Reiter, 2004 Super 8-mm, s&w, ohne Ton / Super 8mm, b&w, without sound, 2:30 Min. Courtesy die Künstlerin / the artist & Produzentengalerie Hamburg Ulla von Brandenburg Click for English text Das Werk der deutschen Künstlerin Ulla von Brandenburg (geboren 1974 in Karlsruhe, lebt und arbeitet in Hamburg und Paris) basiert auf historischen Versatzstücken unterschiedlichster Herkunft und Bedeutung, die die Künstlerin in der Literatur, der bildenden Kunst, im Theater, Hollywoodkino, der Fotografie aber auch in Hochglanzmagazinen, Tageszeitungen oder auf Flohmärkten findet. Ihre Arbeiten, die sowohl Filme als auch Zeichnungen, Scherenschnitte, Aquarelle, Zeitschriften, Wandzeichnungen und Performances umfassen, kreisen immer um "Spielregeln" gesellschaftlicher Realität. Häufig greift sie dabei auf Materialien zurück, die das ausgehende 19. Jahrhundert und den Übergang in die sogenannte Moderne anwesend sein lassen, deren "kultivierte" Erscheinungen und Bildfindungen sie als formalen und nicht durch einen subjektiven künstlerischen Stil geprägten Filter zur Diskussion zeitgenössischer kollektiver Erfahrungen einsetzt. In ihrer Ausstellung im neu durch zusätzliche Räumlichkeiten erweiterten Parallelraum der Kunsthalle Zürich zeigt Ulla von Brandenburg Filme und eine eigens für die Ausstellung erarbeitete Wandinstallation. Anlässlich der Langen Nacht der Museen am 2. September, wird zudem ihr Film "Ein Zaubertrickfilm" (2002) in einem einmaligen Screening gezeigt. Ulla von Brandenburgs Filme, Papierarbeiten, Rauminstallationen und Performances operieren mit Posen und Gesten aus dem visuellen Fundus des Theaters, der Fotografie, des Zirkus und der Kunstgeschichte, die sie in ihren Arbeiten zu Bildern montiert und collagiert. Es geht dabei nicht um das historische Zitat als solches, sondern um gesellschaftliche Regelhaftigkeiten und Konstellationen, die diese immer auch als formalisiert eingefrorene und an ihrer Unbeweglichkeit scheiternde Formen erfahrbar machen. In "Reiter" (2004) spielen Johann Wolfgang von Goethes Interesse am Tableau Vivant, das er als literarische Figur in den Wahlverwandtschaften einsetzt, Gesellschaftspiele des 19. Jahrhunderts, die Maler Veronese und Klossowski sowie Masken und Dekorationselemente der Commedia dell'Arte gleichzeitig eine Rolle. Ulla von Brandenburg verwebt diese zu einem ereignislosen, filmisch eingefangenen Tableau Vivant, in dem nur kleinste Bewegungen des Atmens der Figuren oder der Wind das bewegte Bildmedium sichtbar werden lassen. In anderen Filmen, die ebenfalls Tableaux Vivants assoziieren, gruppieren sich aus unterschiedlichen Literaturvorlagen oder Gemälden entlehnte Figuren in verschiedenen Konstellationen; in "Der Brief" (2004) um einen Briefleser; in "Mi-Carême" (2005) harrt der Betrachter in einer an eine gruppendynamische Sitzung gemahnenden Situation, in denen eine Figur mit Maske ausgeliefert im Zentrum einer sitzenden Figurengruppe steht, ein Motiv, das die Künstlerin Fasnachtsritualen entnommen hat. In der Filmarbeit "Around" (2005) wiederum umkreisen wir eine dicht gedrängte Menschengruppe mit der Kamera; weder dem Sucher noch uns selbst gelingt es dabei zu den Gesichtern der sich wie fremdgesteuert im Kreis drehenden Figuren vorzudringen. Grupppenrituale, Magie, Okkultismus, Hysterie, Krankheit - Regelhaftigkeiten und Konstellationen menschlichen Verhaltens allgemein werden in allen Arbeiten der Künstlerin wirksam und schaffen eigenartig emotionslose Bilder formalisierten Verhaltens. Anna-Catharina Gebbers formuliert zum Werk der Künstlerin wie folgt: "Das häufig in den Arbeiten auftauchende Motiv der Maske lässt an die Masken Nietzsches oder den revolutionären Gebrauch der Geschichtsmasken denken, den Benjamin den Surrealisten unterstellt. Eine Maske ermöglicht einen emotionalen Freiraum für Darstellungen und eine reflektierende Distanzierung - so wie das Übertragen von Bildern in ein anderes Medium, das Collagieren oder die historisierende Darstellungsweise. Ulla von Brandenburgs Arbeiten beziehen sich nicht wirklich auf eine spezifische historische Phase, eher verhandeln sie die gewandelte kulturelle Bedeutung von Bild, Sprache und Repräsentation. Die formale Inszenierung und der Aspekt der Übertragung als solche werden betont: Blickachsen bilden ein strenges Kompositionsgefüge, die Posen und Gesten wirken theatralisch unnatürlich und prätentiös. Gegen die "Tyrannei der Intimität" (Richard Sennett) biografischer künstlerischer Verfahren wird eine Feier der theatralen und artistischen Kompetenz entgegengesetzt, die einen kultivierten Abstand ermöglicht. Diese subtile Distanzierung von modernistischen, auf Expression und Subjektivität basierenden Konzeptionen der Autor- oder Meisterschaft und von dem Konstrukt einer reinen Visualität des Kunstwerks verweist auf Verfahren der Conceptual Art. Nicht die individuelle Handschrift des Künstlers steht im Vordergrund, sondern vielmehr die Rolle des Betrachters, der die Geschlossenheit des Werkes in der Rezeption herstellt. Die Tableaux Vivants nehmen oft den neutralen Hintergrund des White Cube auf in dem sie präsentiert werden: In ihm schwimmen auch die Betrachter als entkörperlichte Augen - White Cube und Darstellungsraum gehen ineinander über. Auf unsere laut Benjamin durch Flüchtigkeit und Wiederholbarkeit geprägte Wahrnehmungsweise antwortet von Brandenburg wie Warhol mit einem Dehnen des Moments: Nichts geschieht auf den Bildern. Die abgebildeten Figuren harren aus. Zur Ausstellung erscheint ein Künstlerheft. Die Kunsthalle Zürich dankt: Präsidialdepartement der