Vision einer Sammlung


Die Eröffnungsausstellung "Vision einer Sammlung" gibt den Besuchern erstmals die Möglichkeit, die seit der Gründung des Rupertinums (1983) stetig gewachsene Sammlung zur Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts im Dialog mit zahlreichen hochkarätigen Dauerleihgaben zu sehen, die dem Museum der Moderne von Privatsammlungen und Stiftungen langfristig zur Verfügung gestellt wurden. Ausgehend von den Kunstwerken aus der eigenen Sammlung wurde eine Konzeption entwickelt, die die charakteristische Struktur des Bestandes einerseits deutlich herausarbeitet und andererseits die grundlegenden Themenbereiche:


Das Bild vom Menschen - Das Medium der Kunst - Die Welt als Bild ins Internationale und ins Zeitgenössische erweitert. Der Titel "Vision einer Sammlung" steht programmatisch für die dynamische Struktur des Sammlungskonzepts, dessen Ziel es ist, eine international ausgerichtete und zugleich eigenständige Kollektion im neuen Museum der Moderne aufzubauen.


Die Ausstellung, die alle drei Ebenen des Museums einnimmt, empfängt den Besucher mit einem Blick auf den Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert. Ausgehend von Werken von Gustav Klimt, Richard Gerstl oder Lovis Corinth wird das Projekt der Moderne anhand von Werkgruppen rund um die Darstellung von Landschaft und Figur vorgestellt. Der Bereitschaft der R. & H. Batliner Art Foundation sowie der Sammlung Thyssen-Bornemisza, die dem Museum zahlreiche Werke als Leihgaben zur Verfügung gestellt haben, ist es zu verdanken, dass hier hochrangige Meisterwerke den Museumsbesitz ergänzen. So sind aus der Sammlung Batliner unter anderem frühe Werke von Paul Cézanne und Claude Monet, Landschaftsbilder von Maurice de Vlaminck, Georges Braque und Edvard Munch zu sehen. Höhepunkte sinnlicher Frauendarstellungen bilden "Mädchen mit Blumenhut" von Alexej von Jawlensky, Pablo Picassos "Femme nue à l'oiseau et joueur de flûte" und Amedeo Modiglianis sanfte "Sitzende junge Frau".


Einen ersten Blick auf die Kunst nach 1945 und die neuen Möglichkeiten künstlerischer Gestaltung zwischen Abstraktion und Psychisch-Visionärem gewähren neben den grossformatigen Arbeiten von Alfred Hrdlicka und Hermann Nitsch aus der Sammlung des Museums und den spontan primitivistischen Zugängen der Cobra-Künstler die metaphysischen Bilderwelten von Ad Reinhart und Morris Louis, die Teil der Sammlung Ernst Ploil sind, und neben zahlreichen weiteren Dauerleihgaben dieser Sammlung die Ausstellung in ihren zeitgenössischen Aspekten international positionieren. So ergänzen Werke u.a. von Rosemarie Trockel, Thomas Locher, Franz West oder Sue Williams die unterschiedlichen thematischen Schwerpunkte der Ausstellung.


War es das Versprechen Herbert Batliners dem Museum Dauerleihgaben zu geben, das die konzeptuellen Überlegungen zum Bau eines neuen Museums für moderne und zeitgenössische Kunst in Salzburg von Beginn an massgeblich befördert haben, so hat auch Francesca Habsburg mit der Sammlung Thyssen-Bornemisza die Arbeit des Museums der Moderne von Anfang an grosszügig unterstützt: Es besteht bereits seit dem Pre-Opening "einleuchten", einer Ausstellung, die gemeinsam mit kuratiert wurde und in der zahlreiche Werke zeitgenössischer Kunst von T-B A21 (der Privatstiftung Thyssen-Bornemisza Art Contemporary) gezeigt werden konnten, eine enge Zusammenarbeit, die mit der Gewährung von hochkarätigen Dauerleihgaben aus ihrer Sammlung eine perfekte Fortsetzung findet.


Die zweite Ausstellungsebene führt die Zielsetzung der Ausstellung "Vision einer Sammlung" weiter, nicht nur historische Kunst anhand herausragender Exponate zu zeigen, sondern diese mit der zeitgenössischen Kunst in ein dialogisches Verhältnis zu setzen, um Kontinuitäten, Brüche und Perspektivwechsel sichtbar zu machen. Die historische Entwicklung von Medialität und Materialität wird hier durch die Konfrontation von Zeitgenössischem, Neuen Medien und zentralen Werken der Abstraktion anschaulich vor Augen geführt. Neue Medien wie Fotografie, Video und computergenerierte Bilder thematisieren das Sichtbare und das nicht-mehr-Wahrnehmbare.


