tapis rouge" (1999) is a metal mobile trailer upon which a rolled up red carpet is attached. A part of the carpet still lies on the floor - just at this moment it seems to serve as a prop on the stage of a spectacular production. An irritating element is provided by a blue light attached to the trailer recalling the alarm of police presence. It refers to its possible use in a political context and to its own anticipated security. Thus the red carpet, alongside its connotation as a prop on the stage of the glamorous contains another level of meaning. In his sculptures and installations Gygi investigates power and the political and its inherent violence and potential aggression - thus the red carpet also exercises its symbolic (political) power on site.


Likewise Costa Vece (*1969) creates situations reflecting on themes of violence and rebellion. "The Bomb" (1999) is made up of associative used materials and in spite of the rough materials is in constant movement. It involves a cobbled up architecture of awnings and camouflage nets, in which the interior houses cabled-up gas bottles, oil drums and backward running clocks. The short film sequences on the three monitors as well as the non-stop ticking give the feeling of being threatened by a continually racing count down, which in its effect of an unknown and violent end perceives as potency. Central to them is the directness and aggression of the created scenarios of potential catastrophes. At the same time the work reflects media exploitation and mediation of war and violence - it is possibly also only about a war game setting inflated to a real dimension.


On seven monitors distributed in the room the distorted grins of clowns are visible. They are on the floor or placed on chairs and sometimes appear to be sleeping with their eyes open. They change their position now and again. When walking through the installation the visitor is bathed in a sound. Twelve sensors which react to the movements of the audience play back cynical laughter with various differing nuances. "Dog Days Are Over" (1996) was part of the first exhibition - a solo presentation by Ugo Rondinone (*1963) - which took place in 1996 in what at that time was the newly founded museum. The clowns were attending in the context of a performance during the opening of the exhibition. They were filmed and later shown on monitors. With them Rondinone availed himself of a classically tragic motif - the clown who makes fun of himself but also of his spectators and might at least take pleasure in the comic aspect of suffering. The role of the merry jester oscillates between the humorous, cynical and evil as the honest speaker of the unsaid. Also accumulated through the motif is the theme of artistic self reflection as well as the clichéd alien attribution of the artist's identity and the resulting interactions arising from it.


Piotr Uklanski (*1968) also works with stereotypical figures and their reflection. After a preparatory phase in summer 2006 the Polish artist completed his first feature film entitled "Summer Love" (2006). It treats the subject of the first Polish Western, shot by a local film crew in a remote region of southern Poland. Uklanski make an allegorical film about love with the use of a certain raft of characters, landscape images and other inherently stereotypical motifs from the genre of the Western. "The Summer Love" (2001) series of photographs form part of the preparatory work which took place in the years prior to the now completed film project. The collage-like ordered photography and the appendant requisite, a Colt belt, play with the genre of images, which are to be found for instance, in advertisements or film covers and correspond to our ideas and expectations. Uklanski utilises the language of the Western and in so doing reflects on the genre as well as tossing out questions on cultural identity and authenticity. The image condenses the application of this method, for the smooth image surfaces should reveal the promises at first glance and represent the film and the genre Pars pro toto.


In many of his works Douglas Gordon (*1966) use the film as a foil and constructs new potentials of perception and translation of film fragments. He uses found materials, which he contextualises anew or manipulates via small interventions. In the three works "Bootleg (Bigmouth)" (1996), "Bootleg (Cramped)" (1995) and "Bootleg (Stoned)" (1995) Gordon uses illegal recordings of concerts, so-called bootlegs. Amateurishly filmed live clips of rock concerts in slow motion are project in large scale on the wall. Leaving out the sound track, the slowing down of the gestures and the insufficient quality for such large scale projection abstracts the moments of ecstasy, endlessly extended by their looped playback. Gordon dissects the phenomenon of the culture of rock music by making the spectator aware of details which are not visible at first glance. The alienation achieved by this abstracts the recognised images and gestures which in slow motion and over large surfaces of colour well nigh disintegrate.


Exhibition 28 June - 12 August 2007

Opening hours Tues/Wed/Fri noon - 6 pm, Thu noon - 8 pm, Sat/Sun 11 am - 5 pm


The migros museum für gegenwartskunst is an institution of the Migros Culture Percentage.

www.kulturprozent.ch