Stadt Zürich, Luma Stiftung Unser Vermittlungsprogramm wird unterstützt von Swiss Re. Ausstellungsdauer 26.8. - 29.10.2006 Oeffnungszeiten Di/Mi/Fr 12 - 18 Uhr, Do 12 - 20 Uhr Sa/So 11 - 17 Uhr, Mo geschlossen Kunsthalle Zürich Limmatstrasse 270 8005 Zürich Telefon +41 (0)44 272 15 15 Fax +41 (0)44 272 18 88 Email info@kunsthallezurich.ch www.kunsthallezurich.ch Ulla von Brandenburg The work of German artist Ulla von Brandenburg (born in 1974 in Karlsruhe, lives and works in Hamburg and Paris) is based on historical elements of all kinds of origin and significance, which the artist finds in literature, the visual arts, theatre, Hollywood films, photography as well as in glossy magazines, daily newspapers and at flea markets. Her works, which include films, drawings, paper silhouettes, watercolours, magazines, wall drawings and performances, always circle around the "rules" of social reality. She frequently goes back to materials which make the late 19th century and the transition to so-called Modernity tangible, whose "cultivated" appearances and image ideas she uses as a formal filter, and not one shaped by a subjective artistic style, in discussing contemporary collective experiences. In her exhibition in the newly extended parallel room at the Kunsthalle Zurich, Ulla von Brandenburg will be showing films as well as a wall installation which she creates especially for the exhibition. Her film "Ein Zaubertrickfilm" (2002) will also be shown in a unique screening as part of the Long Night of Museums on September 2, 2006. Ulla von Brandenburg's films, works on paper, room installations and performances make use of poses and gestures from the visual troves of theatre, photography, the circus and the art history which she assembles and collages in her works into pictures. In these, it is not the historical quote as such that is important, rather social regularities and conformities which allow us to experience these forms always in a formalised, frozen way and which also flounder on their motionlessness. In "Reiter" (2004), Johann Wolfgang von Goethe's interest in tableau vivant, which he used as a literary figure in Elective Affinities, 19th century games, the painters Veronese and Klossowski and masks and decorative pieces from the Commedia dell'Arte all play a role at the same time. Ulla von Brandenburg interweaves these into an uneventful tableau vivant captured on film, in which only the tiniest movements of the figures as they breathe and the wind betray the moving picture medium. In other films, also associated with tableaux vivants, figures borrowed from different works of literature and paintings form groups of various conformations; in "Der Brief" (2004) around a reader of a letter; in "Mi-Carême" (2005) the observer gets stuck in a situation which reminds us of a dynamic encounter group where a masked figure stands in the middle of a group of seated figures, at their mercy; a motif that the artist borrowed from carnival rituals. Then in the film "Around" (2005), the camera circles a densely packed group of people; neither the one searching nor we manage to see the faces of the figures, turning in a circle as though under a spell. Group ritual, magic, occultism, hysteria, sickness - universal regularities and conformations of human behavior have an effect in all of the artist's works and create curiously emotionless images of formalised behavior. Anna-Catharina Gebbers writes the following on the artist's work: "The motif of the mask, which appears frequently in her works, calls to mind the masks of Nietzsche and the revolutionary use of historical masks that Benjamin suggests was typical of the Surrealists. A mask provides emotional space for portrayal and a reflective distance, as does the transfer of pictures into another medium, collages or the historicising mode of representation. Ulla von Brandenburg's works do not really refer to a specific historical period, but rather they debate the changed cultural significance of picture, language and representation. She emphasises the formal orchestration and the element of transferal as such. The visual axes form a stringent composition, the poses and gestures seem theatrical, unnatural and pretentious. A celebration of theatrical and artistic competence, which provides a cultivated distance, is set against what Richard Sennett terms the "tyranny of intimacy" in artistic biographical processes. This subtle distancing from Modernist conceptions of authorship and mastery based on expression and subjectivity, and from the construct of pure visuality in the artwork, refers to the methods of conceptual art. It is not the artist's individual signature that comes to the fore, but much more the role of the observer, who produces the closeness of the work in the act of perceiving it. Tableaux vivants often absorb the neutral background of the white cube in which they are presented. The observer also swims in it like a disembodied eye - white cube and stage space merge into one. Von Brandenburg, like Warhol, answers our methods of perception, which according to Benjamin are shaped by flippancy and repetition, with a prolonged moment: Nothing happens in the pictures. The figures pictured are waiting. For the exhibition, an artist's brochure will be made. Kunsthalle Zurich thanks: Präsidialdepartement der Stadt Zürich, Luma Stiftung Our education and tour program is supported by Swiss Re. Exhibition 26 August - 29 October 2006 Opening hours Tues/Wed/Fri noon - 6 pm, Thu noon - 8 pm, Sat/Sun 11 am - 5 pm, closed on Mondays |