Zeitgenössische Werke wie jene von Jakob Gasteiger, Peter Halley, Imi Knoebel, Barnett Newman, Gerwald Rockenschaub oder Rudi Stanzel werden konfrontiert mit Schlüsselwerken der beginnenden gegenstandslosen Kunst aus der europäischen, insbesondere der russischen Malerei des frühen 20. Jahrhunderts aus der Sammlung Thyssen-Bornemisza. Die individuellen Spielarten und visualisierten Konzepte auf dem Weg zur Abstraktion, des Kubo-Futurismus, Suprematismus und Konstruktivismus zeigen sich hier u.a. an Werken von Ksenia Ender, Aleksandra Exter, Gustav Klucis, Frantisek Kupka, Paul Mansouroff, Varvara Stepanova, Marie Vassilieff, sowie André Masson, Man Ray, Arthur Segal und Gino Severini.


Eines der Hauptwerke von Kazimir Malewitsch, "Schwarzer Kreis", konnte durch eine Kooperation mit der Österrreichischen Galerie Belvedere in Wien für die Ausstellung gesichert werden und ergänzt die Werke des russischen Konstruktivismus um ein Beispiel von Malewitschs Sonderweg, den Suprematismus.


Die dritte Ausstellungsebene widmet sich dem Menschenbild zwischen Technik und Pop. Die Dauerleihgabe "Big Joy" von Jean-Michel Basquiat steht zentral in einer Reihe von Werken, die ein neues Welt-Bild vermitteln: Der Mensch wird als Funktionswesen in einer mechanisierten Umwelt gesehen, das von Raum und Zeit kontrolliert und dominiert wird. Der Künstler aber ist als Akteur am Konstruieren dieses neuen Weltbildes beteiligt. Künstliche Menschenfiguren wie Kristof Kinteras sprechender Junge (durch im Silikonkörper versteckte Technik), oder das absurde Selbstbild als knochenlose Puppe von Werner Reiterer vermitteln das in den Technologien sich auflösende alte Bild des Menschen, der sich in dieser Welt neu zu orientieren hat.


Die Pisces Collection steuerte nicht nur ein zentrales Werk des amerikanischen Malers David Salle bei, das im letzten Ausstellungsbereich beispielhaft für die internationale figurative Malerei der 1980er und 1990er Jahre steht. Von ihr stammen auch drei chromierte Bronzen, Skulpturen von Sylvie Fleury, die in der Ausstellung im spannungsreichen Dialog mit Werken von Bruno Gironcoli zu sehen sind. Die Verschmelzung von Körper, Natur und Technologischem wird gerade durch Fleurys Motorenskulpturen von Luxusautos in die Kunst der Ikonen, der Kommerzialisierung und des Hedonismus nicht ohne Ironie eingebaut. Auch ein Objekt von Manfred Erjautz, eine mit Logos über und über beklebte Schaufensterpuppe nimmt den Ansatz der Pop-Art auf, und führt die Bilder und Objekte der österreichischen Spielarten der internationalen Pop-Art der 1950er und 1960er Jahre mit Werken von Christian Ludwig Attersee, Padhi Frieberger, Marcel Houf, Konrad Oberhuber u.a. in die Aktualität weiter.


Die figurative Malerei der 1980er Jahre in all ihren aus historischer Distanz noch deutlicher hervortretenden Diversifizierungen ist das Zentrum, von dem aus sich im letzten Abschnitt der "Vision einer Sammlung" die Perspektive auf die zeitgenössischen unterschiedlichsten Bildfindungen eröffnet. Immer wieder stellt sich die Frage nach der Neuformulierung des Bildes zwischen Intuition, Bildtradition und strenger Kontrolle der eingesetzten Mittel.


Das breite Spektrum an Arbeiten österreichischer Künstler, die in den vergangenen Jahren vom Museum der Moderne angekauft werden konnten, wie jene von Siegfried Anzinger, Gunther Damisch, Gottfried Leitner, Rebecka Liljeberg oder Hubert Schmalix, wird auch hier durch Dauerleihgaben ergänzt, die helfen, das Vorhandene im internationalen Kontext zu zeigen. So verdankt das Museum Thaddaeus Ropac, der mit seiner grosszügigen Schenkung eines Werkes von Imi Knoebel einen für die Zukunft der Sammlung wichtigen Startschuss gab, Werke von Gilbert & George, Antony Gormley, Anselm Kiefer, Philip Taaffe u.a. Zu seinen Dauerleihgaben gehört auch das Leitbild der Eröffnungsausstellung, Tim Noble & Sue Websters "Fucking Beautiful".


Auf einer "Skulpturenterrasse" in Höhe der zweiten Ausstellungsebene und im unmittelbaren Umraum des Museums wird das Konzept mit Skulpturen von Fritz Wotruba, Karl Prantl und Henry Moore (eine Dauerleihgabe der Henry Moore Foundation) noch einmal exemplarisch in Szene gesetzt: Sammlungsobjekte und Dauerleihgaben ergänzen sich, österreichische Kunst der Moderne tritt in einen Dialog mit herausragenden internationalen Positionen, menschliche Figur und Natur in unterschiedlichen abstrahierenden Formulierungen werden in Bezug zueinander gesetzt..


Ausstellungsdauer: 24.10.2004 - 6.3.2005
Oeffnungszeiten: Mo-So 10 - 18 Uhr, Mi 10 - 21 Uhr


Museum der Moderne
Mönchsberg
Mönchsberg 32
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